Festkörperphysik, Tunneln von Elektronen von/zu einem Supraleiter durch einen Tunnelübergang. Die besonderen Tunneleffekte entstehen durch das Vorhandensein der Energielücke und die modifizierte Zustandsdichte für normalleitende Quasiteilchen im Supraleiter.
a) Einteilchen-Tunneln am Kontakt Supraleiter-Normalleiter: Werden beide Materialien in Kontakt gebracht, so gleicht sich zunächst das Fermi-Niveau (Fermi-Energie) des Normalleiters der Energie des Grundzustands nach der BCS-Theorie des Supraleiters an. Elektronen tunneln in den Supraleiter und kondensieren dort zu Paaren. Legt man nun an den Tunnelkontakt eine Spannung an, fliesst (bei T = 0) kein Tunnelstrom. Ist die Spannung so gepolt, dass das Fermi-Niveau des Normalleiters angehoben wird, kann kein Elektron in den Supraleiter tunneln, da in der Energielücke keine Zustände vorhanden sind (siehe Abb. 1). Bei umgekehrter Polung kann ebenfalls kein Elektron in den Normalleiter hineintunneln, da hier zwar Zustände frei sind, für diesen Prozess jedoch ein Cooper-Paar aufgebrochen werden müsste, wobei für das zweite, dann freie Elektron die Energie nicht ausreicht, um es in das Band der Quasiteilchen zu heben (siehe Abb. 2). Falls die Spannung nun auf erhöht wird, setzt (bei T = 0) schlagartig ein sehr steiler Anstieg des Stromes ein, wobei der Anstieg proportional der Zustandsdichte des Supraleiters ist. (). Für sehr grosse Spannungen geht das Spannungs-Strom-Diagramm asymptotisch gegen das Verhalten eines Tunnelkontaktes Normalleiter-Normalleiter. Bei endlichen Temperaturen sind im Supraleiter angeregte Teilchen vorhanden, die für einen schwachen Tunnelstrom auch bei verantwortlich sind (siehe Abb. 3).
b) Einteilchen-Tunneln am Kontakt Supraleiter-Supraleiter: Im Prinzip gelten hier ähnliche Verhältnisse wie beim Kontakt Supraleiter-Normalleiter. Beim Kontakt gleichen sich die BCS-Grundzustände energetisch an. Der Tunnelprozess selbst ist etwas komplizierter: Zum Aufbrechen eines Cooper-Paares muss zunächst die Energie aufgewendet werden, und der BCS-Grundzustand muss um nach oben verschoben sein, damit das Elektron in einen freien Zustand hineintunneln kann. Der Tunnelstrom setzt daher (bei T = 0) erst bei ein. Bei endlichen Temperaturen können auch hier abgeregte Teilchen aus dem Quasiteilchenband tunneln. Der Tunnelstrom bei T > 0 hat ein kleines Maximum bei , da bei dieser Spannung die Kanten der Quasiteilchenbänder zusammenfallen und somit sehr viele freie besetzbare Zustände vorhanden sind (siehe Abb. 4).
c) Paar-Tunneln am Kontakt Supraleiter-Supraleiter: Bei einer sehr dünnen Tunnelschicht (weak link) reicht die Wellenfunktion eines Supraleiters in den anderen hinein. In diesem Fall können dann auch Cooper-Paare als Ganzes tunneln, was zu einer Kopplung der beiden Wellenfunktionen führt. Zu den hier auftretenden Effekten gehören die Josephson-Effekte bei Josephson-Kontakten.
Das Tunnelexperiment mit einem Supraleiter ist eines der grundlegenden Experimente zum Verständnis und zur Charakterisierung des supraleitenden Zustandes. Über die Strom-Spannungs-Kennlinie ist sowohl Existenz als auch Grösse der Energielücke nachgewiesen, und über den Stromanstieg kann die Zustandsdichte im Quasiteilchenband ausgemessen werden.
Tunneleffekte bei Supraleitern 1: Zustandsdichtediagramm Tunnelkontakt SL/NL mit . Im SL BCS-Grundzustand und Quasiteilchenband, im NL Zustandsdichte und Fermi-Niveau normaler Elektronen. Tunneln ist nicht möglich, da keine Zustände in der Energielücke des SL.
Tunneleffekte bei Supraleitern 2: Verhältnisse bei anderer Polung. Ein Tunneln ist nicht möglich, da die Energie zum Heben eines Elektrons in das Quasiteilchenband nicht ausreicht.
Tunneleffekte bei Supraleitern 3: Strom-Spannungs-Diagramm für einen Kontakt zwischen einem Supraleiter (SL) und einem Normalleiter (NL);. a) normaler Tunnelstrom zwischen NL/NL b) Einsetzen bei bei T=0 c) Tunnelstrom SL/NL bei (D: Bandlücke des Supraleiters).
Tunneleffekte bei Supraleitern 4: Strom-Spannungs-Diagramm für einen Kontakt zwischen zwei Supraleitern 1 und 2. a) und b) wie in Abb. 3; c) Tunnelstrom SL/SL mit kleinem Maximum bei bei durch Tunneln angeregter Quasiteilchen.
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