Astronomie und Astrophysik, Kugelhaufen, kugelförmige Ansammlung von Sternen, deren Anzahl in einem Bereich zwischen 104 und einigen 106 und deren Gesamtmassen zwischen einigen 104 und einigen 106 Sonnenmassen liegen. Die Durchmesser variieren zwischen 5 pc und 110 pc. Die Sterndichte nimmt zum Zentrum eines Kugelsternhaufens zu und kann dort bis zu zehntausendmal grösser sein als in der Sonnenumgebung. Die Sternpopulationen der Kugelsternhaufen unterscheiden sich signifikant von denen Offener Sternhaufen. In Kugelsternhaufen finden sich beispielsweise im allgemeinen keine Hauptreihensterne mit mehr als 1,3 Sonnenmassen. Ursache hierfür ist das hohe Alter der Kugelsternhaufen. Man geht heute davon aus, dass sie die ältesten Sterne im Universum enthalten. Da Kugelsternhaufen kein interstellares Gas (interstellare Materie)enthalten, können in ihnen auch keine neuen Sterne entstehen. Sie bilden sozusagen eine geschlossene Gesellschaft, deren Mitglieder altern, ohne Nachwuchs zu bekommen. Da nach der Theorie der Sternentwicklung die Lebensdauer der Sterne mit zunehmender Masse abnimmt, finden sich in den alten Kugelsternhaufen nur noch Sterne mit verhältnismässig geringen Massen. Die massereichen Sterne haben die Hauptreihe bereits verlassen und sind zu Riesensternen geworden oder vor langer Zeit als Supernovae explodiert. Im Hertzsprung-Russell-Diagramm erkennt man die alte Sternpopulation daran, dass die Hauptreihe bei einer maximalen absoluten Helligkeit abknickt. Ist die Entfernung eines Kugelsternhaufens bekannt, lässt sich aus dem Abknickpunkt mit Hilfe von Sternentwicklungsmodellen das Alter dieses Haufens bestimmen (siehe Abb. 2). Solche Untersuchungen haben das hohe Alter der Kugelsternhaufen bestätigt. Ausserdem weisen die Sterne in Kugelhaufen eine im Vergleich zur Sonne geringe Häufigkeit schwerer Elemente auf. Auch dies spricht für ein hohes Alter: In der Kosmologie geht man davon aus, dass schwere Elemente nicht im Urknall entstanden sind, sondern diese erst durch Supernovae, Planetarische Nebel und Winde massereicher Sterne ins Weltall gelangten, wodurch sich die Häufigkeit schwerer Elemente im Laufe von Jahrmilliarden immer weiter erhöhte. Eine Zeit lang schien es einen Widerspruch dahingehend zu geben, dass die Kugelsternhaufen älter sind als das aus der Hubble-Konstante errechnete Alter des Universums. Korrekturen in der Entfernungsskala scheinen dieses Paradoxon jedoch aufzulösen. Für die ältesten Kugelsternhaufen ergeben sich jetzt Alter von 12 × 109 Jahren.
In
unserem Milchstrassensystem sind 125 Kugelhaufen bekannt. Sie befinden sich in
einem ausgedehnten Halo mit etwa 100 000 pc Durchmesser und bewegen sich auf
elliptischen Bahnen um das galaktische Zentrum.
Es gibt unter den bekannten Kugelsternhaufen des Milchstrassensystems vier, die sich auf nahezu gleichen Bahnen bewegen und offenbar wesentlich jünger als die übrigen Kugelsternhaufen sind. Eine Erklärungsmöglichkeit besteht darin, dass diese jungen Haufen einst einer anderen Galaxie angehörten. Diese verschmolz mit dem Milchstrassensystem, während die Kugelsternhaufen im galaktischen Halo verblieben. Auch andere Galaxien sind von Kugelsternhaufen umgeben. So hat man beim Andromeda-Nebel etwa 250 entdeckt, während man die Zahl der Kugelsternhaufen der elliptischen Galaxie M87 sogar auf 20 000 schätzt.
Man geht heute davon aus, dass die Kugelsternhaufen entstanden sind, als sich riesige Gaswolken durch die Schwerkraft zu Galaxien zusammenzogen. In der ersten Phase bildeten sich die Kugelsternhaufen. In einer späteren Phase flachte die Wolke des restlichen Gases aufgrund der Zentrifugalkraft zu einer Scheibe ab. In ihr bildete sich die zweite Sternpopulation, der auch die Sonne angehört.
Kugelsternhaufen haben in der Geschichte der Astronomie eine wesentliche Rolle gespielt. So bestimmte der amerikanische Astronom Harlow Shapley in den 20er Jahren des 20. Jh. durch die Beobachtung von RR-Lyrae-Sternen in Kugelsternhaufen deren Entfernung und erhielt daraus die ungefähre Grösse des Milchstrassensystems.
Kugelsternhaufen 1: Zentralbereich des grössten Kugelsternhaufens unseres Milchstrassensystems, Omega Centauri. Er ist 5 000 pc von der Sonne entfernt und beinhaltet 5 × 106 Sonnenmassen.
Kugelsternhaufen 2: Für den Kugelsternhaufen M68 zeigt dieses Diagramm die Verteilung der Sterne gemäss Leuchtkraft (gemessen im logarithmischen Massstab Mv) und Farbe ((B-V) ist ein Farbindex, links: blau, rechts: rot). Hauptreihe und Horizontalast sind klar ausgeprägt. Rechts oberhalb der Hauptreihe befinden sich die Roten Riesen. Sternentwicklungsmodelle (durchgezogene Linien) für ein Alter von 11 bzw. 13 Milliarden Jahren ergeben eine gute Anpassung an den Abbiegepunkt und den Horizontalast.
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