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Dispersionsrelation

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Martina Wagner

Teilchenphysik, Beziehung zwischen dem Realteil (Re) und dem Imaginärteil (Im) der (ins Komplexe fortgesetzten) Fourier-Transformierten g(w) einer physikalischen Grösse G(t). G(t) bzw. g(w) können experimentell messbare Grössen sein (wie z.B. die komplexe frequenzabhängige Dielektrizitätskonstante e(w), Transportkoeffizienten der irreversiblen Thermodynamik oder energieabhängige Formfaktoren F(s), die Streuprozesse in der Elementarteilchenphysik beschreiben), aber auch nicht direkt messbare Grössen wie z.B. Streuamplituden in der Quantenmechanik bzw. Quantenfeldtheorie. Da oft sowohl Im g(w) als auch Re g(w) physikalische Bedeutung haben, spielen Dispersionsrelationen in vielen Gebieten der Physik, vor allem bei der Ausbreitung von Wellen in Substanzen, eine grosse Rolle.

Ausgangspunkt für Dispersionsrelationen sind im allgemeinen kausale Beziehungen zwischen einer Ursache U(t) und der zugehörigen Wirkung W(t) vom Typ der linearen Antwort (Linear Response)

Dispersionsrelation,

wobei also der gesamte Verlauf von U in der Vergangenheit des Zeitpunktes t den jeweiligen Wert von W(t) bestimmt, oder, anders ausgedrückt, ein System mit einer Wirkung W linear auf eine Ursache U reagiert. Aus Gründen der Kausalität muss G(t) = 0 für t < 0 gelten, da sonst die Ursache U zu Zeiten Dispersionsrelation zur Wirkung W zur Zeit t beitragen könnte. Aus dem angegebenen Zusammenhang zwischen W und U folgt durch Fourier-Transformation W(w) = g(w)U(w) mit Dispersionsrelation. Die Funktion g(w) kann in die obere (komplexe) w-Halbebene fortgesetzt werden, wo Dispersionsrelation wegen t > 0 beschränkt und g(w) daher holomorph ist. Verschwindet g(w) für Dispersionsrelation so stark, dass das Integral über den Halbkreis mit Dispersionsrelation verschwindet, dann ergibt die Anwendung des Cauchyschen Integralsatzes

Dispersionsrelation,

wobei das Symbol P bedeutet, dass der Hauptwert des Integrals zu nehmen ist (Cauchyscher Hauptwert). Daraus folgt aber

Dispersionsrelation und

Dispersionsrelation,

Real- und Imaginärteil von g(w) sind also durch eine Hilbert-Transformation miteinander verknüpft. Diesen Zusammenhang bezeichnet man als Dispersionsrelation für g(w). Häufig geht g(w) für Im w ³ 0 nicht stark genug gegen Null, aber die Funktion Dispersionsrelation; dann gelten die abgeleiteten Relationen für f. Für g folgt dann

Dispersionsrelation

und entsprechend für Im g(w). Man nennt diese Relationen einmal subtrahierte Dispersionsrelationen, w0 den Subtraktionspunkt und g(w0) die Subtraktionskonstante.

Dispersionsrelationen wurden zuerst in der Optik benutzt (Dispersion).

Dispersionsrelationen finden darüber hinaus weitgreifende Anwendung in der quantenmechanischen Streutheorie für den Real- und Imaginärteil der Streuamplitude. Auch hier gilt ein kausaler Zusammenhang: Zur Zeit t = 0 treffe ein Wellenpaket am Streuzentrum ein, von dem - unter Umständen mit einer Verzögerung - die Streuwelle emittiert wird; die Streuamplitude, als Funktion der komplexen Energievariablen, genügt einer Dispersionsrelation, die schliesslich zu einer Relation umgeformt werden kann, die die Eigenschaften der gebundenen Zustände und Resonanzen mit einem Integral über dem Streuquerschnitt als Funktion der Energie der einfallenden Teilchen verknüpft. Diese Form der Dispersionsrelationen hat in den letzten Jahren eine wesentliche Rolle in der Elementarteilchenphysik bei der Beschreibung der stark wechselwirkenden Teilchen, der Hadronen, gespielt (analytische S-Matrix-Theorie). Ein wichtiger moderner Anwendungsbereich für Dispersionsrelationen ist auch die Berechnung von Feynman-Integralen in der Elementarteilchenphysik. Hierbei wird ausgenutzt, dass sich der Imaginärteil eines Feynman-Diagrammes leicht mit Hilfe der Cutkosky-Regeln bestimmen lässt. Den Realteil des Diagrammes erhält man über ein Dispersionsintegral. Insgesamt wird durch dieses Verfahren die Zahl der notwendigen Integrationen stark reduziert.

Dabei wurden die im Falle der nichtrelativistischen Quantenmechanik mathematisch streng ableitbaren Dispersionsrelationen mit recht gutem Erfolg auf den Fall einer relativistischen Dispersionstheorie übertragen. Tatsächlich können relativistische Dispersionsrelationen in der axiomatischen Quantenfeldtheorie, allerdings nicht in dem in der analytischen S-Matrix-Theorie benutzten Umfang, streng bewiesen werden. Die Grundlage bildet auch hierbei die Kausalitätsbedingung, wonach der Kommutator (bzw. Antikommutator) zweier Bose- (bzw. Fermi-)Operatoren für raumartige Abstände Dispersionsrelation verschwindet, d. h. Dispersionsrelation für Dispersionsrelation ist, da sich die Streuamplituden in der Quantenfeldtheorie als Matrixelemente solcher Kommutatoren ausdrücken lassen. Auf diese Weise erhält man über die experimentelle Prüfung der Richtigkeit solcher Dispersionsrelationen im Prinzip auch Aufschluss über die Zulässigkeit der quantenfeldtheoretischen Annahmen, wie etwa der obigen Kausalitätsbedingung.

In einem weiteren Sinne wird in einer beliebigen Wellentheorie oft auch der Zusammenhang zwischen Frequenz n und Wellenlänge l, meist in der Form w = w(k), als Dispersionsrelation oder Dispersionsbeziehung bezeichnet, wobei w = 2pn die Kreisfrequenz und k = 2p/l die Wellenzahl ist. Beispielsweise ist w = ck/n die Dispersionsrelation einer elektromagnetischen Welle in einem Medium mit der Brechzahl n (Dispersion). [BK1]

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