Mathematische Methoden und Computereinsatz, die Aufgabe, Integrale oder die Lösung von Differentialgleichungssystemen numerisch zu berechnen. Das Gebiet der numerischen Integration gehört zu den wichtigsten der numerischen Mathematik und den angewandten Wissenschaften. Die verwendeten Verfahren, von denen viele in Programmbibliotheken oder numerischer Software enthalten sind, für die verschiedenen Integrationsprobleme (ein- und mehrdimensionale Integrale, gewöhnliche, differentiell-algebraische oder partielle Differentialgleichungen) unterscheiden sich erheblich in ihrer Methodik und Konzeption.
1a) Der einfachste Fall ist die Auswertung des Integrals für eine auf dem Intervall stetige und reellwertige Funktion . Dabei wird durch die Quadraturformel
mit geeigneten Stützstellen und von unabhängigen Gewichten approximiert, wobei man zu vorgegebenem Fehler die Approximation , d.h. ein Konstruktionsverfahren zur Bestimmung von und so bestimmen möchte, dass für eine möglichst grosse Klasse von stetigen Funktionen erfüllt ist. Hierzu bieten sich interpolierende Quadraturformeln an, die durch Interpolation von durch Grundfunktionen einer bestimmten Funktionenklasse (z.B. Polynome) berechnen und auf exakt sind, d.h. für alle gilt . Die Newton-Cotes Formeln sind ein Beispiel für eine interpolierende Quadraturformel, die auf einem System äquidistanter Stützstellen aufbaut. Basiert eine interpolierende Quadraturformel auf einer Schrittweitenfolge , die gegen Null konvergiert (Beispiel: sukzessive Intervallhalbierung mit ), so kann unter bestimmten Voraussetzungen die Folge extrapoliert, d.h. konvergenzbeschleunigt werden. Ein Beispiel hierfür ist das Romberg-Verfahren, das aus einer Extrapolation der Trapezregel mit Hilfe des Neville-Algorithmus hervorgeht. Für Funktionen, die in einigen Bereichen des Intervalls eine starke, in anderen jedoch nur wenig Krümmung aufweisen, bieten sich adaptive Verfahren an, die automatisch die Stützstellen im Integrationsintervall so wählen, dass der Integrationsfehler klein wird und sich somit dem Integranden anpassen.
Ein weiteres Verfahren, nämlich das Gausssche Integrationsverfahren, (Gauss-Quadratur) erhält man durch die Betrachtung der Integrale , wobei eine auf positive und stetige Funktion ist und wieder durch approximiert werden soll. Allerdings wird nun auf die äquidistante Verteilung der Stützstellen verzichtet, und sowohl die Gewichte als auch dürfen frei gewählt werden, wobei eine exakte Integration von Polynomen bis zum Grade erzielt wird, wenn man die Stützstellen als Nullstellen der mit Hilfe des Skalarproduktes
und z.B. des Gram-Schmidtschen Orthogonalisierungsverfahrens erzeugten orthogonalen Polynome wählt. Die Gewichte berechnen sich aus der Vorschrift
wobei die Nullstellen des -ten Orthogonalpolynoms bezeichnet (es lässt sich zeigen, dass diese Nullstellen sämtlich reell, einfach und in gelegen sind) und das Lagrangesche Fundamentalpolynom zu den als Stützstellen ist. In praktischen Anwendungen werden je nach Intervall und Gewichtsfunktionen die Legendre- (), Tschebyschew- (), Laguerre- () oder Hermite-Polynome verwendet (siehe Tabelle).
Bei festem und gleichem Rechenaufwand ist die Gauss-Integration genauer als die interpolierenden Quadraturformeln. Allerdings verliert man beim Übergang von nach sämtliche bereits ausgewerteten Funktionswerte; an dieser Stelle erweisen sich Extrapolationsverfahren als vorteilhafter.
Manchmal kann es auch nützlich sein, wenn ein leistungsstarker Integrator für gewöhnliche Differentialgleichungen verfügbar ist, das Integral mit Hilfe der Differentialgleichung
und der Anfangsbedingung und zu berechnen. Schliesslich seien noch Monte-Carlo-Methoden als Integrationsverfahren erwähnt.
1b) Mehrdimensionale Integrale
wird man, insbesondere wenn einfache Integrationsgrenzen oder Randdarstellungen dies zulassen, versuchen, auf eindimensionale Integrale zurückzuführen, um dann die oben erwähnten Verfahren anzuwenden. Gelingt dies nicht, so wird man eine zu eindimensionalen Integralen analoge Darstellung
mit geeigneten Gewichten und Stützstellen wählen; ist insbesondere der Rand eine schwierige Funktion, so kommen Monte-Carlo-Methoden zum Einsatz.
1c) Die Auswertung von Integralen auf endlichen Intervallen, bei denen oszillatorisches Verhalten zeigt - derartige Integrale treten im Zusammenhang mit Fourier-Reihen auf - erfolgt mit Hilfe von Tschebyschew-Interpolationspolynomen, Tschebyschew-Entwicklungen und der Verwendung von Bessel-Funktionen.
1d) Die numerische Integration experimentieller Daten, die möglicherweise noch irregulär verteilt sind, führt man am besten durch, in dem man die Messdaten mit Hilfe von spline-Funktionen interpoliert und diese dann integriert.
2a) Numerische Methoden zur Integration gewöhnlicher Differentialgleichungssysteme, die als Anfangswertprobleme
vorliegen, lassen sich in vier Klassen unterteilen: Einschrittverfahren (Beispiel: Runge-Kutta-Methoden), Mehrschrittverfahren (Beispiele: Adams-Bashforth-Verfahren, Adams-Moulton-Verfahren), Prädiktor-Korrektor-Methoden und Extrapolationsverfahren (Bulirsch-Stoer-Verfahren). Das Polygonzug-Verfahren von Euler (Euler-Cauchy-Verfahren), hergeleitet aus der Taylor-Reihenentwicklung
zeigt die Idee eines expliziten Einschrittverfahrens : das Verfahren ist rekursiv und ein weiterer Wert lässt sich allein aus seinem Vorgänger (und natürlich , und ) berechnen. Würde auch von abhängen, so läge ein implizites Einschrittverfahren vor. Ein allgemeines -Schrittverfahren lässt sich mit dagegen in der Form
schreiben; zu beachten ist, dass ein Schrittverfahren mit Startwerten initialisiert werden muss, die man z.B. mit Hilfe eines Einschrittverfahrens berechnen kann.
2b) Numerische Methoden zur Integration impliziter Differentialgleichungen oder differential-algebraischer Systeme
mit konsistenten Anfangsbedingungen und lassen sich durch den Index charakterisieren und als Differentialgleichungen auf Mannigfaltigkeiten interpretieren; dies erlaubt eine Kombination von Integrationsverfahren gewöhnlicher Differentialgleichungen und nichtlinearen Gleichungslösern mit Homotopietechniken. Das Problem (*) hat Index 1, wenn die Matrix regulär ist. Derartige Probleme treten in der chemischen Verfahrenstechnik oder Elektrotechnik auf; in der Mehrkörpermechanik und Robotik liegt meist ein Index-3-Problem vor. Die algebraische Gleichung wird mit Hilfe des im Grenzwert gegen 0 strebenden Homotopieparameters in die Differentialgleichung
eingebettet.
2c) Numerische Methoden zur Integration gewöhnlicher Differentialgleichungssysteme, die als Randwertprobleme
mit auf einem Intervall vorliegen, lassen sich in vier Klassen unterteilen: Einschiessverfahren, Mehrzielmethode, Differenzenverfahren und Variationsverfahren (Ritz-Galerkin-Verfahren). Liegen die Randwertbedingungen bei einem Differentialgleichungssystem zweiter Ordnung in Form zweier separierter, expliziter Randbedingungen vor, z.B. und , so besteht das intuitiv einleuchtende, aber, je nach Problem, numerisch nicht sehr stabile Einschiessverfahren darin, von ausgehend ein Anfangswertproblem zu lösen, wobei die unbekannte Anfangssteigung dazu verwendet wird, auf die Bedingung zu zielen und diese, z.B. mit Hilfe des Newton-Verfahrens zu erfüllen. Allgemeiner ist der Fall, dass für die beiden Intervallgrenzen jeweils einige, aber weniger als Bedingungen zu erfüllen sind. Diesen Fall trifft man z.B. bei den den Sternaufbau beschreibenden Differentialgleichungen, deren unabhängige Variable die Masse ist, an; einige Grössen, z.B. die Temperatur, sind an der Sternoberfläche bekannt, andere, wie Radius und Leuchtkraft, im Zentrum () des Sterns, wo sie den Wert 0 annehmen. In der Mehrzielmethode verwendet man ein an das Problem angepasstes Gitter von Stützstellen ( Teilintervalle ),
welches das Intervall überdeckt und die Punkte enthält, und die diskrete Trajektorie wird als Variable eingeführt; die sind dabei die Anfangswerte der Teiltrajektorien. Integriert wird dabei jeweils von bis . Zu einer gegebenen Schätzung des Variablenvektors berechnet man die Lösungen der unabhängigen Anfangswertprobleme auf jedem Teilintervall und erhält so eine (zunächst unstetige) Parameterisierung von . Durch die zusätzlichen Anschlussbedingungen wird die Stetigkeit der Lösung gesichert. Zusammen mit den ursprünglichen Randbedingungen liegt damit ein nichtlineares Gleichungssystem in den Variablen vor, das in den meisten Fällen mit Hilfe des Newton-Verfahrens gelöst wird; problematisch kann dabei die Startinitialisierung von sein. In obigem Beispiel mit zwei Randwertbedingungen könnte z.B. die Verbindungsgerade von nach zur Initialisierung von verwendet werden. Das Mehrzielverfahren lässt sich gut mit der Methode der kleinsten Quadrate kombinieren, wenn die zu schätzenden Parameter in einem Differentialgleichungsmodell auftreten.
3a) Numerische Methoden zur Integration partieller Differentialgleichungssysteme hängen sehr vom Typ des Systems ab. Insbesondere unterscheiden sich diese Methoden hinsichtlich der Diskretisierung, die das Differentialgleichungssystem in ein endliches System algebraischer Gleichungen überführt. Randwertprobleme führen auf elliptische Systeme; hier eignen sich die Finite-Elemente-Methode (FEM; die Lösung wird durch endliche Linearkombinationen bekannter Basisfunktionen gewonnen) oder das Finite-Differenzen-Verfahren (FDV; der Integrationsbereich wird durch ein endliches Gitter ersetzt und Ableitungen werden durch Differenzen ersetzt). Zeitabhängige Probleme, die stets neben möglichen (geometrischen Randbedingungen) Anfangswertbedingungen enthalten und zeitlich instationäre Probleme beschreiben, führen auf parabolische oder hyperbolische Systeme; hier sind die erwähnten Verfahren nur bedingt verwendbar; insbesondere sind explizite FDV (der gegenwärtige Zeitschritt hängt nur von früheren ab) nur bedingt stabil, während implizite FDV (das Differenzenschema kann nicht explizit hinsichtlich des gegenwärtigen Zeitsschritts aufgelöst werden) unbedingt stabil sind. Parabolische partielle Differentialgleichungssysteme lassen sich mit Hilfe der Methode der Linien (MdL) auf ein System gewöhnlicher Differentialgleichungen zurückführen. Dies entspricht einer Finite-Differenzen- oder Finite-Elemente-Diskretisierung im räumlichen Bereich. Die MdL wird besonders häufig verwendet bei zeitabhängigen partiellen Differentialgleichungsmodellen mit nur einer räumlichen Variablen und führt auf ein gekoppeltes System von gewöhnlichen Differentialgleichungen, wenn die Anzahl der Diskretisierungspunkte bezeichnet. Beispiel: Die Diffusionsgleichung
mit Diffusionskoeffizienten erlaubt die räumliche Diskretisierung nach
Approximiert man die räumliche Ableitung durch ihre finiten Differenzen
so kann die Diffusionsgleichung durch die gewöhnlichen Differentialgleichungen
ersetzt werden. Hyperbolische Differentialgleichungen leiten sich meist aus strömungsmechanischen Problemen ab (Euler-Gleichungen, Navier-Stokes-Gleichungen), die aus first-principles abgeleitete Erhaltungssätze für Masse, Impuls und Energie darstellen; sie treten häufig in der Gasdynamik, im Flugzeugbau oder bei re-entry Problemen von Raumfahrzeugen auf, führen auf Unterschall- und Überschallproblematik, die sich in Form von Unstetigkeiten (Schocks, Kontaktdiskontinuitäten) in den Lösungen bemerkbar macht. Hier eignen sich besonders Finite-Volumen-Verfahren, die bei ihrer Diskretisierung darauf achten, dass die Erhaltungssätze strikt erfüllt sind (Beispiel: Godunow-Verfahren mit exaktem Riemann-Löser) und somit in der Lage sind, die Unstetigkeiten mit guter Genauigkeit wiederzugeben. Insbesondere bei der numerischen Integration mehrdimensionaler partieller Differentialgleichungssysteme kommen adaptive Verfahren und Multigrid-Methoden zum Einsatz; bei beiden Verfahren wird die Diskretisierung und insbesondere die räumliche Gittergrösse dem lokalen Verhalten des Systems angepasst.
numerische Integration: Intervalle, Gewichte und Polynome beim Gaussschen Integrationsverfahren.
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