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Gibbssche Statistik

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Martina Wagner

Thermodynamik und statistische Physik, Gibbssche Methode, G-Raum-Statistik, Statistik für Systeme, deren Teilchen miteinander in Wechselwirkung stehen können, z.B. für reale Gase. Die Gibbssche Statistik geht von dem Begriff des 2f-dimensionalen G-Raumes (Phasenraum) aus, wobei f das Produkt aus der Anzahl der Teilchen und der Freiheitsgrade je Teilchen, z.B. je Gasmolekül, ist. Das konkrete System wird durch einen Bildpunkt im hochdimensionalen G-Raum dargestellt; jedem System der Gesamtheit, die aus dem konkreten System und einer grossen Anzahl gedachter, physikalisch dem konkreten System gleichwertiger Systeme besteht, entspricht ein Bildpunkt. Die Verteilung dieser einzelnen Systeme der Gesamtheit wird durch die Verteilungsfunktion beschrieben, die der Liouville-Gleichung genügt.

Aufgabe der Gibbsschen Statistik ist es, aus Aussagen über die Gesamtheit aller Systeme auf das konkrete System zurückzuschliessen, genauer gesagt, das Zeitmittel über das konkrete System wird geliefert durch eine Mittelung über die Gesamtheit. Als Elemente der Gibbsschen Statistik werden nicht einzelne gleichartige Teilchen, sondem dem konkreten System physikalisch gleichwertige, voneinander unabhängige Systeme verwendet. Die Beschreibung wird deshalb nicht davon beeinflusst, ob innerhalb eines Systems eine Wechselwirkung der einzelnen Teilchen untereinander besteht oder nicht. Von Gibbs wurde besonders die Gleichgewichtsstatistik im G-Raum ausgebaut.

Zur Behandlung eines abgeschlossenen Systems, für das neben dem Volumen und der Gesamtteilchenzahl die Energie vorgegeben ist, führte Gibbs die mikrokanonische Gesamtheit ein. Sie wird charakterisiert durch eine Verteilungsfunktion f, die im gesamten Phasenraum verschwindet, ausser auf der zur vorgegebenen Energie E gehörenden Energieschale der Dicke DE, wo sie den Wert 1 annimmt:

H ist die Hamilton-Funktion. Eine im wesentlichen äquivalente Definition dieser mikrokanonischen Verteilung mit Hilfe der Diracschen d-Funktion lautetf(q1,p1,..., qf,pf) = const · d(E - H(q1,..., pf)).

Die mikrokanonische Gesamtheit stellt insofern eine Idealisierung dar, als es in der Natur wirklich streng abgeschlossene Systeme nicht gibt. Sie hat aber eine erhebliche Bedeutung in der Theorie und kann als Ausgangspunkt für die Behandlung praktisch wichtiger Gesamtheiten, z.B. der Gibbsschen kanonischen Gesamtheit, dienen. Die Gibbssche kanonische Gesamtheit dient der Behandlung von Systemen, für die neben dem Volumen und der Gesamtteilchenzahl die Temperatur T vorgegeben ist. Das betrachtete System ist also nicht vollständig isoliert, sondern steht mit seiner Umgebung, die hier als Wärmebad oder Thermostat wirkt, in einer schwachen Wechselwirkung. Die Wechselwirkung heisst schwach, wenn die Wechselwirkungsenergie klein gegen die Gesamtenergie des Systems ist. Für die kanonische Verteilung ergibt sich:

Hierbei ist kB die Boltzmann-Konstante, und im Nenner steht bis auf einen Faktor 1 /(N!h)f gerade das Zustandsintegral (Zustandssumme) des betrachteten Systems. Durch eine Mittelung über die kanonische Gesamtheit kann man Mittelwerte beliebiger Grössen finden, die den Zustand des Systems charakterisieren; z.B. ist der Mittelwert  einer Grösse L(q1,p1,...,qf,pf) gegeben durch

.

Zur Behandlung von Systemen mit veränderlicher Teilchenzahl N, für die neben dem Volumen die Temperatur T und das chemische Potential m vorgegeben sind, führt man die grosskanonische Gesamtheit ein. Beispiel eines Systems mit veränderlicher Teilchenzahl ist eine Phase eines Stoffes, z.B. die flüssige, die mit einer anderen, z.B. der gasförmigen, im Gleichgewicht steht. Die grosskanonische Verteilung wird durch die Formel

beschrieben. HN hängt natürlich von der Anzahl der Teilchen ab.

Neben diesen fundamentalen, bereits von Gibbs beschriebenen Gesamtheiten kann man noch weitere, speziellen Problemstellungen angepasste Gesamtheiten einführen. Zu erwähnen ist vor allem die isotherm-isobare Gesamtheit, die zur Beschreibung chemischer Vorgänge herangezogen werden kann.

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