Festkörperphysik,
Massentransport im kristallinen Festkörper durch mikroskopische
Relativbewegungen der Teilchen. Die Diffusion in Festkörpern unterscheidet sich
von der in Gasen und Flüssigkeiten, weil sich ein Körper im festen Zustand mit
einem anderen Stoff nicht so vermischen kann wie zwei Gase oder Flüssigkeiten.
Bei der Selbstdiffusion, die dem entsprechenden Vorgang in Gasen oder
Flüssigkeiten analog ist, wandern eigene Kristallbausteine im Festkörper, bei
der Gegendiffusion sind es Atome eines fremden Stoffes; daher nennt man die
Gegendiffusion in der Kristallbautheorie Fremddiffusion. Wegen
der meist notwendigen thermischen Aktivierung genügt der Diffusionskoeffizient D
einem Arrhenius-Gesetz: . Dabei ist D0 eine Konstante, E
die Aktivierungsenergie, kB die Boltzmann-Konstante und T die absolute
Temperatur. Während interstitiell eingebaute Fremdatome direkt von einem
Zwischengitterplatz zum nächsten wandern können, sind die Diffusion von
substitutionell eingebauten Fremdatomen und die Selbstdiffusion nur durch
direkten Austausch von Kristallbausteinen (Platzwechsel) oder durch die
Wanderung atomarer Fehlstellen nach folgenden Mechanismen möglich:
1) Ein Zwischengitteratom springt von einem Zwischengitterplatz zum nächsten (Zwischengitterdiffusion).
2) Ein Gitterbaustein bewegt sich von seinem regulären Gitterplatz auf einen Zwischengitterplatz. Ein benachbartes Zwischengitteratom füllt die entstandene Leerstelle auf (Zwischengitterdiffusion).
3) Eine Leerstelle wandert durch Bewegung eines regulär eingebauten Gitterbausteins in die benachbarte Leerstelle (Leerstellendiffusion).
4) Wanderung eines Crowdions (Crowdionen-Diffusion).
Welcher der Prozesse im jeweiligen Material dominiert, hängt von der Konzentration und der Beweglichkeit der verschiedenen Fehlstellen in dem Material ab.
Mit Hilfe der Statistik kann D durch die Anzahl G
der Platzwechsel bzw. der atomaren Sprünge der diffundierenden
Kristallbausteine je Zeiteinheit ausgedrückt werden. Für kubische Kristalle
gilt , wenn l
die bei einem Sprung zurückgelegte Distanz ist. Bei der Selbstdiffusion über
die Wanderung von Fehlstellen ist G = z c w, wobei z die
Koordinationszahl, c die Konzentration der diffundierenden Fehlstellen
und w die Anzahl der Sprünge einer Fehlstelle pro Zeiteinheit
(Eigenfehlstellen) ist.
In realen Festkörpern gibt es oft Diffusionswege mit gegenüber dem sonstigen Kristallvolumen stark erhöhtem Diffusionskoeffizienten:
1) Korngrenzendiffusion entlang der Korngrenzen. Die Vergrösserung des Diffusionskoeffizienten ist ebenfalls durch die Störung des regelmässigen Kristallaufbaus zu erklären und äussert sich meist in einer Verminderung der Aktivierungsenergie der Diffusion im Festkörper. Die Korngrenzendiffusion spielt deshalb besonders bei niedrigen Temperaturen eine Rolle.
2) Pipe-Diffusion entlang der Versetzungen. Die Erhöhung des Diffusionskoeffizienten entsteht durch die aufgelockerte Gitterstruktur im Zentrum der Versetzung, dem Versetzungskern. Bei Kleinwinkelkorngrenzen ist die Korngrenzendiffusion mit der Pipe-Diffusion identisch.
3) Oberflächendiffusion, also die Bewegung von
Oberflächenatomen oder -leerstellen auf einer Festkörperoberfläche. Die
Erhöhung des Diffusionskoeffizienten erfolgt durch eine Verkleinerung der
Aktivierungsenergie. Wegen der andersartigen Geometrie der Diffusion in
Festkörpern auf der Oberfläche gegenüber dem Kristallvolumen gilt hier .
Die Selbstdiffusion wird meist mit radioaktiv markierten Kristallbausteinen gemessen. Diffusionsmessungen sind ein wichtiges Hilfsmittel zum Studium der Eigenschaften atomarer Fehlstellen.
Die praktische Bedeutung der Diffusion in Festkörpern liegt vor allem auf dem Gebiet der Halbleiterbauelemente. (Halbleiterphysik) [JS2]
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