Quantenmechanik
bottom:.0001pt\'>Distributionen - verallgemeinerte Funktionen (englisch "generalized functions") - sind stetige lineare Funktionale auf geeigneten Funktionenräumen. (Für die genauen Definitionen s.u. Abschnitt "Definitionen".)
bottom:.0001pt\'>Sie stellen eine Verallgemeinerung des klassischen Funktionsbegriffs dar, bei der die übliche Zuordnung einer Funktion von Zahlen auf andere Zahlen (deren Funktionswerte), also
bottom:.0001pt\'>Funktion: Zahl Zahl
bottom:.0001pt\'>zu einer Zuordnung
bottom:.0001pt\'>Distribution:
Funktion Zahl
bottom:.0001pt\'>erweitert wird. Die Distribution ordnet dabei der ganzen Funktion (der sogenannten "Testfunktion", siehe unten) einen Zahlwert zu.
bottom:.0001pt\'>Mit dieser abstrakten Verallgemeinerung des Funktionsbegriffs wird erreicht, dass sie eine exakte Lösung von mathematischen Problemen gestattet, welche sonst - nur mit Methoden der klassischen Analysis - nicht möglich oder formulierbar wäre. Im klassischen Funktionssinn hätten die gestellten Probleme keine Lösung. Zu solchen Situationen führen insbesondere viele physikalisch motivierte Problemstellungen, so dass sich der mathematische Aufwand, gemessen an der Relevanz für die praktische Verwertbarkeit in der Physik, durchaus lohnt. Allerdings wird häufig in physikalischen Anwendungen lediglich darauf hingewiesen, dass es sich bei den zur Lösung des gestellten Problems benötigten Objekten um Distributionen handelt, für die bestimmte Rechenregeln zu beachten sind und mit denen bestimmte Manipulationen nicht durchgeführt werden dürfen. Je nach Ziel oder persönlicher Neigung empfindet man ein solches Vorgehen als mehr oder weniger gerechtfertigt oder letztlich doch unbefriedigend.
bottom:.0001pt\'>Die wichtigsten und
bekanntesten Beispiele stellen die Diracschen d-Distributionen (d-Funktion)
dar, mit deren Hilfe idealisierte
Punktdichteverteilungen (daher ihr Name) behandelt werden können, wie z.B.
Punktladungen, Punktdipole u.a., und welche immer noch häufig als Einstieg in
die Theorie der Distributionen verwendet werden. Als Beispiel und zur
Illustration der oben erwähnten Sachverhalte kann das Poisson-Gesetz für eine
Einheits-Punktladung in der Elektrodynamik dienen, bei dem die dreidimensionale
d-Distribution
bei der Anwendung des Laplace-Operators
bottom:.0001pt\'>auf die Funktion im ganzen Raum auftritt:
bottom:.0001pt\'>
bottom:.0001pt\'>Daneben erscheinen
diese Diracschen d-Distributionen oft als "kontinuierliche"
Kronecker-Symbole, z.B. in der Quantenmechanik in der Form , oder in
Vertauschungsrelationen der Form
bottom:.0001pt\'>Ein weiteres wichtiges
Beispiel (und historisch vielleicht das erste) stellt die Heavisidesche Stufen-
oder Sprungfunktion V dar, deren Ableitung gerade d ist:
bottom:.0001pt\'>
bottom:.0001pt\'>In der Theorie der Fourier-Integrale (Fourier-Analysis) lösen Distributionen das Problem, dass oftmals ganz einfache Funktionen keine Fourier-Transformierte im gewöhnlichen Funktionensinn haben, jedoch beispielsweise in der Behandlung von partiellen linearen Differentialgleichungen mit Randbedingungen alle auftretenden Funktionen als Fourier-Integral ausgedrückt werden müssen. So besitzen konstante Funktionen keine Fouriertransformierte - die Fouriertransformierte der 1 ist die Diracsche d-Distribution; dies liefert umgekehrt eine besonders für die Physik wichtige Integraldarstellung der d-Distribution, dazu siehe unten.
bottom:.0001pt\'>
bottom:.0001pt\'>Definitionen
bottom:.0001pt\'>Für die genaue
Definition benötigt man zunächst einige Begriffe. Ausgangspunkt bilden dabei
besonders "gutartige" Funktionen, mit denen man die sogenannten
Testfunktionenräume bildet, auf welchen die Distributionen dann als stetige
lineare Funktionale definiert werden. Besonders "gut" sind beliebig
oft stetig differenzierbare Funktionen , die
allerdings zusätzlich auch noch besonders "gut" integrierbar sein
müssen. Dazu betrachtet man den mathematischen Abschluss der Menge
, welche Träger
von j
heisst, geschrieben supp(j) (aus dem englischen "support").
Grundlage aller folgenden Definitionen ist der lineare Raum D
aller Funktionen, welche beliebig oft stetig differenzierbar sind und einen
kompakten Träger besitzen (d.h. sie sind auch über beliebige Gebiete
integrierbar). Die Elemente dieses Raumes heissen Testfunktionen oder Grundfunktionen.
Ein Beispiel einer solchen Testfunktion ist t(x).
bottom:.0001pt\'>
bottom:.0001pt\'>deren Träger die Kugel vom Radius 1 ist.
bottom:.0001pt\'>Die Menge der linearen
Funktionale T, d.h. der linearen Abbildungen T: in den Körper des Vektorraums, bildet selbst
einen Vektorraum, den sog. algebraischen Dualraum von D . Um den sog.
topologischen Dualraum D von D , d.h. den Raum der
stetigen linearen Funktionale auf D zu konstruieren,
benötigt man einen Konvergenzbegriff in D . Man sagt, dass eine Folge fn von Funktionen
in D konvergiert, geschrieben
, wenn zwei
Bedingungen erfüllt sind:
bottom:.0001pt\'>1. Es gibt ein
Kompaktum K, so dass und
bottom:.0001pt\'>2. für alle
Multiindizes a gilt, dass alle partiellen Ableitungen , d.h. gleichmässig
konvergieren. Dann heisst ein lineares Funktional T auf D
stetig, wenn aus
in D folgt, dass auch
.
bottom:.0001pt\'>Solche stetigen linearen Funktionale T auf D heissen Distributionen. Man schreibt
bottom:.0001pt\'>
bottom:.0001pt\'>und für den Raum aller Distributionen.
bottom:.0001pt\'>Von besonderer
Bedeutung für die Physik sind die dx-Distributionen, welche für alle Punkte definiert sind durch
. Die Anwendung
der dx-Distribution auf
die Testfunktion liefert als Zahlenwert den Funktionswert am Punkt x
(daher gibt es strenggenommen für jeden Punkt des Raumes eine d-Distribution).
bottom:.0001pt\'>Eine wichtige Möglichkeit, stetige lineare Funktionale auf D zu konstruieren, d.h. Distributionen zu erzeugen, ergibt sich durch Integration: Jede lokal integrierbare Funktion f erzeugt eine Distribution [f] durch
bottom:.0001pt\'>.
bottom:.0001pt\'>Alle Distributionen, welche sich auf diese Art durch Integration ergeben, heissen regulär, alle Distributionen, welche nicht regulär sind, heissen singulär. Dazu gehören insbesondere die d-Distributionen. Die in der Physik oft zu findende Schreibweise
bottom:.0001pt\'>
bottom:.0001pt\'>ist rein formal zu verstehen, gemeint ist
bottom:.0001pt\'>.
bottom:.0001pt\'>Obige Gleichung kann nicht durch einen Grenzübergang mit einer Funktionenfolge realisiert werden, da dies den Lebesgueschen Grenzwertsatz verletzen würde.
bottom:.0001pt\'>
bottom:.0001pt\'>Einige Rechenregeln
bottom:.0001pt\'>Ein Vorteil obiger Definition ist, dass man nun eine lineare Substitution und beliebige partielle Ableitungen von Distributionen über die jeweilige Operation der Testfunktionen definieren kann. Die folgenden Rechenregeln, welche häufig in physikalischen Anwendungen benötigt werden, lassen sich leicht für reguläre Distributionen herleiten und werden entsprechend - per definitionem - auf singuläre Distributionen übertragen.
bottom:.0001pt\'>Ist y = Ax +
b eine lineare Transformation von , wobei A
eine n ´ n-Matrix und
ist, und ist g(x) = f(Ax
+ b) sowie [g] die von g erzeugte Distribution, so gilt
bottom:.0001pt\'>.
bottom:.0001pt\'>Genauso, wie man diese
Formel für reguläre Distributionen mit Hilfe der Transformationsformel für
mehrdimensionale Integrale im zeigen kann, führt Produktintegration unter
Ausnutzung der Tatsache, dass die Integranden wegen der kompakten Träger der
Testfunktionen im Unendlichen verschwinden, auf die folgende Rechenvorschrift:
bottom:.0001pt\'>.
bottom:.0001pt\'>Distributionen
besitzen also Ableitungen beliebiger Ordnung. Beispiel: .
bottom:.0001pt\'>Damit kann man folgende Rechenregeln zeigen:
bottom:.0001pt\'> konstant,
bottom:.0001pt\'>,
bottom:.0001pt\'>wobei xi die einfachen Nullstellen der Funktion f sind.
bottom:.0001pt\'>Für die Gültigkeit der
bisherigen Überlegungen ist von zentraler Bedeutung, dass die Testfunktionen im
Unendlichen verschwinden. Man kann die Definitionen nun noch erweitern, indem
man diese Voraussetzung etwas abschwächt und als Testfunktionen auch solche
zulässt, die für die auftretenden Integrationen im Unendlichen hinreichend
schnell "abfallen". Dies führt auf einen Funktionenraum F , den sog.
Schwartzschen Raum der schnell-fallenden Funktionen ("schneller als jede
Potenz von 1/x fallend"). Die mathematisch genaue Definition
lautet: Eine beliebig oft stetig differenzierbare Funktion f
auf dem heisst schnell-fallend (und ist ein Element
von F ), wenn zu
jedem Multiindex a und zu jedem
eine Konstante c existiert, so dass
bottom:.0001pt\'>
bottom:.0001pt\'>Es ist D ein Teilraum von F , genauer
liegt D dicht in
F . Stetige lineare Funktionale auf F heissen temperierte Distributionen. Diese
benötigt man für die Fourier-Transformation: Für Funktionen existiert die Fouriertransformierte F [f(x)](p)
definiert als
bottom:.0001pt\'> .
bottom:.0001pt\'>Analog zu den obigen Definitionen wird die Fourier-Transformierte von temperierten Distributionen T über die Fourier-Transformierte der Testfunktion definiert:
bottom:.0001pt\'>.
bottom:.0001pt\'>Mit geeigneten "Fortsetzungen" für einige Distributionen aus D\' in S\' kann man für diese ebenfalls eine Fourier-Transformation erklären. Auf diese Weise erhält man eine wichtige Fourier-Darstellung der d-Distribution
bottom:.0001pt\'>
bottom:.0001pt\'>und für beliebige
Ableitungen der d-Distribution gilt
bottom:.0001pt\'>
bottom:.0001pt\'>Das Konzept der
verallgemeinerten Funktionen als Funktionale auf Testfunktionenräumen erlaubt
eine mathematisch präzise Beschreibung von Quantenfeldern. Weil diese als Funktionen
eines Punktes x des Minkowski-Raumes in der Form f(x) keine
wirkliche Observable darstellen können - dies erforderte unendlich hohe Energie
-, erscheint es sinnvoll, nur einen "gemittelten" Wert über eine
hinreichend kleine Umgebung des Punktes als messbare Grösse zu betrachten. Man
definiert daher Quantenfelder als operatorwertige Distributionen auf dem
Minkowski-Raum, d.h. man verwendet in Matrixelementen der Form das Quantenfeld f als ein mit einer
Testfunktion f "verschmiertes" Quantenfeld
. Ein anderes
Beispiel für das Auftreten der Distributionen-Theorie in der Physik findet man
im Rahmen der elementaren Quantenmechanik bei der Lösung der
Schrödinger-Gleichung: Die zur Lösung dieser Gleichung benutzten ebenen Wellen
eikx
gehören gerade nicht zu den zulässigen Lösungsvektoren im HilbertRaum, nämlich
den quadratintegrablen Funktionen. (Das Integral einer Funktion, die, wie z.B.
eikx,
auf dem ganzen Raum vom Betrag 1 ist, divergiert.) Auch diese Problematik wird
mathematisch konsistent mit Hilfe von Gelfand-Tripeln, also innerhalb der
Theorie der Distributionen gelöst.
bottom:.0001pt\'>Somit zeigt sich, dass nicht nur in der "klassischen" Einführung der d-Distribution als Dichtefunktion einer Punktladung, sondern auch in der Feldtheorie oder der Quantenmechanik Distributionen vertraute physikalische Idealisierungen mathematisch exakt abbilden.
bottom:.0001pt\'>Die d-Distribution wurde formal 1925 als Punktdichtefunktion mit geeigneten Rechenregeln, welche die Besonderheiten dieses Konstrukts berücksichtigten, von P.A.M. Dirac eingeführt. S.L. Sobolew (1908-1989) benutzte 1936 verallgemeinerte Funktionen im heutigen mathematischen Sinn zur Lösung des Cauchy-Problems für hyperbolische Differentialgleichungen. Die vollständige Theorie wurde in der zweiten Hälfte der vierziger Jahre vom französischen Mathematiker L. Schwartz (geb. 1915) entwickelt und in einer Monographie [1] niedergelegt. Eine umfassende Darstellung einschliesslich der Gelfand-Tripel bieten die vier Bände von Gelfand, Schilow und Wilenkin [2], [3]. Kurze Einführungen bieten [4] und [5]. Als gutes deutsches Standardwerk kann [6] gelten; Anwendungen der Theorie der Distributionen im Bereich partieller Differentialgleichungen werden in [7] und im Bereich von Pseudodifferentialoperatoren in [8] dargestellt. [9] enthält eine kurze Darstellung der Anwendung von operatorwertigen Distributionen in der relativistischen Quantenfeldtheorie.
Literatur
Das freie Technik-Lexikon. Fundierte Informationen zu allen Fachgebieten der Ingenieurwissenschaften, für Wissenschaftler, Studenten, Praktiker & alle Interessierten. Professionell dargeboten und kostenlos zugängig.
TechniklexikonModernes Studium der Physik sollte allen zugängig gemacht werden.