Elektrisch leitfähige Stoffe, die ab einer gewissen niedrigen Temperatur (Sprungtemperatur) dem elektrischen Strom keinen Widerstand mehr entgegensetzen. Jahrzehntelang nahm man - durch Experimente bestätigt - an, daß das nur in unmittelbarer Nähe des absoluten Nullpunktes ( 273 °C/0 Grad Kelvin) möglich ist. Mit der intermetallischen (Metall) Verbindung Niob-Germanium konnte man 1973 die Sprungtemperatur auf 23, 3 K (Grad Kelvin) herauftreiben. Ein sensationeller Durchbruch gelang 1986 den IBM-Forschern Alexander Müller und Georg Bednorz mit Kupferoxidverbindungen, die das Element Lanthan enthielten; diese wurden bei 35 K supraleitend. Mittlerweile sind mit anderen Materialien Sprungtemperaturen von über 100 K (- 173 °C) erreicht worden. Bei derartigen S. spricht man von Hochtemperatur-S. Ihnen dürften sich zahlreiche Anwendungsmöglichkeiten eröffnen, denn zur Kühlung unterhalb der Sprungtemperatur genügt flüssiger Stickstoff, der bei 77 K (- 196 °C) siedet. Im Bemühen, die Sprungtemperatur zu erhöhen und die S. technisch besser handhabbar zu machen, wird die Synthese immer neuer supraleitender Materialien versucht; darüber hinaus gilt es, den Mechanismus der Hochtemperatur-Supraleitung nicht nur in Metallen, sondern auch in Keramiken und Kunststoffen aufzuklären. Dünne Schichten, Drähte und Halbleiter-Bauelemente (Bauelemente) aus S. sind in der Entwicklung. Der Einsatz von S. in der Energie- und Magnettechnik (Magnetismus) dürfte noch länger auf sich warten lassen. Supraleitung, Tieftemperaturphysik und -technik , supraleitende Materialien, metallisch leitende Stoffe, die beim Abkühlen bei einer kritischen Temperatur, der sog. Sprungtemperatur Tc, in einen Zustand mit verschwindendem Gleichstrom-Widerstand übergehen.
Die Gruppe um Kamerlingh Onnes in Leiden entdeckte die Supraleitung neben Quecksilber (1911) auch bei Blei und Zinn (1912). Bereits in den 20er Jahren wurde das Auftreten der Supraleitung in den niedrig-schmelzenden Legierungen der Hauptgruppenelemente gefunden und dann in den 30er Jahren in vielen Übergangsmetallen (mit offener d-Schale) und deren Carbiden und Nitriden (Meissner und Mitarbeiter). Eine intensive Suche nach neuen Supraleitern begann nach dem zweiten Weltkrieg und gipfelte in einem maximalen Tc-Wert von etwa 23 K für das System Nb3Ge im Jahre 1974. Erst in den 90er Jahren wurde eine neue intermetallische Phase mit ähnlich hohem Tc-Wert gefunden (YPd5B3C0,3; Tc = 22,6 K). Mitte der 70er Jahre wurden die Schwerfermionsupraleiter, Ende der 70er Jahre die Organischen Supraleiter und 1986 die Hochtemperatur-Supraleiter (Tc > 30 K) entdeckt. Vor allem B.T. Matthias hat auf Grund phänomenologischer Überlegungen immer neue Verbindungsgruppen als supraleitend erschlossen. Supraleitung wurde in allen Substanzklassen der anorganischen Festkörperchemie gefunden. Man findet Supraleiter unter den metallisch leitenden Elementen (27 von 59), Legierungen, intermetallischen Verbindungen, Hydriden, Boriden, Carbiden, Nitriden, Oxiden, einigen Pniktiden (Verbindungen der Metalle mit P, As, Sb, Bi), Chalkogeniden (Verbindungen der Metalle mit S, Se, Te), und sogar Halogeniden (LixZrNCl). Manche Elemente und Verbindungen werden erst unter Druck supraleitend. Allein bis Ende der 70er Jahre sind etwa 5 000 Substanzen auf Supraleitung hin untersucht worden (exzellente Zusammenstellung dieser Ergebnisse von Roberts). Mit Ausnahme einiger Hauptgruppenelemente sind alle in diesem Stichwort angesprochenen supraleitenden Verbindungen Supraleiter zweiter Art (BCS-Supraleiter, Singulett-s-Wellen Supraleiter). Die höchsten Tc-Werte der konventionellen Supraleiter sind bei den Übergangsmetallen und deren Verbindungen gefunden worden. Bislang gibt es keine geschlossene Theorie, die es erlauben würde vorauszusagen, welche metallisch leitenden Systeme supraleitend werden könnten, lediglich einige qualitative Regeln erlauben, die Suche nach neuen Supraleitern zu leiten. Trägt man die beobachteten Tc-Werte gegen die Zahl der Valenzelektronen der an der Verbindung beteiligten Atome auf, findet man zwei Maxima bei 4-5 und bei 6-7 Valenzelektronen pro Atom. Solche Kurven findet man für die Übergangsmetalle und ihre festen Lösungen untereinander, die Laves-Phasen (intermetallische Verbindungen der Zusammensetzung AB2; Verhältnis der Atomradien A : B » 1,225; kubische oder hexagonale Symmetrie), die A15-Phasen (A15-oder b-Wolfram-Struktur; kubische Symmetrie; intermetallische Phasen der Zusammensetzung A3B, mit A = Ti, V, Cr, Zr, Nb, Mo, Ta, W; B = Hauptgruppenelemente wie Al, Si, P, Ga, Ge, As, In, Sn, Sb, Pb, Bi oder die Übergangselemente Co, Ni, Ru, Rh, Pd, Re, Os, Ir, Pt, Au, siehe Abb. 1) und die Chevrel-Phasen (ternäre Chalkogenide des Mo mit der Zusammensetzung AxMo6X8; A = Alkalimetalle, andere Hauptgruppenmetalle wie Sn, Pb, niederwertige Übergangsmetalle wie Cu, Ag, Zn, Cd, und Seltenerdmetalle, siehe Abb. 2). Die grösste Anzahl von Verbindungen mit hohen Tc-Werten (10 K < Tc < 23 K) findet man bei den A15-Phasen. Eine Häufung von Tc-Werten oberhalb 10 K tritt v.a. in solchen Systemen auf, die starke Metall-Metall-Wechselwirkungen (Bildung von Metallketten wie in den A15-Phasen, oder Metallcluster in den Chevrel-Phasen) aufweisen, oder die zu strukturellen Instabilitäten neigen. Während das Auftreten ferromagnetischer Ordnung Supraleitung unmöglich macht, sind sehr wohl Beispiele bekannt, in denen antiferromagnetische Ordnung und Supraleitung koexistieren (Chevrel-Phasen mit Selten-Erdionen in den Cluster-Zwischenräumen, und die Selten-Erd-Rhodium-Boride SERh4B4, siehe Abb. 3).
Lange bevor die Hochtemperatur-Supraleiter entdeckt wurden, waren Oxide mit Perowskit-Struktur als supraleitend bekannt geworden, so Nb substituiertes SrTiO3, und Ba(Pb1 - xBix)O3, letzteres mit einem Tc-Wert von 11 K. In der Verbindung BaBiO3 (x = 1) konnte durch die partielle Substitution des Ba durch Kalium der Tc-Wert mehr als verdoppelt werden. Weitere supraleitende Oxide sind die Wolframbronzen AxWO3 (mit A = Na, K, Rb, Cs; tetragonal verzerrte Perowskit-Struktur oder in der hexagonalen Modifikation) und der Spinell LixTi3 - xO4, mit 0,8 £ x £ 1,33.
Die höchsten Tc-Werte der
Hauptgruppenverbindungen wurden für die Alkaliderivate des Fullerens gefunden, einer
andere Klasse von Hochtemperatursupraleitern. Demgegenüber weisen die
Alkaliderivate des Graphits KC8, RbC8,
und CsC8
Sprungpunkte von etwa 500 mK, 100 mK bzw. 20 mK auf. Erwähnt sei noch das
einzige supraleitende, anorganische Polymer, (SN)x und dessen
Bromderivat (Tc » 0,3 K)
Nur wenige Systeme haben bisher technische Anwendungen gefunden, z.B. Nb (SQUIDs), NbTi und Nb3Sn beim Bau von supraleitenden Hochfeldmagneten (z.B. für Beschleuniger und Kernspintomographie) und jüngst die Hochtemperatur-Supraleiter, v.a. Y-123.
Supraleiter: Sprungtemperaturen supraleitender Materialien (Cu-Oxid basierte Verbindungen siehe Tab. Hochtemperatur-Supraleiter). Bei den Organischen Supraleitern steht TMTSF für Tetramethyl-Tetraselenafulvalen und BEDT-TTF für Bis-(Ethylendithia)-Tetrathiofulvalen.
bottom:solid gray 1.0pt;border-right:
none;mso-border-top-alt:solid gray .75pt;mso-border-left-alt:solid black .75pt;
mso-border-bottom-alt:solid gray .75pt;padding:0cm 3.55pt 0cm 3.55pt\'>
Verbindung |
bottom:solid gray 1.0pt;border-right:solid black 1.0pt;
mso-border-top-alt:solid gray .75pt;mso-border-bottom-alt:solid gray .75pt;
mso-border-right-alt:solid black .75pt;padding:0cm 3.55pt 0cm 3.55pt\'>
Tc [K] |
kubisch-flächenzentriert |
|
Pb |
7,2 |
kubisch-innenzentriert: |
|
Nb |
9,25 |
NaCl-Struktur: |
|
NbN |
17,3 |
NbC |
11 |
MoC |
14,3 |
PdHx |
4 (x = 0,87) 9 (x » 1) |
Laves-Phase (C15): |
|
ZrV2 |
9,6 |
TaV2 |
3,6 (C15) 10 (C14) |
A15-Phase: |
|
V3Al |
11,7 |
V3Ga |
15,9 |
V3In |
13,9 |
V3Si |
17,9 |
V3Ge |
11,2 |
V3Sn |
12-18 |
Nb3Al |
18,8 |
Nb3Ga |
20,3 |
Nb3Si |
18-19 |
Nb3Ge |
23,2 |
Nb3Sn |
18 |
Alkaliderivate des Fullerens: |
|
KC60 |
18 |
RbC60 |
22 |
CsC60 |
33 |
Perowskit-Struktur: |
|
Ba0.6K0.4BiO3 |
» 30 |
Ba(Pb1 - xBix)O3 |
11 |
Spinellstruktur: |
|
LixTi3 - xO4 |
13,7 |
Carboborid (ThCr2Si2-Typ): |
|
LuNi2B2C |
17 |
Selten-Erd-Rhodium-Boride: |
|
YRh4B4 |
11,34 |
LuRh4B4 |
11,76 |
Chevrel-Phase: |
|
NaMo6S8 |
8-9 |
Cu2Mo6S8 |
10-11,3 |
Sn1,2Mo6S8 |
10,8-14,2 |
PbMo6,4S8 |
14-15,2 |
LaMo6S8 |
6-7 |
LaMo6Se8 |
11-12 |
PrMo6S8 |
9,2 |
Sm1,2Mo6S8 |
6,8 |
Organische Supraleiter: |
|
(TMTSF)2ClO4 |
1,4 |
(TMTSF)2PF6 |
1 (5-12 kbar) |
(BEDT-TTF)2ReO4 |
2 (4,5 kbar) |
b-(BEDT-TTF)2I3 |
1,4 |
k-(BEDT-TTF)2Cu(NCS)2 |
10,4 |
bottom:solid gray 1.0pt;border-right:none;
mso-border-left-alt:solid black .75pt;mso-border-bottom-alt:solid gray .75pt;
padding:0cm 3.55pt 0cm 3.55pt\'>
k-(BEDT-TTF)2Cu[N(CN)2]Br |
bottom:solid gray 1.0pt;border-right:solid black 1.0pt;
mso-border-bottom-alt:solid gray .75pt;mso-border-right-alt:solid black .75pt;
padding:0cm 3.55pt 0cm 3.55pt\'>
11,6 |
Supraleiter 1: Die Kristallstruktur der A-15-Phasen A3B. Die weissen Kreise bezeichnen die B-Atome, die grau schraffierten die A-Atome.
Supraleiter 2: Struktur der Chevrel-Phase AMo6X8 am Beispiel des PbMo6S8.
Supraleiter 3: Schematische Darstellung der Kristallstruktur des YRh4B4. Es sind der Übersichtlichkeit halber nicht alle Boratome eingezeichnet.
Das freie Technik-Lexikon. Fundierte Informationen zu allen Fachgebieten der Ingenieurwissenschaften, für Wissenschaftler, Studenten, Praktiker & alle Interessierten. Professionell dargeboten und kostenlos zugängig.
TechniklexikonModernes Studium der Physik sollte allen zugängig gemacht werden.