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Blut

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Karl-Wilhelm Steinfieber

in Kreislaufsystemen (Blutkreislauf) oder in Höhlräumen der Metazoen zirkulierende Körperflüssigkeit. Vom morphologischen Gesichtspunkt ist Blut ein mesenchymales Organsystem, dessen Zellen sich in der stark vermehrten extrazellulären Flüssigkeit bewegen. Die Aufgabe des Blutes ist die Vermittlung (und Beschleunigung) des Stoffaustausches zwischen der Umwelt und den inneren Körperzellen grosser vielzelliger Tiere, welcher nicht mehr rein diffusionsbasiert wie bei Einzellern abgewickelt werden kann. Insbesondere dient das Blut 1) zum Atemgastransport mit Hilfe von Gasbindungsproteinen (Hämoglobin), d.h. der Versorgung der Gewebe mit Sauerstoff und dem Abtransport des Kohlendioxids, 2) dem Transport von Intermediaten des Stoffwechsels (einfache Zucker, Aminosäuren, Fettesäuren, Elektrolyte, Vitamine etc.), 3) dem Abtransport von Stoffwechselendprodukten (Harnstoff, Harnsäure, Kreatinin etc.), 4) der Übertragung von Botenstoffen wie von Hormonen, 5) Abwehr körperfremder Stoffe und von Krankheitserregern durch immunkompetente Zellen und Biomakromoleküle, 6) Wärmetransport, 7) Transport von Gerinnungsstoffen zu Wunden im Gefässsystem und deren Verschluss, um Blutverluste zu verhindern. Damit trägt das Blut entscheidend zur Regulation der Homoöstase bei. Weiterhin dient das Blut bei wirbellosen Lebewesen ohne festes Skelett als Hydroskelett und erlaubt so im Zusammenspiel von Flüssigkeitsdruck und Muskeltätigkeit Körperbewegungen (Biostatik). Gliedertiere regulieren Ereignisse ihrer Ontogenese (Häutung, Schlüpfen, Flügelentfaltung) durch Blutdruckänderungen.

Evolution des Blutes: Vom Blut im engeren Sinne spricht man nur bei Tieren mit geschlossenem Blutkreislauf (Wirbeltiere, Schnur- und Ringelwürmer, Tintenfische). Hier fliessen Blut und extrazelluläre Flüssigkeit (Lymphe) in getrennten Gefässsystemen. Dieses System ermöglicht die Aufrechterhaltung eines stabil hohen Blutdrucks und eine intensive Versorgung der peripheren Gewebe auch bei grossen Tieren. Im Gegensatz dazu vermischen sich beim offenen Blutkreislauf beide Flüssigkeiten im Körper zur sogenannten Hämolymphe (bei Gliedertieren und den meisten Weichtieren). In letzterem Fall ist der Blutdruck kaum höher als 10 mm Hg.

Blut des Menschen: Der Blutgehalt des Menschen ist 5-10 % des Körpergewichtes (5-6 l). Es besteht zu 55 % aus Blutplasma (wässrige Bestandteile) und zu 45 % aus Blutzellen (hauptsächlich Erythrozyten). Der Anteil fester Bestandteile wird Hämatokrit genannt. Blutserum ist Blutplasma ohne Fibrinogen (einem grossen Gerinnungsprotein).

Fliesseigenschaften des Blutes: Die Fliesseigenschaften des Blutes in kleinen Gefässen spielen in der Hämodynamik (Mikrozirkulation) eine grosse Rolle. Ausgehend von den grossen Arterien verzweigt sich das Blutgefässsystem immer mehr, um jede Region des Körpers zu erreichen. Dabei verringert sich der Gefässdurchmesser. Kleine Arterien mit einem Innendurchmesser von ca. 100 mm gehen in Arteriolen ( Æ  15-50 mm) über. Deren Wand ist reich an glatter Muskulatur. Ihre Kontraktion kann den Strömungswiderstand variieren und das Gefäss sogar ganz verschliessen. Aus den Arteriolen gehen Kapillaren hervor ( Æ  3-10 mm, Länge 0,5-1 mm). Die Kapillaren mit ihren dünnen Gefässwänden sind der Ort des Stoffaustausches zwischen dem Blut und dem peripheren Gewebe. Beim Gasaustausch im Gewebe spielt der Bohr-Effekt eine grosse Rolle. Er ermöglicht eine möglichst hohe Abgabe des am Hämoglobin gebundenen Sauerstoffs an das Gewebe. Am Ausgang der Kapillaren beginnt mit den Venolen das Venensystem, über welches das Blut wieder gesammelt und dem Herzen zugeführt wird. Der Blutdruck fällt längs des Arteriensystems und besonders in den Arteriolen steil ab und erreicht am Anfang der Kapillaren ca. 5 kPa und an deren Ende 1,5-2,5 kPa. Pulsationen des Druckes und der Strömung sind schon in den Kapillaren kaum noch nachweisbar. Die Viskosität des Blutes ist nicht wie bei Newtonschen Flüssigkeiten eines Konstante. Die Fliesseigenschaften des Blutes hängen sowohl vom Gefässdurchmesser als auch von der Fliessgeschwindigkeit ab. In Röhren von über 1 mm Durchmesser ist die Viskosität des Blutes für genügend grosse Schubspannungen nahezu konstant (Newtonsche Flüssigkeit), dagegen zeigt es in kleineren Röhren eine mit wachsender Schubspannung abnehmende Viskosität.

Blut: Zusammensetzung des Blutes.

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Fraktion

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Blutbestandteil

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Zellen pro mm3 Blut

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Funktion

 

rote Blutzellen (Erythrozyten)

5-20 Mill./mm3

Atemgastransport

Blutzellen

45%

weisse Blutzellen

(Leukozyten)

5-11·103/mm3

Fremdstoffabwehr

 

Blutplättchen

(Thrombozyten)

1,5-4·106/mm3

Blutgerinnung

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Masseanteil am Plasma

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Plasma

55%

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Wasser

Proteine

Lipide

Glukose

NaCl

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90%

7-8%

0,5-0,9%

0,1%

0,6%

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Stofftransport, Fremstoffabwehr, Blutgerinnung

 

Das anomale Verhalten des Blutes in kleinen Röhren ist durch die Verformbarkeit der Blutzellen bedingt. Ein menschlicher Erythrozyt hat das Aussehen einer bikonkaven Scheibe ( Æ  8 mm). Er verhält sich nicht wie eine starre Korpuskel, sondern verschiebt sich durch Relativbewegungen von Membran und Zellinhalt in Richtung der Schichten mit grösserer Fliessgeschwindigkeit (also zur Gefässmitte). Dieser Effekt, welcher bei grossen Gefässdurchmessern kaum spürbar ist, verringert die Viskosität h des Blutes in kleinen Röhren in so einem drastischen Masse, dass h bei Gefässdurchmessern im Kapillarbereich faktisch nicht mehr vom Hämatokrit abhängt und nur 20 % über der Viskosität des Blutplasmas liegt (Fåraeus-Lindqvist-Effekt). Eine Behandlung der Erythrozyten mit Glutaraldehyd beseitigt deren Verformbarkeit und verwandelt die Abhängigkeit der Viskosität vom Hämatokrit zu der einer Newtonschen Flüssigkeit.

Die Veränderung der Blutviskosität in Abhängigkeit von den hämodynamischen Bedingungen ist von grosser Bedeutung beim gesunden Menschen, weil sie zur Entlastung für das Herz beim Pumpen des Blutes durch die peripheren Gefässe führt, und beim kranken Menschen, weil sie zur Erklärung pathogenetischer Prozesse beiträgt und Ansätze zur Therapie ermöglicht. Experimentell wird die Blutviskosität mit dem Rotationsviskosimeter (Blutprobe zwischen einem äusseren starren und einem inneren rotierenden Zylinder) gemessen. Pathologien, welche die Anzahl der Blutzellen verändern (Polyzytämien, Leukosen, Anämien), die Verformbarkeit oder Aggregationsneigung der Erythrozyten beeinflussen oder die Zusammensetzung des Blutplasmas verändern (Hypercholesterinämie, Arteriosklerose, Hypertonie, Lungenerkrankungen etc.), gehen immer mit einer Änderung der Blutviskosität und der Verschlechterung der Blutversorgung einher. [FE]

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