Mathematische
Methoden und Computereinsatz, ein in der theoretischen und mathematischen
Physik aus naturphilosophischen Motivationen entwickeltes allgemeines
Integralprinzip bzw. eine allgemeine Methode zur Aufstellung von Gleichungen
zur Bestimmung von Funktionen, insbesondere Kurven oder Flächen. Man spricht
von einem Prinzip, da man in sehr einheitlicher und formaler Weise (dieser
Gedanke geht wesentlich auf P.L.M. Maupertuis zurück, der bemüht war,
verschiedene Naturgesetze, die bislang als unvereinbar angesehen wurden, in
Einklang zu bringen) versucht, eine differentielle Bedingung an eine Funktion
bzw. Kurve aus der Forderung abzuleiten, dass eine bestimmte integrale Grösse,
z.B. die Energie, die Wirkung, die Zeit oder die durchlaufene Weglänge,
minimiert wird. Diese differentielle Bedingung gewinnt man in der
Variationsrechnung aus der Variation von Funktionen bzw. Kurven einer
bestimmten Funktionenklasse. Das bekannteste Beispiel ist das Hamiltonsche
Prinzip (ursprünglich von Maupertuis entwickelt und auch Prinzip der kleinsten
Wirkung genannt; korrekterweise müsste es Prinzip der stationären Wirkung
heissen, da durch die notwendige Bedingung der Stationarität möglicherweise auch
Sattelpunkte und Maxima erfasst werden) aus der klassischen Mechanik, das für
Punktsysteme verlangt, dass der Übergang von einem Zustand in einen anderen in
dem vorgegebenem Zeitintervall so geschieht, dass die erste Variation
des Funktionals
verschwindet () bzw.
das Wirkungsintegral
(man beachte, dass [I]
= Energie ´
Zeit) minimal bzw. stationär wird;
heisst Lagrange-Funktion. Mit Hilfe der
Methoden der Variationsrechnung leiten sich daraus die
Euler-Lagrange-Gleichungen ab. Weitere Beispiele für Variationsprinzipe sind in
der Optik das Prinzip der kürzesten Zeit (bzw. des kürzesten optischen Weges)
, wobei
den Brechungsindex,
das Bogenelement und
und
Ausgangs- und Endpunkt des Lichtstrahls
bezeichnen. Dieses Prinzip wurde von Hamilton in mathematischer Strenge als
Variationsprinzip formuliert, hat aber bereits Vorläufer in Heron von
Alexandria im 1. Jahrhundert, der es für die Reflexion, und in P. de Fermat,
der es 1662 in seinem Fermatschen Prinzip für die Refraktion aufstellt;
Maupertuis bringt mit seiner Arbeit »Der Einklang verschiedener Naturgesetze, die
bislang als unvereinbar angesehen wurden« die Extremalprinzipien der Optik und
der Mechanik in Beziehung. In der Quantenmechanik mit Hamilton-Operator
führt das Ritzsche Variationsprinzip
auf die Eigenwertgleichung zur Bestimmung der Wellenfunktion
. In der
Speziellen Relativitätstheorie wird ein speziell-relativistisch invariantes
Wirkungsintegral variiert, und in der Allgemeinen Relativitätstheorie ist
, wobei
das Riemannsche Bogenelement bezeichnet und
somit sich der Körper auf einer Geodäten, der kürzesten Verbindung in der
vierdimensionalen Raumzeit, bewegt. Schliesslich beruhen sämtliche Feldtheorien
der Physik in Elektromagnetismus, Mechanik der Fluide oder Kontinua auf einem
Variationsprinzip, wobei statt der Lagrange-Funktion eine passend gewählte
Lagrange-Dichte
gewählt wird und das Wirkungsintegral
mit
eine allgemeinere Form annimmt.
Variationsprinzipe repräsentieren den physikalischen Gehalt in einer sehr
kompakten und einheitlichen Form und gestatten in einfacher Weise, die Invarianz
gegenüber bestimmten Transformationen (Noether-Theorem) und damit die Existenz
von Erhaltungssätzen nachzuweisen; sie erlauben elegant den Übergang zu anderen
Koordinatensystemen, bilden häufig den Ausgangspunkt zur Konstruktion
numerischer Verfahren und erfreuen sich als Extremalprinzipien auch
grundlegender naturphilosphischer Bedeutung.
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