Physik im Alltag, Phänomenbereich der Biophysik, in dem nahezu alle Energieformen genutzt werden. Sinnesleistungen liegen für ganz vertraute Lebewesen regelmässig an der Grenze des physikalisch Machbaren (Alltagsphysik).
Die Energieformen der Sinnesleistungen von Lebewesen liefern die hier benutzte (und unten verfeinerte) Einteilung in mechanische, elektromagnetische, thermische und chemische Sinne; dazu kommen noch Wetterfühligkeit und der Zeitsinn, deren Grundlagen nur z.T. geklärt sind.
1. Die mechanischen Sinne reagieren auf rund zehn Reize (Mechanorezeption). Der akustische Sinn (Hören, Gehör), der wohl wichtigste mechanische Sinn überhaupt, überdeckt im Tierreich einen Frequenzbereich von unter 10 Hz (Delphine) bis mehreren 100 kHz (Fledermäuse). Daneben gibt es aber noch andere vibrationsempfindliche Organe: Die Schwimmblase von vielen Fischen z.B. ist näherungsweise ein Helmholtz-Resonator für den Empfang von Unterwasserschall; manche Arten können dessen Eigenfrequenz n ~ V-1 / 2 (V: Volumen) durch Gewebestränge abstimmen.
Die mechanischen Sinne sind sowohl in der Funktion als auch in der Evolution nicht unabhängig voneinander. Dies wird deutlich an dem Seitenlinienorgan der Fische (siehe Abb. 1), das der Wahrnehmung von Schwingungen und Strömungen dient. Es kann durch die Strömungsfelder um andere Tiere bis 20 cm Abstand aktiviert werden. Ein Beispiel für die ausserordentliche Empfindlichkeit von Mechanorezeptoren zeigt Abb. 2.
2.1. Die optischen Sinne stellen die wichtigste Gruppe der elektromagnetischen Sinne dar. Der gesamte im Tierreich abgedeckte Wellenlängenbereich reicht von ca. 300 nm (Bienen) bis ca. 12 mm (Schlangen). Diese grosse Bandbreite und die Vielfalt der biologisch nötigen Funktionen beruhen auf z.T. sehr verschiedenen Bauformen des Auges.
Neben dem Auge gibt es noch weitere Lichtreaktionssysteme, das Pinealorgan (»Zirbeldrüse«), bei niederen Wirbeltieren noch direkt lichtempfindlich, und der Phototropismus der Pflanzen, d.h. deren Hinwenden zum Licht. Er setzt schon bei 250 nm ein und beruht auf einem nicht völlig geklärten Rezeptormechanismus.
2.2 Elektrische und magnetische Sinne werden erst seit wenigen Jahrzehnten ernsthaft untersucht. Bei elektrischen Sinnen zeigt die grösste bekannte Empfindlichkeit im Tierreich der Hai (siehe Abb. 1) mit 10 nV / cm; das reicht u.a. aus, um per induziertem Feld im Erdmagnetfeld (B » 3 × 10-4 T) Eigenbewegungen ab wenigen cm / s zu detektieren. Magnetische Sinne wurden bei Bakterien, Insekten, Vögeln und Fischen nachgewiesen. Der »Zellkompass« beruht meistens auf Magnetitkristalliten (Fe3O4), seltener auf Induktion (s.o.). Die Grösse L der Kristalliten unterliegt engen physikalischen Schranken: für L £ 40 nm ist das magnetische Moment nicht gegen thermische Fluktuationen stabil, für L ³ 100 nm bildet sich eine antiparallele Domänenstruktur der Weiss\'schen Bezirke. In beiden Fällen ist die Wechselwirkung mir dem Erdfeld nicht stark genug für ein brauchbares Signal.
Magnetit-Rezeptoren wurden inzwischen in fast allen Lebewesen mit magnetischen Sinnen nachgewiesen (z.B. in Vogelschnäbeln, neuerdings auch im menschlichen Gehirn).
3. Thermische Sinne sind zu unterscheiden nach dem Energieübertragungsmechanismus (Wärmeleitung oder Wärmestrahlung; siehe auch elektromagnetische Sinne) und der Rezeptorverteilung (unspezifisch auf der Körperoberfläche oder spezifische Organe). Die unspezifischen Thermorezeptoren reagieren jeweils nur auf Temperaturunterschiede ±DT (»Kälte- und Wärmerezeptoren«). Über ihre Funktionsweise ist noch wenig bekannt. Spezifische Organe zur Wahrnehmung von Wärmestrahlung gibt es bei vielen Schlangenarten. Abb. 3 zeigt, dass diese »Grubenorgane« die Optik von Lochkameras haben und eine grobe Lokalisierung erlauben. Beeindruckend ist das beste im Tierreich bekannte Temperaturunterscheidungsvermögen von DT » 3 mK (Klapperschlange).
4. Chemische Sinne sind Geschmack und Geruch. Die Primärreaktion wird heute allgemein durch ein Schlüssel-Schloss-Prinzip erklärt, dessen molekulare Details aber unverstanden sind, ebenso wie Codierung der tausende alleine vom Menschen unterschiedenen Gerüche.
Zusammenfassend ist noch festzuhalten, dass die sehr vielfältigen Sinnesleistungen von Lebewesen auch einige gemeinsame Grundgesetze kennen, so die Kontrastverstärkung durch das Prinzip der lateralen Inhibition, und das Stevens-Potenzgesetz für den Zusammenhang zwischen physikalischer und subjektiver Reizstärke. (optische Täuschungen und akustische Täuschungen, Psychophysik)
Sinnesleistungen von Lebewesen 1: Seitenlinienorgan und Elektorezeptoren (Lorentzinische Ampullen, Punkte) beim Hai.
Sinnesleistungen von Lebewesen 2: Mechanorezeption bei einer Haarsensille (Heimchen); am zellseitigen Ende genügen Auslenkungen S von wenigen Nanometern für eine nachweisbare Reaktion.
Sinnesleistungen von Lebewesen 3: Die Optik des Grubenorgans erlaubt nach dem Prinzip der Lochkamera eine Bestimmung der Position einer Strahlungsquelle: Die Öffnung der Grube beträgt ca. ein Drittel des Durchmessers der wärmeempfindlichen Membran. Es trifft daher nur ein kegelförmiger Ausschnitt einer Strahlungsquelle auf die Membran.
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