Sammelbezeichnung für Erscheinungen und Anwendungen der Physik im Haushalt (Alltagsphysik); unter Haushaltsphänomenen nicht gemeint und nicht behandelt ist die Physik der Haushaltsgeräte.
Es folgen einige Beispiele für typische Haushaltsphänomene, eingeteilt nach häufigen Tätigkeiten (Küchenphänomene und Spiele und Spielzeug) sowie Materialien, die im Haushalt vorkommen. Von herausragender Wichtigkeit für viele Haushaltsphänomene sind Grenzflächenprozesse, auf die sich daher exemplarisch konzentriert wird.
1) Waschen, Spülen, Reinigen: Die Waschwirkung von Wasser und Seife beruht in zwei wesentlichen Schritten auf Grenzflächenprozessen. Schritt 1, die Ablösung von Schmutzpartikeln, wird erreicht, weil die Grenzflächenspannung der Seifenlösung sowohl gegenüber dem Substrat wie gegenüber Schmutzpartikeln (z.B. Öltröpfchen) vermindert wird. Der erste Umstand führt, wie die Youngsche Gleichung zeigt, zu einem Tropfen mit einer grossen Benetzungsspannung und flachem Randwinkel (Abb. oben), der einen Schmutztropfen mit steilerem Randwinkel quasi »unterschneiden« kann (Abb. unten). Der zweite Umstand führt dazu, dass die für die Ablösung entscheidende Randspannung möglichst gross ist. Schritt zwei, die Stabilisierung von Schmutzpartikeln in der Waschlösung, wird durch Bildung von Micellen bewirkt.
Fettfleckreiniger, eine Paste aus einem Lösungs- und einem Bindemittel, funktionieren in Schritt 1 anders, nämlich durch Lösung des Fettes in einem organischen Lösungsmittel. Schritt 2 ist dann wieder ähnlich, nämlich die Bindung des gelösten Schmutzes durch Kapillarwirkung und Adsorption, also auch einen Grenzflächeneffekt, aber hier auf einem festen Substrat, nämlich einem Pulver mit grosser innerer Oberfläche (z.B. spezielles Aluminiumoxidpulver mit 200 m2 pro Gramm).
2) Körperpflege: Das oben über den Waschvorgang Gesagte gilt hier genauso. Grenzflächenprozesse sind darüber hinaus bei vielen anderen Prozessen und Substanzen der Körperpflege geradezu allgegenwärtig, etwa bei der Stabilisierung von Emulsionen (Crèmes) und bei kolloidalen Feuchtigkeitsbindemitteln (Zahnpasta).
Noch weitere Haushaltsphänomene bei der Körperpflege sind die kühlende Wirkung von Kölnisch Wasser, die auf dessen Verdunstungswärme beruht, und die Strangaufweitung beim Auspressen der Zahnpasta, die Folge von deren Elastizität ist.
3) Technische Massnahmen: Kleben (Bruchmechanik) basiert auf Van-der-Waals- und anderen Wechselwirkungen mit kurzer Reichweite; deswegen ist ein enger Kontakt Klebefläche-Klebstoff durch hohen Anpressdruck und/oder einen gut benetzenden Klebstoff nötig.
Gute Benetzung heisst geringe Kohäsion, gute Klebefestigkeit aber grosse Kohäsion; der Widerspruch wird gelöst durch Klebstoffe mit verdunstendem Lösungsmittel oder chemisch reagierenden Komponenten.
Theoretische Klebefestigkeiten erreichen 5 · 108 N / m2, immerhin die Zugfestigkeit eines guten Stahles, praktisch werden aber durch mangelhafte Klebekontakte sehr viel geringere Werte erreicht.Löten beruht darauf, dass die Kohäsionsspannung des Lötzinns kleiner ist als seine Benetzungsspannung auf der Lötfläche; dazu muss diese blank und ohne Oxidschicht sein (ggf. durch ein Flussmittel).
Eine weitere Anwendung der Grenzflächenphysik auf technische Haushaltsphänomene ist die Korrosion, Anwendungen aus anderen Bereichen der Physik sind elektrische Kontakte, Flammen, Spiegel und Treibmittel in Sprühdosen.
Haushaltsphänomene: Oben: Randwinkel und Benetzungsspannung der Waschmittellösung A und eines Schmutztröpfchens B; unten: Randspannung bei Berührung von A und B; Dg = gA - gB.
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