radioaktive Zeitmessung, die Bestimmung des Bildungsalters von Mineralen, Gesteinen, Gläsern und anderen Proben bzw. des Zeitpunkts bestimmter geologischer Ereignisse durch Messung der in den Proben enthaltenen Mengen natürlich radioaktiver Nuklide, ihrer Zerfallsprodukte und/oder deren Isotopenzusammensetzung. Das so bestimmte Alter wird auch Isotopenalter genannt. Zeit und zu bestimmende Mengen sind durch das radioaktive Zerfallsgesetz (Aktivität) verknüpft, wobei vorausgesetzt wird, dass die Zahl der Mutterkerne und z.T. auch der Tochterkerne sich ausschliesslich durch den radioaktiven Prozess verändern. Ein Alter kann nur unter dieser und weiteren Modellannahmen berechnet werden, nach deren Art verschiedene Typen radioaktiver Altersbestimmung unterschieden werden (Tabelle). Die Bestimmung von Isotopenverhältnissen und Mengen bzw. Gehalten (durch Isotopenverdünnung) erfolgt massenspektrometrisch, die Bestimmung von Aktivitäten durch Szintillations- oder Proportionalzählrohre (Aktivitätsbestimmung).
Altersbestimmung,
radioaktive: Übersicht über die wichtigsten für radioaktive
AItersbestimmungen verwendeten Radionuklide mit Zerfallsschema und
Halbwertszeit t1/2.
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Zerfallschema des Radionuklides |
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t1/2 in a |
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Anwendung |
3H 3He + b- |
12,3 |
Hydrologie, Grundwasseralter |
4C 14N + b- |
5730 |
Hydrogeologie, Archäologie |
40K 40Ar (K-Einfang), 40Ca + b- |
1,303 × 109 |
Geologie, Kosmologie |
87Rb 87Sr + b- |
4,88 × 1010 |
Geologie, Kosmologie |
147Sm 43Nd + a |
1,06 × 1011 |
Geologie, Kosmologie |
176Lu 176Hf + b- |
3,5 × 1010 |
Geologie, Kosmologie |
187Re 187Os + b- |
4,3 × 1010 |
Mo-Erze, Meteoriten |
232Th ... 208Pb |
1,39 × 1010 |
Geologie, Kosmologie |
235U ... 207Pb |
7,04 × 108 |
Geologie, Kosmologie |
238U ... 206Pb |
4,47 × 109 |
Geologie, Kosmologie |
238U, spontane Spaltung |
1,0 × 1016 |
Geologie, Kosmologie |
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Spallation schwerer Elemente durch kosmische Strahlung |
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|
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Expositionsalter von Meteoriten |
1) Zu den Speichermethoden (Speicherung des Tochterproduktes kritisch) gehören die 40K-40Ar-, 238U-206Pb-, 235U-207Pb- und 232Th-208Pb-Methoden, z.T. die 87Rb-67Sr-, 147Sm-, 46Nd-Methoden sowie die selten verwendeten 176Lu-, 116Hf- und 187Re-187Os-Methoden. Alle diese Methoden setzen die anfängliche Abtrennung des Tochterelements und die darauffolgende Speicherung der neu gebildeten Tochterkerne durch natürliche Prozesse wie Magmenbildung und -erstarrung oder genügende Erhitzung (Metamorphosen) voraus. Das Alter berechnet sich gemäss dem radioaktiven Zerfallsgegesetz nach
,
dabei ist M bzw. T die Anzahl der Mutterkerne bzw. der gebildeten Tochterkerne und l die Zerfallskonstante. Für die K-Ar-Methode ist wegen des dualen Zerfalls . (Hier wie im folgenden wird die gemessene Menge eines Isotops abkürzend durch den Isotopennamen gekennzeichnet.) lK ist die Zerfallskonstante für den K-Einfang (Betazerfall). Das Ar-Speichervermögen ist bei Glimmern, Hornblenden und Langbeiniten im Gegensatz zu Sylvinen recht gut.
Die U-Th-Pb-Methoden (Bleimethoden) werden an U- und Th-angereicherten Mineralen wie Pechblende, Zirkone, Titanit, Apatit angewandt.
Da die meisten Minerale und Gesteine gewöhnliches Strontium enthalten, wird nach der Isochronenmethode ein Satz von mehreren kogenetischen Proben analysiert. Bezieht man 87Rb und 87Sr auf ein Bezugsisotop, z.B. das nichtradiogene 86Sr, so gilt die lineare Gleichung
zwischen den heute messbaren Grössen y = 87Sr/86Sr und x = 87Rb/86Sr. In dem entsprechenden x-y-Diagramm bilden die Probenpunkte eine Gerade, aus deren Neigung das Alter und aus deren Schnittpunkt mit der y-Achse das für die Herkunft wichtige anfängliche (87Sr/86Sr)t = 0 bestimmt werden kann.
Die Spalt-Spuren-Methode (Fission-Track-Methode) nutzt die spontane Spaltung des 238U. Diese erzeugt im Gitter Spuren, die am Dünnschliff durch Ätzen sichtbar gemacht und unter dem Mikroskop gezählt werden können. Durch langsame Neutronen künstlich induzierte Spaltungen von 235U erlauben auf ähnlichem Wege die Bestimmung des U-Gehalts.
2) Modellalter: Das Anwachsen z.B. der Bleiisotopenverhältnisse x = 206Pb/204Pb, y = 207Pb/204Pb und z = 208Pb/204Pb von einem anfänglichen Wert x0, y0, z0 bei Bildung der Erde hängt vom Milieuindex m(t) = 238U/204Pb (das gewöhnlich auf die Gegenwart normiert wird) und w(t) = 232Th/204Pb ab. Im einfachsten Fall, dem einstufigen Holmes-Houtermans-Gerling-Modell, ist m für ein bestimmtes Blei konstant, x und y wachsen entsprechend diesem m bis zur Gegenwart oder bis es als Galenit (m = 0) ausgeschieden wird. Es gilt
(t bzw. t0 sind das Alter der Erde bzw. die Zeit der Ausscheidung als Galenit, l, die Halbwertskonstante für 235U bzw. 238U, der Zahlenfaktor das heutige Verhältnis 235U/238U), so dass aus einer Bleiisotopenanalyse bei bekanntem Erdalter t0 das Modellalter des Galenits bestimmt werden kann. Verfeinerte Modelle benutzen in zwei oder mehr Stufen verschiedene m oder ein sich kontinuierlich änderndes m. Im x-y-Diagramm dominieren Bleiisotopenwerte von den Grossbaueinheiten der Erde (Kruste, Mantel, Orogene) in bestimmten Bezirken, was zur Aufstellung des Plumbotektonik-Modells veranlasste. Analoge Modellalter erlauben die Sm-Nd- und Rb-Sr-Systeme. Neben Datierungen kann man hiermit insbesondere genetische Aussagen (z.B. Herkunft) über geologische Einheiten und Lagerstätten gewinnen.
3) Zerfallsmethoden: In den oberen Luftschichten werden durch die Höhenstrahlung Radionuklide, z.B. 3H, 14C, 32Si, 39Ar, gebildet, die in den meteorischen Kreislauf (3H) und in den biologischen Kreislauf (14C) gelangen. Es stellt sich ein Gleichgewicht zwischen Bildungsrate und Zerfallsrate ein. Bei einem Baum z.B. wird durch Austausch mit der Umgebung bis zu seinem Absterben die Gleichgewichts-Konzentration (14C/12C) aufrechterhalten, danach klingt diese nach dem Zerfallsgesetz ab. An Bäumen bekannten Alters (Jahresringe) konnte die Anfangskonzentration ermittelt und die Methode geprüft werden (Kohlenstoff-14-Methode, Radiokohlenstoffmethode, Radiokarbonmethode). 14C erlaubt die Datierung von Hölzern, Papyrus, fossilen Wässern etc. von etwa 100 a bis 60000 a. Mit 3H können hydrologische Vorgänge auch der letzten Jahre geklärt werden (Tritium-Methode).
Das Alter junger Sedimente (und die Sedimentationsgeschwindigkeit) kann bei Nichtgleichgewicht zweier Glieder der U-Th-Reihen (radioaktive Familien) bestimmt werden. Für einige Jahrtausende alte Gesteine und Minerale ist auch die Thermolumineszenzmethode (Lumineszenz) einsetzbar. Sie nutzt die Anregung von Elektronen dieses Materials durch die radioaktive Umgebungsstrahlung. Die bei letzterer ebenfalls entstehenden Defekte in den Kristallen können durch Elektronenspinresonanz zur Datierung von einigen tausend bis einigen hunderttausend Jahren alten Gegenständen dienen (ESR-Datierung), wobei diese Datierung am selben Stück einer kristallinen, biogenen oder anorganischen Bildung wiederholbar ist.
Durch die Bleiisotopenmodelle wurde das Alter der Erde zu 4,6 × 109 a bestimmt, während die ältesten direkt datierten Gesteine der Erde 3,9 × 109 a (Amitsoque-Gneis, Grönland) und die des Mondes 4,6 × 109 a alt sind.
Gleiche Altersergebnisse durch verschiedene Methoden am gleichen Gestein bestätigen einander, jedoch können durch verschiedene Methoden (K-Ar, Rb-Sr, Pb-Pb) durchaus verschiedene geologische Ereignisse erfasst werden. Rb-Sr-Isochronen an verschiedenen Mineralen und verschiedenen Gesamtgesteinen können zeitlich gestaffelte Metamorphosen datieren.
Altersbestimmung, radioaktive: Zeitskala und Zerfallsprozesse zur Datierung mit Hilfe von radioaktiven Nukliden (ZR bedeutet Zerfallsreihe)
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