Allgemeines, philosophische Theorie, nach welcher das gesamte Geschehen innerhalb des Universums, einschliesslich menschlicher Handlungen, durch unveränderliche (Natur-) Gesetze eindeutig vorherbestimmt sei. Dabei muss diese Bestimmtheit nicht notwendig kausaler Natur sein. Entscheidend ist lediglich die Existenz eines gesetzartigen Zusammenhangs. Dies ist insofern von Bedeutung, als die überwiegende Zahl der physikalischen Gesetze nicht kausal interpretierbar, aber dennoch deterministisch ist. Zwischen Determinismus und der Annahme einer uneingeschränkten Gültigkeit des Kausalprinzips (Kausalität) ist daher sorgfältig zu unterscheiden.
Als philosophisches Prinzip hat der Determinismus seine Wurzeln in der griechischen Philosophie; für die Physik wurde er jedoch erst im 18. Jahrhundert mit dem Ausbau der Newtonschen Mechanik relevant, die eine deterministische Beschreibung von Bewegungsvorgängen oder allgemeiner von Zustandsänderungen liefert: Sind alle Zustandsgrössen eines mechanischen Systems zu einem Zeitpunkt t0 bekannt, lässt sich der Zustand im Prinzip für jeden zukünftigen Zeitpunkt t mit Hilfe der Gesetze der Mechanik berechnen. Mit dieser durch die mechanischen Gesetze vermittelten eindeutigen Bestimmtheit der Zukunft durch die Vergangenheit lieferte die Newtonsche Mechanik zunächst eine Präzisierung der allgemeinen Vorstellung des Determinismus, die ihren konkreten Ausdruck in den Erfolgen etwa bei der Beschreibung der Planetenbewegungen fand. Vor allem aber mit ihren technischen Anwendungen, die mit dem auf mechanischen Erkenntnissen beruhenden Bau von Instrumenten und Maschinen zum ersten Mal eine wissenschaftlich bestimmte Arbeitspraxis mit der Möglichkeit zuverlässiger Voraussagen begründeten, lieferte sie die Basis für eine "Mechanisierung des Weltbildes", die die Natur als Uhrwerk (Holbach) und den Menschen als Maschine (de la Mettrie) begriff. In seiner reinsten Form findet sich der Gedanke einer vollständigen Determiniertheit der Welt schliesslich im Laplaceschen Dämon, einem Wesen mit übermenschlicher Intelligenz, das in der Lage sein sollte, aus der Kenntnis der Koordinaten und Impulse aller Teilchen des Universums für einen bestimmten Zeitpunkt anhand der Naturgesetze alle vergangenen und zukünftigen Konstellationen des Universums zu bestimmen. Dieser mechanische Determinismus hat das Weltbild der Physik bis ins 20. Jahrhundert hinein entscheidend geprägt, unbeschadet der Tatsache, dass schon in der klassischen Mechanik die Anfangsbedingungen nie mit beliebiger Genauigkeit bestimmt werden können. Dies sah man aber lediglich als ein praktisches, und nicht als prinzipielles Problem an, das durch Fortschritte in der Messtechnik zu überwinden sein müsste. Auch die zur Mitte des 19. Jahrhunderts einsetzende Entwicklung der Statistischen Mechanik wurde nicht als Einwand gegen eine universelle Gültigkeit des Determinismus betrachtet, weil die Statistik lediglich als Folge der Unkenntnis der Anfangsbedingungen begriffen wurde.
Ein Umdenken setzte erst mit der Entwicklung der Quantenmechanik ein, als klar wurde, dass gemäss der Heisenbergschen Unschärferelation die gleichzeitige Festlegung von Ort und Impuls, die für eine deterministische Beschreibung der Bewegung eines Teilchens im Sinne der Mechanik benötigt wird, prinzipiell nicht realisierbar ist. Aus dieser Tatsache lässt sich allerdings nicht der Schluss ziehen, dass damit die Annahme einer durchgehenden Determiniertheit des Naturgeschehens widerlegt sei. Interpretiert man die Unschärferelation nämlich derart, dass lediglich die messtechnische Realisierung dieser Anfangsbedingungen unmöglich ist, kann man immer noch behaupten, die Bewegung auch quantenmechanischer Teilchen sei deterministisch, solange keine Messung stattfindet. Eine solche Behauptung ist mit empirischen Methoden natürlich nicht mehr zu widerlegen. Auf dieser Basis könnte dann weiter argumentiert werden, dass die Quantenmechanik unvollständig sei, d.h. dass ein Satz physikalischer Grössen existierte, die sogenannten verborgenen Parameter (Bohm-Theorie), der eine durchgängige Determiniertheit des Geschehens wiederherstellt. Schliesslich ist die Quantenmechanik insofern eine deterministische Theorie, als die zeitliche Entwicklung eines quantenmechanischen Zustandes zwischen zwei Messungen durchaus deterministisch ist. Die entscheidenden Argumente gegen einen uneingeschränkt gültigen Determinismus liefert dann auch weniger die Quantenmechanik als die nichtlineare Dynamik. Sie zeigt, dass der Determinismus der klassischen Mechanik im wesentlichen dadurch bedingt ist, dass deren Bewegungsgleichungen lineare Differentialgleichungen bezüglich der Zeit t sind (Chaos, deterministisches Chaos). Trotzdem bleibt festzuhalten, dass primär durch die Quantenmechanik die Entwicklungen initiiert wurden, die zu der für die moderne Physik charakteristischen Änderung der Grundeinstellung führten: Der Determinismus wird weder als notwendige Eigenschaft der Natur noch als methodisches oder heuristisches Prinzip angesehen. Gesetzartige Beschreibung und Erklärbarkeit haben mit Determinismus nichts zu tun und sind auch dort möglich, wo Prozesse nicht bis ins einzelne deterministisch ablaufen. Insgesamt ist dennoch innerhalb der Physik gegenwärtig kein Konsens über den ontologischen Status und die methodische Relevanz des Determinismus festzustellen, sondern man findet die folgenden Einstellungen zum Determinismus-Problem:
1. Metaphysischer Determinismus: Die Natur, d.h. alle wirklichen Prozesse, die in der Aussenwelt ablaufen, sind streng deterministisch. Alles geschieht mit absoluter Notwendigkeit, und zufällige Ereignisse gibt es nicht. Alle statistischen Gesetzmässigkeiten müssen folglich zumindest im Prinzip auf deterministische reduzierbar sein. Physikalische Theorien, die dies nicht gewährleisten, müssen als unvollständig angesehen werden und sind entsprechend zu erweitern.
2. Wissenschaftlicher Determinismus: Die Physik liefert zwar keinen Beweis für einen metaphysischen Determinismus; als methodisches Prinzip ist der Determinismus jedoch unentbehrlich, d.h. ohne die heuristische Annahme eines Determinismus ist die für die Physik kennzeichnende gesetzartige Beschreibung unmöglich. Vorgänge, die nicht deterministisch ablaufen, sind einer gesetzartigen Beschreibung nicht zugänglich.
3. Jede Art von Annahme über einen Determinismus ist für die Physik irrelevant. Was unter Determinismus zu verstehen ist, lässt sich sinnvoll erst relativ zu einer Theorie definieren. In einem absoluten Sinn gibt es in der Physik sowohl deterministische als auch statistische Gesetze, die nicht auf deterministische reduzierbar sind. Bezogen auf eine bestimmte Theorie können jedoch die statistischen Gesetze durchaus als deterministisch bezüglich der Beschreibung des Verhaltens von Gesamtheiten interpretiert werden. Insbesondere ist eine Ergänzung der Quantenmechanik um verborgene Parameter nicht sinnvoll, weil damit der Quantenmechanik ein Begriff von Determinismus aufgezwungen wird, der nur relativ zur klassischen Mechanik einen Sinn hat.
4. Es gibt in der Natur überhaupt keine im strengen Sinn deterministischen Prozesse. Schon die klassische Mechanik liefert keinen Beweis für einen Determinismus; dieser ist vielmehr das Ergebnis der Vereinfachungen und Idealisierungen der klassisch-mechanischen Beschreibung. Letztlich sind alle Gesetzmässigkeiten statistischer Art. [MG1]
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