Thermodynamik und statistische Physik, Dissipations-Schwankungs-Theorem, Fluktuations-Dissipations-Theorem, von H.B. Celton und T.A. Welton 1951 gefundener allgemeiner Zusammenhang zwischen der linearen Reaktion eines Gleichgewichtssystems auf schwache äussere Störungen (lineare Antwort, linear response) und den zeitlichen Korrelationen von Gleichgewichtsschwankungen oder Schwankungserscheinungen.
Das Dissipations-Fluktuations-Theorem bildet eine Brücke
zwischen Gleichgewichts- und Nichtgleichgewichtsstatistik. Dem Theorem liegt
der physikalische Sachverhalt zugrunde, dass die Reaktion des Systems auf
Abweichungen gegenüber den statistischen Mittelwerten nicht davon abhängt, ob
diese Abweichungen durch zufällige Fluktuationen oder durch äussere Einwirkung
entstanden sind. Im einfachsten Fall koppelt die äussere Einwirkung an eine
einzige skalare physikalische Grösse A des Systems; die Hamilton-Funktion
bzw. der Hamilton-Operator des gestörten Systems lautet dann H = H0 - AX(t),
wobei X(t) als beliebig vorgebbare verallgemeinerte Kraft
aufzufassen ist. Die Reaktion des Systems wird durch eine verallgemeinerte,
komplexe und frequenzabhängige Suszeptibilität a(w) entsprechend beschrieben. Die Autokorrelationsfunktion der Gleichgewichtsschwankungen
kann bei einem quantenmechanischen System durch Benutzung des Antikommutators
als reelle Funktion definiert werden;
ist der Operator in Heisenberg-Darstellung;
die spitzen Klammern bezeichnen den quantenstatistischen Mittelwert;
vereinfachend wurde der ungestörte Mittelwert
selbst gleich null gesetzt. Aus der gegebenen
Definition folgt f(t) = f( - t).
Das Dissipations-Fluktuations-Theorem verknüpft die Fourier-Transformierte von f(t) mit dem Imaginärteil der komplexen Suszeptibilität:
kB
ist die Boltzmann-Konstante und T die Temperatur. kann als mittlere Energie eines harmonischen
Oszillators im Gleichgewicht aufgefasst werden, entsprechend ist kBT der klassische
Grenzwert dieser Grösse. Die Bedeutung von f als Fluktuationsgrösse
ist offensichtlich, und Im a bestimmt die Energiedissipation bei äusserer
Störung, d.h. die Verteilung der über die äussere Kraft am System verrichteten
Arbeit auf die vielen mikroskopischen Freiheitsgrade des Systems (Dissipation).
(Unter isothermen Bedingungen wird die dissipative Energie durch Wärmeleitung
schliesslich an den umgebenden Thermostaten abgegeben.) Das bekannteste Beispiel
ist der Imaginärteil der verallgemeinerten komplexen Dielektrizitätskonstanten e*,
die proportional zum Realteil der Leitfähigkeit ist.
Das Dissipations-Fluktuations-Theorem kann einerseits benutzt
werden, um aus Aussagen oder Näherungen für die Suszeptibilität entsprechende
Aussagen über f(t) zu gewinnen. Das gilt insbesondere für die
Ermittlung des Schwankungsquadrats . Auf diese
Weise können die Dichteschwankungen und die damit unmittelbar zusammenhängende
Paarverteilungsfunktion aus der linearen Antwort auf ein äusseres
Störungspotential ermittelt werden. Vorherrschend ist aber die Anwendung des
Theorems zur Ermittlung von Transportkoeffizienten; insbesondere kann die
Leitfähigkeit auf das Verhalten langwelliger Stromfluktuationen zurückgeführt
werden.
Falls mehrere physikalische Grössen Ai und zugeordnete
Kräfte Xi(t)
gleichzeitig betrachtet werden, also , besitzt die
Matrix der gemischten Korrelationsfunktionen Symmetrieeigenschaften, die aus
der (eventuell durch ein äusseres Magnetfeld modifizierten) mikroskopischen
Reversibitität folgen. Daraus ergeben sich entsprechende Symmetrieeigenschaften
der Transportkoeffizienten, insbesondere die Onsager-Casimirschen
Reziprozitätsbeziehungen in der Thermodynamik irreversibler Prozesse. Diese
Relationen haben im Dissipations-Fluktuations-Theorem ihre theoretische Wurzel.
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