die 1964 von J.S. Bell angegebenen und später von anderen Autoren verallgemeinerten Ungleichungen für die Spinkorrelation räumlich beliebig weit separierter, kohärenter Zweiteilchen-Zustände (verschränkte Zustände) im Rahmen lokaler Theorien verborgener Parameter. Die Bellschen Ungleichungen gestatten eine experimentelle Prüfung der 1935 von A. Einstein, B. Podolsky und N. Rosen vorgetragenen Einwände (EPR-Paradoxon) gegen die statistische Interpretation der Quantenmechanik, insbesondere gegen die Nichtlokalität bestimmter Prozesse (Kopenhagener Interpretation).
Geht man in der Diskussion der Bohmschen Version des EPR-Paradoxons davon aus, dass bei der spontanen Dissoziation eines Moleküls mit dem Spin S = 0 in zwei Atome 1 und 2 mit den Spins S = 1/2 das Ergebnis einer Messung der Spins s1, s2 der beiden Atome z.B. in zwei Stern-Gerlach-Magneten (Stern-Gerlach-Experiment) nicht allein von der Orientierung dieser Magnete in die Richtung a bzw. b abhängt, sondern zusätzlich durch einen versteckten Parameter l determiniert wird, dann gilt und , wobei der Parameter l "entscheidet", welche der vier Vorzeichenkombinationen tatsächlich realisiert werden. In einer statistischen Gesamtheit von dissoziierenden Molekülen, die mit der normierten Wahrscheinlichkeitsverteilung r(l), , bezüglich des Parameters l verteilt sind, ist der Erwartungswert E(a,b) für das Produkt der Spinmessungen durch gegeben. Die Quantenmechanik liefert für diesen Erwartungswert den Ausdruck E(a,b) = - ab, d.h. das (negative) Skalarprodukt der beiden Einheitsvektoren a und b.
Die Bellschen Ungleichungen setzen nun drei dieser Erwartungswerte folgendermassen in Beziehung:
.
Sind die Einheitsvektoren a, b und komplanar und jeweils um den Winkel 60° gegeneinander versetzt, so gilt , und die Bellschen Ungleichungen stehen folglich im Widerspruch zur Quantenmechanik. Es kann also keine lokale deterministische Theorie versteckter Parameter geben, die alle Aussagen der Quantenmechanik reproduziert.
Zieht man in Betracht, dass reale Detektoren nicht mit dem idealen Wirkungsgrad von eins arbeiten, also gelegentlich nicht ansprechen, dann kann man die folgende, nach Clauser, Horne, Shimony und Holt benannte strengste Variante der Bellschen Ungleichungen (Bell-Clauser-Horne-Ungleichung, BCH-Ungleichung, 1974) ableiten:
,
die ebenfalls im Widerspruch zur Quantenmechanik steht (man wähle z. B. a, b, und komplanar, jeweils um 45° gegeneinander versetzt).
Zur experimentellen Prüfung der Bellschen Ungleichungen wurden z.B. mit Erfolg korrelierte Photonenpaare herangezogen, wie sie bei Kaskadenübergängen angeregter Atome entstehen.
Die Versuchsanordnung besteht aus zwei Photodetektoren (z.B. Sekundärelektronenvervielfachern) mit vorgeschalteten Polarisatoren, zwischen denen Photonenpaare mit korrelierten Spins erzeugt werden. Sei die Koinzidenzrate für die um den Winkel j gegeneinander verdrehten Polarisatoren mit R(j) und bei Abwesenheit der beiden Polarisatoren mit R0 bezeichnet, dann lässt sich unter Beachtung realer Experimentiermöglichkeiten (nichtidealer Wirkungsgrad der Polarisatoren und Detektoren) die folgende, nach S.J. Freedman benannte Ungleichung herleiten:
.
In ihre Ableitung geht lediglich ein, dass die Nachweiswahrscheinlichkeit eines Detektors ohne vorgeschalteten Polarisator nicht kleiner ist als mit Polarisator. Auch diese Ungleichung steht im Widerspruch zur Quantenmechanik; zu ihrer Überprüfung hat man drei verschiedene Koinzidenzraten experimentell zu bestimmen.
Bei dem berühmten Experiment von A. Aspect, J. Dalibard und G. Roger in Orsay (1982) erfolgte die Einstellung der Polarisatoren durch einen Zufallsgenerator während der Flugzeit der Photonen, um eine denkbare Rückwirkung der Polarisatoreinstellung auf die Spins des Photonenpaares bei dessen Entstehung ausschliessen zu können. Neuere Experimente verwenden nochmals verfeinerte Methoden, um Einteilchenkorrelationen, wie sie beispielsweise beim Doppelspaltexperiment auftreten, mit hoher Sicherheit ausschliessen zu können (Quantenoptik).
Die bisher durchgeführten Experimente zur Prüfung der Bellschen Ungleichungen sprechen gegen lokale Theorien verborgener Parameter und bestätigen die Voraussagen der Quantenmechanik eindrucksvoll.
Eine Eweiterung der Bellschen Ungleichungen auf Dreiteilchen-Zustände liefert das GHZ-Theorem von Greenberger et al. (1989). [WE]
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