Schwingungen und Wellen, Oszillationen, Vibrationen, zeitlich periodische Änderung einer oder mehrerer physikalischer Grössen um einen Mittelwert. Sie treten auf, wenn Störungen mechanischer, elektrischer oder auch thermischer Gleichgewichte zu Kräften führen, die der Störung entgegenwirken. Bei mechanischen Schwingungen kann die schwingende Grösse z.B. eine aus ihrer Ruhelage ausgelenkte Masse (Pendel, Stimmgabel, Membran, Saite usw.) sein (Saitenschwingungen, Stabschwingungen, Pendel). Bei elektromagnetischen Schwingungen sind die elektrische und magnetische Feldstärke, die elektrische Ladung eines Kondensators, die Stromstärke, die Spannung usw. die periodisch veränderlichen Grössen (Schwingkreis). Auch im Plasma treten Schwingungen auf, wenn die Quasineutralität durch Ladungsverschiebungen gestört wird (Plasmaschwingungen). Breitet sich eine Schwingung im Raum aus, so spricht man von Wellen.
Zu unterscheiden sind zunächst freie und erzwungene Schwingungen. Letztere werden durch eine periodische äussere Kraft zum Schwingen gebracht, während bei ersteren nur innere Kräfte wirken. Bei Anwesenheit dissipativer Prozesse (z.B. Reibung) spricht man von gedämpften Schwingungen. Die Eigenschaften des Systems hängen dann ganz entscheidend von der relativen Stärke der Dämpfung ab.
Ist das Differentialgleichungssystem für die schwingungsfähigen Variablen linear, handelt es sich um lineare Schwingungen. Für solche Gleichungssysteme existieren allgemeine mathematische Lösungsverfahren. Dies ist von besonderer Bedeutung, da Schwingungen mit verhältnismässig kleiner Amplitude meist näherungsweise durch lineare Schwingungen beschrieben werden können, indem, ausgehend von der Gleichgewichtslage , die Taylor-Entwicklung der rückstellenden Kraft nach dem linearen Term abgebrochen wird (Schwingungen, kleine). Schwieriger ist dagegen die Behandlung von nichtlinearen Schwingungen. Trotz ihrer grossen praktischen Bedeutung (viele periodische physikalische Vorgänge sind nur in erster Näherung für kleine Amplituden durch ein lineares Gleichungssystem zu beschreiben) existieren nur für einige wenige Spezialfälle allgemeine mathematischen Lösungsverfahren.
Unter harmonischen Schwingungen versteht man Schwingungen mit einem sinusförmigen Schwingungsverlauf. Voraussetzung dafür ist eine der Auslenkung proportionale rückstellende Kraft. Bei gekoppelten Systemen führt dies zu einem linearen Differentialgleichungssystem es handelt sich also um lineare Schwingungen. Umgekehrt sind jedoch nicht alle linearen Schwingungen auch harmonisch, etwa bei linearer Dämpfung. Die meisten Schwingungen sind anharmonisch und ihr Verlauf ist häufig eine sehr komplizierte periodische Funktion der Zeit. Diese kann jedoch in eine harmonische Grundschwingung und eine im allgemeinen grosse Anzahl von harmonischen Oberschwingungen zerlegt werden, deren Frequenzen ganzzahlige Vielfache der Grundfrequenz sind (Fourier-Reihe). Anharmonische Schwingungen liegen bei nahezu allen realen Systemen mit grosser Amplitude vor, wie z.B. auch dem Fadenpendel (Pendel). Weitere Beispiele für anharmonische Schwingungen sind Kippschwingungen oder Töne, die erst durch die charakteristische Verteilung der Obertöne ihre typische Klangfarbe erhalten.
Die mathematische Behandlung von Schwingungen führt unabhängig von der genauen Problemstellung häufig auf formal identische Differentialgleichungen. Die wichtigsten Grundtypen sollen hier am Beispiel des Federpendels vorgestellt werden.
Für eine Masse und eine Richtgrösse (Federkonstante) lautet die Schwingungsgleichung für die Auslenkung aus der Ruhelage:
Es handelt sich um ein lineares Gleichungssystem. Durch Integration erhält man als Lösung harmonische Schwingungen
mit . ist die Amplitude, die Kreisfrequenz und die Schwingungsdauer oder Periode der Schwingung. Darüber hinaus bezeichnet die Phasenverschiebung, die bei geeigneter Wahl der Zeitskala Null gesetzt werden kann und die Frequenz.
Durch Einführung eines energieverzehrenden Prozesses (Reibung) erhält man gedämpfte Schwingungen. Häufig ist diese Reibungskraft proportional zur Geschwindigkeit . Mit der Dämpfungskonstanten und der Abkürzung gelangt man zu folgender linearer Schwingungsgleichung:
Bei der Lösung sind drei Fälle zu unterscheiden: Im Schwingfall mit erhält man gedämpfte harmonische Schwingungen mit abnehmender Periode (siehe Abb. 1):
wobei . Die Grösse heisst logarithmisches Dekrement und ist ein Mass für Abnahme der Amplitude pro Schwingungsperiode :
und damit der zu proportionalen in der Schwingung gespeicherten Schwingungsenergie.
Für starke Dämpfung wird der Vorgang aperiodisch: die Grösse nähert sich von einer Seite her asymptotisch dem ungestörten Gleichgewichtszustand. Deshalb spricht man auch vom Kriechfall. Die Lösung setzt sich dabei aus zwei exponentiellen Termen zusammen:
mit und entsprechend gewählten Parametern und .
Technisch ist der aperiodische Grenzfall mit (mittlere Dämpfung) von besonderer Bedeutung, denn die Schwingung erreicht in diesem Fall die Ruhelage in der kürzest möglichen Zeit. Dies ist insbesondere bei Zeigermessgeräten, Stossdämpfern usw. erwünscht. Die Lösung setzt sich wieder aus zwei Termen zusammen:
Zu erzwungen Schwingungen gelangt man ausgehend von den eben behandelten freien Schwingungen durch Einführung einer äusseren Kraft , die zusätzlich zur rücktreibenden Kraft und der Reibungskraft periodisch auf das schwingungsfähige System einwirkt. Für ergibt sich dann als Schwingungsgleichung
Die Lösung ist bei schwacher Dämpfung () die Überlagerung einer abklingenden Schwingung mit der Eigenfrequenz des Systems (Einschwingvorgang) über einem stationären Vorgang der Form . Die Phasendifferenz zwischen einwirkender Kraft und der ausgeführten Schwingung berechnet sich zu und für die Amplitude gilt (siehe Abb. 2+3):
Das System schwingt also mit der Frequenz der anregenden Kraft. Ist diese Frequenz sehr viel kleiner als die Eigenfrequenz des System, folgt es der äusseren Kraft ohne Phasenverschiebung. Bei sehr hohen Frequenzen schwingen das System und die äussere Kraft hingegen gegenphasig und im Bereich der Resonanz () beträgt die Phasenverschiebung genau . Der Energieübertrag ist dann maximal und die Amplitude nimmt sehr grosse Werte an, die sogar zur Zerstörung des Geräts führen können (Resonanzkatastrophe). Das Maximum der Amplitude (Amplitudenresonanz) wird mit Dämpfung für erreicht, das Maximum der kinetischen Energie (Energie- oder Geschwindigkeitsresonanz) für . (Saitenschwingungen)
Schwingungen 1: Amplitudenverlauf einer gedämpften freien Schwingung (Schwingfall).
Schwingungen 2: Phasenverschiebung zwischen erregender Kraft und Schwingung für verschiedene Werte der relativen Dämpfung . Bei langsamer Anregung folgt das System der äusseren Kraft, bei schneller Anregung schwingt es gegenphasig und im Resonanzfall () beträgt die Verschiebung genau .
Schwingungen 3: Amplitude einer erzwungenen Schwingung (nach dem Einschwingvorgang). Ohne Dämpfung () steigt die Amplitude bei ins Unermessliche (Resonanzkatastrophe).
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