Atom- und
Molekülphysik, eine gegenüber der Zentralfeldnäherung verfeinerte Darstellung
der energetischen Zustände in einem Mehrelektronenatom durch Berücksichtigung
der elektrostatischen Elektronenwechselwirkung und der
Spin-Bahn-Wechselwirkung. Bei der Zentralfeldnäherung geht man von
Einelektronenzuständen aus, die durch die Quantenzahlen n,
l, ml
und ms bestimmt sind.
In dieser Näherung ergeben sich der gesamte Bahndrehimpuls L und der Gesamtspin S für
ein Mehrelektronenatom als Summe der Bahndrehimpulse l
bzw. der Spins s der einzelnen Elektronen. Man
kann sich dabei auf die Valenzelektronen beschränken, da abgeschlossene
Elektronenschalen keine Beiträge liefern. Die Quantenzahlen L und S bestimmen die Beträge
der Vektoren L bzw. S.
Für ein System mit zwei Elektronen gilt für die möglichen L,
S-Werte L = |l1
- l2|,
|l1 - l2| + 1, ..., l1
+ l2 -
1, l1 + l2 bzw. S = |s1 - s2|, |s1
- s2|
+ 1, ..., s1 + s2 - 1, s1 + s2; wobei l1,
l2 und s1, s2 die Quantenzahlen für
die Beträge der Bahndrehimpulse l1, l2 und der Spins s1,
s2 von beiden Elektronen sind. Die möglichen Orientierungen
von L und S sind
durch die Quantenzahlen ML bzw. MS bestimmt, die die Werte ML = -L, -L + 1, ..., L - 1, L bzw. MS = -S, -S + 1, ..., S
- 1, S annehmen können. Die Betrags- und
Orientierungsquantenzahlen L, S,
ML, MS
kennzeichnen Zustände der Elektronenhülle. Alle Zustände einer
Elektronenkonfiguration mit gleichem L- und S-Wert nennt man Term. Für die Terme mit L = 0, 1, 2, 3, ... schreibt man die Buchstaben S, P, D,
F, ... Zur Charakterisierung der Terme hinsichtlich ihres S-Wertes
ist es üblich, die Multiplizität 2S + 1 links oben
dem Termsymbol anzufügen. Terme mit den Multiplizitäten 2S
+ 1 = 1, 2, 3, ... bezeichnet man als Singulett, Dublett, Triplett usw. Zu
einem Term gehören (2L + 1) × (2S +
1) Zustände. Betrachtet man zunächst ein System aus zwei nichtäquivalenten
Elektronen (n1 ¹ n2), z.B. die Konfiguration 2p13p1, so können L und S die Werte L = 0, 1, 2 bzw. S = 0, 1
annehmen. Es resultieren die Terme 1S, 1P, 1D; 3S, 3P, 3D. Bei äquivalenten Elektronen (n1
= n2) ergeben sich durch die Ununterscheidbarkeit und das
Pauli-Prinzip deutliche Einschränkungen der möglichen Terme, da die
Quantenzahlen ml und ms nicht frei kombinierbar sind. Ein
Elektron bzw. ein fehlendes Elektron (»Loch«) in einer Unterschale liefern den
gleichen Beitrag zum Gesamtbahndrehimpuls und Gesamtspin. Durch die explizite
Berücksichtigung der Elektronenwechselwirkung wird die Entartung der Terme
einer Elektronenkonfiguration aufgehoben. Jeder Term 2S + 1L bleibt (2L + 1)(2S + 1)-fach entartet, da die Elektronenwechselwirkung die
Kugelsymmetrie des Atoms nicht aufhebt und alle Zustände mit gleichem L und S, aber
unterschiedlichem ML und MS die gleiche Energie haben. Genaue
Aussagen über die energetische Lage der Terme sind nur anhand
quantenmechanischer Rechnungen bzw. auf experimentellem Wege möglich. Aus
empirischen Befunden wurde eine Regel zur Bestimmung des Terms mit der
niedrigsten Energie, des Grundterms, aufgestellt (Hundsche Regel).
Neben der elektrostatischen Wechselwirkung zwischen den Elektronen treten in Atomen auch magnetische Wechselwirkungen (Spin-Bahn-Kopplung) auf. Diese äussern sich in kleinen Energieunterschieden zwischen Zuständen, deren Bahn- und Spindrehimpuls verschieden zueinander orientiert sind (Feinstruktur, Hyperfeinstruktur). Bringt man ein Atom in ein äusseres homogenes Magnetfeld, so spaltet jedes Feinstrukturniveau nochmals in äquidistante Unterniveaus auf (Zeeman-Effekt). Dadurch wird die Entartung vollständig aufgehoben.
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