Prinzip der kleinsten Wirkung, allgemeines
Prinzip, dessen Anwendungsbereich nicht auf die Mechanik beschränkt ist und das
dynamische Verhalten physikalischer Systeme zu bestimmen ermöglicht. Die
Bewegung eines mechanischen Systems von N Massepunkten
kann als stetige Bahnkurve in einem mehrdimensionalen Lage- oder
Konfigurationsraum dargestellt werden. Die vom System wirklich durchlaufene
Bahnkurve wird mit benachbarten variierten Bahnkurven verglichen, die ebenfalls
mit den Bindungen des Systems verträglich sind (Variation der Bahn). Befindet
sich der i-te Massepunkt auf der wirklichen Bahn
zum Zeitpunkt t am Ort ri,
so würde er sich auf der variierten Bahn um dri
verschieben, d.h. am Ort ri + dri befinden (Abb.); Anfangs- und Endpunkt
der Bahn werden dabei nicht variiert, d.h., dri(t0)
= dri(t1) = 0, wenn t0
bzw. t1 die zugehörigen Zeiten sind. Längs aller möglichen Bahnen
wird die Lagrange-Funktion bestimmt, die sich aus der kinetischen Energie
T und der potentiellen Energie U des Systems zusammensetzt. Das Integral
ist eine Funktion (genauer: ein Funktional)
der Bahnkurve im Lageraum; S heisst Wirkungsfunktion
oder -integral, da es die Dimension einer Wirkung (d.i. Energie · Zeit) hat,
oder auch Hamiltonsche Prinzipalfunktion (Wirkung). Das Hamiltonsche Prinzip
besagt, dass die Wirkungsfunktion S für die wirklich
durchlaufene Bahnkurve minimal (genauer: extremal) ist, d.h., dass die erste
Variation dS von S für die wirkliche
Bewegung verschwindet:
. Greifen an
dem vorliegenden System auch Kräfte ohne Potential U
an, so muss das Hamiltonsche Prinzip in der allgemeinen Form
formuliert werden, wobei A
die von diesen Kräften am System verrichtete Arbeit ist.
Das Hamiltonsche Prinzip kann auch mit beliebigen
verallgemeinerten Koordinaten qj
und Geschwindigkeiten zur Beschreibung eines Systems herangezogen
werden. Bei holonomen Bindungen sind die verallgemeinerten Koordinaten qj voneinander unabhängig; sie können
daher auch unabhängig voneinander variiert werden. Aus dem Hamiltonschen
Prinzip folgen dann die Lagrangeschen Gleichungen zweiter Art:
bzw.
.
Dabei muss die virtuelle Arbeit der eingeprägten Kräfte, in Abhängigkeit von den verallgemeinerten
Kräften (verallgemeinerte Koordinaten) ausgedrückt werden. Beim Vorliegen
nichtholonomer Bindungen unterliegen die dqj
zusätzlichen Einschränkungen der Art
(n = 1, ..., k),
wobei k die Anzahl nichtholonomer Bindungen ist,
die mittels der Lagrangeschen Multiplikatorenmethode zu berücksichtigen sind.
Die obigen Bewegungsgleichungen sind dann durch die Ausdrücke
auf den rechten Seiten zu ergänzen: ln
sind insgesamt k unbestimmte Parameter
(Lagrangesche Multiptikatoren), die zusammen mit den qj
aus den f Bewegungsgleichungen und den k Bindungsgleichungen zu bestimmen sind. Wegen der
Äquivalenz der Lagrangeschen Gleichungen zweiter Art mit dem Hamiltonschen
Prinzip wird bei praktischen Untersuchungen gewöhnlich von diesen ausgegangen,
dies trifft besonders für nicht-mechanische Systeme zu (Feldtheorie).
Hamiltonsches Prinzip: Wirkliche und variierte Bahn eines Massepunktes. Befindet sich der Massepunkt auf der wirklichen Bahn zum Zeitpunkt t am Ort ri, so würde er sich auf der variierten Bahn um dri verschieben, d.h. am Ort ri + dri befinden.
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