Mathematische
Methoden und Computereinsatz, Teildisziplin der Mathematik, die sich mit der
Bestimmung von Funktionen (oft Kurven oder Flächen) beschäftigt, die ein
bestimmtes Funktional, meist ein Integral, minimieren oder maximieren. Im
Gegensatz zu Optimierungsproblemen mit endlich vielen Variablen handelt es sich
hierbei um ein unendlich dimensionales Optimierungsproblem. Beispiel: Eine zu
bestimmende Kurve sei von der Form und rotiere zwischen
und
um die
-Achse.
Der Flächeninhalt der von der Kurve erzeugten Rotationsfläche, d.h. die
Oberfläche des Rotationskörpers, bzw. das Flächenfunktional
seien zu minimieren; die Lösung ist die Schar der Kettenlinien
mit als Leitlinie und Konstanten
und
. Als
Beispiel eines dreidimensionalen Variationsproblems sei das Seifenhautproblem
bzw. Plateaus Problem genannt: zu einer vorgegebenen geschlossenen Raumkurve
ist diejenige Fläche mit kleinstem Inhalt zu bestimmen, die von dieser
gegebenen Kurve berandet wird. Diese Fragestellung führt in der modernen
Mathematik auf den Themenkomplex Minimalflächen.
Mit Hilfe der Variationsrechnung lassen sich eine Reihe physikalischer Gesetze aus der Minimierung geeigneter Funktionale aus einem Variationsprinzip gewinnen. Neben vielen geometrischen (z.B. Geodätenprobleme, d.h. Bestimmung kürzester Linien, Minimalflächen, etc.) und geometrisch-mechanischen Problemen (z.B. das 1696 von J. Bernoulli gestellte Problem der Brachistochrone) spielt die Variationsrechnung in technischen Problemen und der numerischen Mathematik eine Rolle und führt zur Disziplin der optimalen Steuerung (bei der im Gegensatz zur klassischen Variationsrechnung noch differentielle oder algebraische Nebenbedingungen auftreten). Die optimale Steuerung findet Anwendung z.B. bei der Berechnung der Bahnen künstlicher Himmelskörper, insbesondere bei der Bestimmung energieminimaler Bahnen von Raumsonden zu den äusseren Planeten.
Im einfachsten Fall ist ein stationärer Wert des Integrals
zu bestimmen (siehe Abb.). Die Abbildung
wird auch Funktional genannt, wobei
einen näher zu spezifizierenden Funktionenraum
bezeichnet. Technisch führt man dabei einen (kleinen) Parameter
ein, der die Lösung
in der Form
parametrisiert, wobei
eine beliebig oft differenzierbare
Testfunktion darstellt. Die Stationarität des Integrals für die Lösung
wird damit aus der notwendigen Bedingung
gewonnen; wird auch erste Variation des Integrals
genannt. Differentiation unter dem
Integralzeichen, partielle Integration des zweiten Integranden und
Berücksichtigung der Nebenbedingungen führt dann auf die Gleichung
Da diese Integralbedingung für alle Testfunktionen erfüllt sein muss , ist nach dem Fundamentallemma
der Variationsrechnung (Satz von Du Bois-Reymond, 1879) ein Rückschluss auf den
Integranden möglich. Dieses Lemma besagt nämlich, dass
für alle mit stetigen zweiten Ableitungen nur erfüllt
sein kann, wenn
auf
. Die
notwendige Bedingung dafür, dass
ein Extremum annimmt, sind somit die
Euler-Lagrange-Differentialgleichungen (ELD)
Diese Differentialgleichung zweiter Ordnung beinhaltet zwei
willkürlich wählbare Konstanten, die z.B. an den beiden Endpunkten gewählt
werden können. Da in den ELD die Ableitung der gesuchten Funktion auftaucht,
spielt die Wahl des Funktionenraums bzw. der Funktionenklasse eine offensichtliche
Rolle. Bereits bei der Aufstellung des Funktionals sind Fragen der
Integrierbarkeit zu klären. Lösungskurven, die sich aus den ELD ergeben, sind
noch daraufhin zu untersuchen, ob die gefundene Funktion das Funktional
wirklich minimiert und nicht vielleicht auf ein Maximum führt. Das bekannteste
Beispiel in der Physik, das auf ein Variationsproblem führt, ist wohl das
Hamiltonsche Prinzip der klassischen Mechanik, wobei die Funktion
durch die Lagrange-Funktion gegeben ist. Hier
ergibt sich für die meisten physikalischen Probleme automatisch ein Minimum, da
es nur eine stationäre Lösung gibt (Eindeutigkeits- und Existenzsatz gewöhnlicher
Differentialgleichungen) und die Natur sich als kooperativ erweist: die so
bestimmte stationäre und eindeutige Lösung minimiert tatsächlich das
Wirkungsintegral.
Eine Erweiterung der bereits genannten Probleme ergibt sich, wenn neben dem zu minimierenden Zielfunktional ein weiteres Gleichungs- oder Ungleichungsfunktional tritt, also z.B.
und
Hierzu zählen die bereits in der Antike bekannten
isoperimetrischen Probleme, die eine Kurve bekannter Länge (Flächenumfang) so
zu bestimmen suchen, dass die eingeschlossene Fläche minimal wird; die Lösung
ist im einfachsten Fall ein Kreis, wie schon von Zenodoros gezeigt wurde. Im
allgemeinen können die Probleme mit Hilfe der Lagrange-Funktion gelöst werden, wobei die notwendigen
Bedingungen, d.h. die ELD, dann für
gelten.
Während bei den klassischen Problemen der Variationsrechnung die Existenz der Lösung meist direkt aus der Anschauung oder aus der physikalischen Fragestellung garantiert werden kann, ist dies bei Variationsproblemen unter Nebenbedingungen weniger offensichtlich. Die Aufgabe, die kürzeste Verbindungskurve zwischen zwei Punkten zu bestimmen, die die Verbindungsgerade senkrecht schneidet, besitzt keine Lösung. Zwar ist die Länge der Verbindungsgerade eine untere Schranke, aber diese untere Schranke kann von keiner Kurve angenommen werden. Wesentlich komplizierter noch sind Variationsprobleme bei Gegebenheit von Variationsungleichungen. Hierzu stelle man sich z.B. eine beliebige nicht-konvexe ebene Fläche mit glattem Rand vor. Die kürzeste Verbindungslinie, die nicht innerhalb dieser Fläche verläuft und zwei Randpunkte der Fläche verbindet, wird im konvexen Teil der Fläche auf dem Rand verlaufen (Kontakt, aktive Ungleichung), ansonsten in nicht-konvexen Teilen den Rand aber nicht berühren (inaktive Ungleichung). Damit kommen zu den variationstheoretischen Aspekten topologische Fragestellungen und Methoden ins Spiel.
Variationsrechnung: Bestimmung der Kurve y(x), für die das Funktional extremal wird. Diese Kurve ist eingebettet in eine Schar von Vergleichskurven mit denselben Randwerten.
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