Festkörperphysik,
rückstossfreie Emission bzw. Absorption von Gammaquanten (Gammastrahlung) durch
Atomkerne. Resonanz wird beobachtet, wenn die Linien der Absorption und
Emission zumindest teilweise überlappen. Bei typischen natürlichen
Linienbreiten von G » 10-8 eV und einer
Linienseparation von ER » 10-4-10-2
eV ist sie also eher unwahrscheinlich, anders als etwa die optische Resonanz (ER
» 10-11
eV, G
» 10-7-10-8
eV). Beim Mössbauer-Effekt wird ER nicht kompensiert,
sondern eliminiert: Die bei freien Atomen wegen des Rückstosses des an dem
Prozess beteiligten Atomkernes auftretende Verschiebung zwischen Absorptions-
und Emissionslinie wird bei Atomen, die in das Gitter eines Festkörpers
eingebaut sind, beseitigt, da der gesamte Kristall den Rückstoss aufnimmt. Durch
den Doppler-Effekt entfällt auch die bei freien Atomen immer vorhandene
Verbreiterung der Resonanzlinien, da die thermische Schwingungsbewegung der
Gitteratome bei tiefen Temperaturen klein wird. Die so erhaltenen
Mössbauer-Resonanzlinien sind sehr scharf. Ihre natürliche Linienbreite ist nur
noch durch die Lebensdauer des angeregten Kernzustandes gegeben. Die extrem
gute Auflösung der Mössbauer-Resonanzlinien ist mit einer sehr genauen Bestimmung
von Anregungsenergien verbunden. So sind Änderungen der Energie der 14,4
keV-Mössbauer-Linie des 57Fe
mit einer relativen Genauigkeit von besser als 10-15 messbar. Die
Übergangswahrscheinlichkeit für rückstossfreie Gammaübergänge ist (Anteil der
Null-Phonon-Prozesse) p = exp(-2W)
= exp(-k2
áx2ñ), k = 2p / l, wobei W der
Debye-Waller-Faktor ist und áx2ñ das mittlere Quadrat der Komponente der Vibrationsamplitude
des ausstrahlenden Kerns in Richtung des Gammastrahls. Für (d.h. wenn die durch ER bedingte Auslenkung des
Kernes klein gegen l ist) ist die Wahrscheinlichkeit gross. Mithin
kann der Mössbauer-Effekt in Gasen und nicht-viskosen Flüssigkeiten nicht
beobachtet werden, da dort áx2ñ unbeschränkt ist. Die Grösse áx2ñ ist temperaturabhängig, und somit
erhält man durch sie ein Mass für die Gitterdynamik. Messungen der
Hyperfeinaufspaltung in Mössbauer-Linien geben Aufschluss über das magnetische
Dipolmoment und das elektrische Quadrupolmoment des Kernes sowie über
elektrische Feldgradienten und magnetische Felder am Kernort.
Kernradiusänderungen im angeregten Zustand sowie die Elektronendichte am
Kernort können bestimmt werden. Hyperfeinstruktur-Untersuchungen an Molekülen
ergeben Aussagen über die Struktur und Wertigkeiten (Valenzen) in chemischen
Verbindungen. Die in der Allgemeinen Relativitätstheorie vorausgesagte
Rotverschiebung (Gravitations-Rotverschiebung) von Gammastrahlung in
Gravitationsfeldern konnte mit Hilfe des Mössbauer-Effektes experimentell im
Erdfeld bestätigt werden.
Mössbauer-Effekt: Linienbreiten und Rückstoss-Verschiebung ER bei Gammaemission () und
-absorption (
).
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