Supraleitung, Tieftemperaturphysik und -technik , ein flüssiger Aggregatzustand, der sich in seinen Eigenschaften grundlegend von jeder normalen Flüssigkeit unterscheidet. Die Viskosität nimmt sehr kleine, die Wärmeleitfähigkeit sehr grosse Werte an.
Suprafluidität ist bisher nur in der als Helium-II (He-II) bezeichneten Phase des 4He im Temperaturbereich unterhalb der sog. l-Linie (bei Normaldruck und 2,19 K) und unterhalb von 3 mK in 3He beobachtet worden. Unterhalb der l-Linie setzen die neuen Eigenschaften sprunghaft ein, oberhalb ist Helium eine weitgehend normale Flüssigkeit. In dem suprafluiden Zustand treten makroskopische Quanteneffekte auf, daher wird auch von Quantenflüssigkeiten gesprochen.
Folgende Eigenschaften zeichnen Supraflüssigkeiten aus:
Viskosität: Man unterscheidet zwei Klassen von Experimenten zur Bestimmung der Viskosität in Supraflüssigkeiten. Die, die den viskosen Widerstand gegen einen Fluss messen, und die, die den viskosen Zug auf einen Körper, der sich durch die Flüssigkeit bewegt, bestimmen. Verwirrenderweise widersprechen sich die experimentellen Ergebnisse der beiden Experimenttypen: Typ-1 findet eine Viskosität von nahezu Null, Typ-2 eine Viskosität, die sich nur wenig von der des 4He-Gases unterscheidet. Es scheint also He-II zugleich viskos und nicht viskos zu sein. Das Zweiflüssigkeitsmodell räumt dieses Paradoxon aus und erklärt auch die meisten anderen Eigenschaften von He-II zufriedenstellend.
Film-Fliessen: Bei He-II führt Oberflächen-Adsorption zu ungewöhnlich dicken Filmen (ca. 30 nm oder 100 Atomlagen). Diese Stärke erlaubt Suprafluss: Wenn man ein Gefäss in He-II eintaucht, fliesst das Helium »bergauf« und füllt es solange, bis die beiden Flüssigkeitsspiegel angeglichen sind (siehe Abb. 1). Wird das Gefäss nun angehoben, strömt das He-II wieder aus ihm aus. Die Fliessgeschwindigkeiten werden auf ca. 20 cm s-1 abgeschätzt.
Thermische Leitfähigkeit: Sie ist so hoch, dass es unmöglich ist, in He-II einen Temperaturgradienten herzustellen. Verdampfung findet daher nur an der Oberfläche statt. Zwischen zwei Volumina von He-II lässt sich ein Temperaturgradient nur über ein Superleck realisieren, d.h. durch eine Öffnung, die nur die suprafluide Komponente durchlässt. Die Supraflüssigkeit strömt zu dem Gebiet hoher Temperatur, bis der Gradient ausgeglichen ist. Eine Konsequenz dieses Verhaltens ist der Fontänen-Effekt.
In Supraflüssigkeiten sind Wärme- und Massentransfer nicht separierbar. Die Supraflüssigkeit selber transportiert keine Wärme. Wenn man nun eine periodische Wärmequelle an He-II anschliesst, oszillieren die beiden Flüssigkeiten antiphasig gegeneinander. Die Dichte der Gesamtflüssigkeit ändert sich dabei jedoch nicht. Die Konsequenz der antiphasigen Schwingung ist eine lokale Oszillation der Temperatur, d.h. He-II sendet »Temperaturwellen« aus (zweiter Schall).
Versetzt man He-II in Rotation, verhält sich die suprafluide Komponente scheinbar genauso wie die normale Flüssigkeit. Es handelt sich aber um eine Rotation der Supraflüssigkeit um Vortex-Linien mit quantisiertem Drehmoment. Diese Flussschläuche bilden sich auch in vielen anderen Situationen in He-II aus.
Entropie: He-II kann nicht durch das Ausbilden einer festen Phase die Entropie verringern (Helium, Nullpunktsenergie), da für T ® 0 die flüssige Phase stabil bleibt. Das Zweiflüssigkeiten-Gemisch besteht dann nur noch aus der Supraflüssigkeit und besitzt keinerlei Entropie. Bei endlicher Temperatur wird die ganze Entropie von der normalen He-I-Phase getragen.
Nach dem Zweiflüssigkeitsmodell besteht He-II zugleich aus zwei Flüssigkeiten: r = rS + rN, wobei rN weiterhin normal-flüssiges und normal-viskoses Helium ist (Helium-I) und rS suprafluides Helium. Diese beiden Flüssigkeiten können jedoch nicht im klassischen Sinne als physikalisch separat angesehen werden. Da die 4He-Atome als Bosonen ununterscheidbar sind, kann man noch nicht einmal sagen, ob bestimmte Atome zur normalen oder zur suprafluiden Flüssigkeitsphase gehören. Das ideale Bose-Gas stellt eine gute Näherung für die Eigenschaften des flüssigen 4He dar (Bose-Einstein-Kondensation). Unterhalb einer kritischen, durch die l-Linie definierten Temperatur Tl ist der niedrigste Energiezustand des idealen Bose-Gases durch einen grossen Teil der Teilchen bevölkert, die anderen sind in angeregten Zuständen. Bei T = 0 sind schliesslich alle Teilchen im niedrigsten Energiezustand (reine Supraflüssigkeit), für T > Tl sind plötzlich fast alle Teilchen in angeregten Zuständen (normale Flüssigkeitskomponente).
Eine mikroskopische Theorie der Suprafluidität muss zudem Wechselwirkungen zwischen den Teilchen zulassen. Dies wird in dem generaliserten Zweiflüssigkeitsmodell berücksichtigt. Als Konsequenz erfährt das Kondensat bei T = 0 eine teilweise Entvölkerung.
Im Gegensatz zu 4He ist 3He ein Fermion und unterliegt der Fermi-Dirac-Statistik. Dennoch ist auch bei diesem leichten Teilchen die Nullpunktsenergie relevant, so dass sich bei T ® 0 keine feste Phase bilden kann und makroskopische Quanteneffekte auftreten. 3He wird jedoch erst bei sehr viel tieferen Temperaturen suprafluid, was die Entdeckung dieses Phänomens lange Jahre verzögert hat (D.M. Lee, D.D. Osheroff, R.C. Richardson, Nobelpreis 1996). Die Lage ist hier ausserdem komplexer (3He) und Experimente bis heute nur schwer auszuführen.
Suprafluidität 1: Filmfluss von Helium-II in einen Becher. Die suprafluiden Eigenschaften bewirken, dass die Flüssigkeit »bergauf« fliessen kann, um den Höhenunterschied zweier benachbarter Flüssigkeitssäulen auszugleichen (a, b). Wird der Becher aus dem Flüssigkeitsbad herausgehoben (c), findet der Filmfluss in umgekehrter Richtung statt, wiederum »entgegen der Schwerkraft«.
Suprafluidität 2: Bevölkerung der Energieniveaus in He-II (wechselwirkendes Bose-Gas). a) Bei T = 0 werden bereits einige Teilchen in virtuelle Zustände angeregt (»Entvölkerung« des Kondensats); b) bei endlichen Temperaturen unterhalb des l-Punktes sind einige angeregte Zustände besetzt (Mehrteilchenzustände). Ein Teil der Teilchen verharrt im niedrigsten Zustand.
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