Klassische
MechanikQuantenmechanik 1) Mechanik: (veraltet: Drall, Impulsmoment),
grundlegender Begriff der Mechanik des Massepunktes und des starren Körpers.
Der Drehimpuls ist definiert als das Vektorprodukt des Ortsvektors r
bezüglich eines beliebigen Bezugsspunktes und des Impulses p. Er kann in der SI-Einheit N × m × s angegeben werden.
Der Drehimpuls gehört zu den Bewegungsintegralen der Mechanik; für
abgeschlossene, allgemein für beliebige rotationsinvariante Systeme ist er eine
Erhaltungsgrösse (Drehimpulserhaltungssatz).
Der Drehimpuls eines Systems von Massenpunkten ergibt sich als
lineare Summe der Einzeldrehimpulse: . Für eine
kontinuierliche Massenverteilung mit der Dichte r, z.B. für einen
starren Körper, wird dies zu
, wobei
das aus dem Volumenelement dV und der
Dichte r
zusammengesetzte Massenelement ist. Im Schwerpunktsystem des Körpers kann man
den Drehimpuls als
schreiben; V steht hier für den
Trägheitstensor, w für den Vektor der Winkelgeschwindigkeit.
Im allgemeinen hängt der Drehimpuls vom Bezugssystem ab. Sind
K und K ¢
zwei Bezugssysteme, deren Ursprünge um die Strecke a voneinander
entfernt sind, so besteht zwischen den Ortsvektoren r
und r ¢ ein und desselben Punktes die
Beziehung r = r ¢ + a, und für den Drehimpuls ergibt sich . Dabei ist
der Gesamtimpuls des Systems (Impuls). Der
Drehimpuls ist somit nur dann unabhängig vom Bezugssystem, wenn der
Gesamtimpuls P verschwindet, das System als Ganzes
also ruht. Handelt es sich bei K und K ¢ um zwei
Inertialsysteme, wobei K ¢ das Schwerpunktsystem sei, und bewegt sich
das eine mit einer Geschwindigkeit v relativ zum anderen, so erhält man für den
Gesamtdrehimpuls des Systems
(mit dem Ortsvektor R
des Schwerpunktes). Der Gesamtdrehimpuls des Körpers in einem beliebigen
Bezugssystem setzt sich also aus dem Eigendrehimpuls L
¢ (im Schwerpunktsystem) und dem von der
Schwerpunktsbewegung als Ganzes herrührenden Bahndrehimpuls
zusammen.
In einer mehr mathematischen Betrachtungsweise kann der Drehimpuls als die infinitesimale Erzeugende der räumlichen Drehungen betrachtet werden, die die Lie-Gruppe SO(3) bilden; der Zusammenhang zwischen dieser Sichtweise und der obigen physikalischen Definition wird im Rahmen des Konzepts der kanonischen Transformationen (analytische Mechanik) offensichtlich.
2) Quantenmechanik: Durch Quantisierung, das heisst
durch Ersetzen der Orts- und Impulskomponenten xi und pj durch hermitesche
lineare Operatoren , die den
Vertauschungsrelationen
und
genügen, entstehen dadurch für die Komponenten
des Operators
, in der
Quantenmechanik auch als Bahndrehimpulsoperator bezeichnet, die
Vertauschungsrelationen
(eijk: Levi-Civita-Symbol). Die einzelnen
Drehimpulskomponenten vertauschen also nicht miteinander; dies bedeutet, dass
nicht alle drei Komponenten simultan gemessen werden können (siehe unten). Da
in der Quantenmechanik auch andere Drehimpulsoperatoren, wie zum Beispiel der
Spin, auftreten, muss der Begriff des Drehimpulses in der Quantenmechanik
verallgemeinert werden. Man bezeichnet hier einen Operator
, dessen
Komponenten
den Kommutationsrelationen
gehorchen, als Drehimpulsoperator. Die
Operatoren
spannen eine Lie-Algebra, die sog.
Drehimpulsalgebra, auf. Anhand der Kommutationsrelationen erkennt man, dass die
Drehimpulsalgebra isomorph zu den Lie-Algebren
ist. Der einzige Casimir-Operator der
Drehimpulsalgebra ist der Beltrami-Operator
.
In der Quantenmechanik werden häufig Systeme betrachtet, die
eine Rotationssymmetrie besitzen; dann gilt ; D ist
dabei eine Darstellung der Drehgruppe auf dem quantenmechanischen Hilbert-Raum H,
R eine beliebige Drehung, also ein Element der zugrunde liegenden
Drehgruppe (Darstellung einer Gruppe). Betrachtet man die stationäre
Schrödinger-Gleichung
, wobei die
Eigenvektoren zum Energie-Eigenwert En sind, die durch i
entartet sein können, so folgt aus der Invarianz des Systems unter Drehungen,
dass die D(R)yn,i für eine beliebige Drehung R
wieder Eigenvektoren zum Energie-Eigenwert En sind. Der durch
Anwendung aller Drehungen D(R) auf yn,i erzeugte Raum
besitzt eine irreduzible Darstellung der Drehgruppe, da er aufgrund seiner
Konstruktion keine invarianten Unterräume bezüglich der Drehungen besitzt
(Darstellung einer Gruppe). Aus diesem Grund interessiert sich die Physik für die
irreduziblen Darstellungen der Drehgruppe und somit für die irreduziblen
Darstellungen der zugehörigen Drehimpulsalgebra.
Die irreduziblen Darstellungen der Drehimpulsalgebra werden
nach Eigenwerten des Casimir-Operators und der Cartan-Unteralgebra, die o.B.d.A.
durch
aufgespannt wird, definiert. Physikalisch
entspricht dies der Tatsache, dass aufgrund der Kommutationsrelationen die
einzelnen Komponenten des Drehimpulsoperators nicht simultan messbar sind.
Dagegen sind der Beltrami-Operator
und eine Komponente des Drehimpulsoperators
simultan messbar. Man wählt deshalb eine
beliebige Drehimpulskomponente, üblicherweise
, aus und
betrachtet eine Basis des Darstellungsraumes, die aus Eigenvektoren der
Operatoren
und
bestehen. Die Eigenvektoren werden mit
bezeichnet, die den Eigenwertgleichungen
und
genügen, wobei man j als
Drehimpulsquantenzahl und m als magnetische Quantenzahl bezeichnet;
letztere Benennung stammt aus der Atomphysik. Man definiert die
Leiteroperatoren
und
mit den Kommutationsrelationen
. Aus den Kommutationsrelationen folgt, dass
und
. Dabei gilt
für die Quantenzahlen, dass
und m =
-
j, -
j + 1,...,j - 1, j. Somit ist jeder irreduzible
Darstellungsraum, der durch eine Drehimpulsquantenzahl j beschrieben
wird, (2j + 1)-fach entartet. Man bezeichnet diese Eigenschaft als
Richtungsentartung.
Wird jedoch die Rotationssymmetrie des physikalischen Systems beispielsweise durch ein äusseres Magnetfeld gebrochen, so kann der quantenmechanische Drehimpuls keine beliebigen Werte annehmen, sondern sich zu jeder Drehimpulsquantenzahl j nur in 2j + 1 verschiedene Richtungen einstellen (Richtungsquantisierung, Richtungsquantelung, räumliche Quantelung).
In der Ortsdarstellung hat der Bahndrehimpulsoperator die Form
, woraus sich
in Kugelkoordinaten
und für den Beltrami-Operator
ergibt. Die zugehörigen Eigenvektoren sind die Kugelflächenfunktionen Ylm(J,f),
wobei nur ganzzahlige Drehimpulsquantenzahlen l, also
auftreten. Die halbzahligen
Drehimpulsquantenzahlen werden in der Quantenmechanik durch den Spin
beschrieben. Die Komponenten des Spinoperators
erfüllen ebenfalls die Kommutationsrelationen
der Drehimpulsalgebra, haben jedoch die Eigenvektoren
mit halbzahligen Eigenwerten
. [MM1]
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