Medizinische Physik, MedizintechnikKernphysikBiophysik, Heilmassnahme durch Bestrahlung des ganzen Körpers oder einzelner Teile mit ionisierender Strahlung. Das Hauptanwendungsgebiet ist die Behandlung gut- und bösartiger Tumoren. Man versucht, schnell wachsende Tumorzellen zu vernichten, ohne gesundes Gewebe zu schädigen. Deshalb wird die Strahlenmenge fraktioniert und aus verschiedenen Richtungen im Tumor fokussiert. Die Strahlenart richtet sich nach der Art und dem Sitz der Geschwulst. Man unterscheidet 1. die Tiefentherapie mit beschleunigten Elektronen oder als Hochvolttherapie mit harten Röntgen- oder Gammastrahlen (1 MeV bzw. 200-300 keV), wie sie in Elektronenschleudern erzeugt werden (zur Bestrahlung tiefliegender Tumore), oder schweren Ionen (Schwerionentherapie), 2. die Bestrahlung mit Gammastrahlung von Radium und Cobalt (Telecurietherapie), 3. die Anwendung inkorporierter Radionuklide zur in situ-Bestrahlung von Tumoren. Weitere Formen der Strahlentherapie sind die Röntgen- und UV-Bestrahlung zur Hemmung von Entzündungen (Ekzem), als Reizbestrahlung oder bei vegetativen Störungen.
Die therapeutische Wirkung von Röntgenstrahlung wurde sehr früh erkannt. Bereits 1896, weniger als ein Jahr nach der Entdeckung, fand in Chicago die erste Tumorbestrahlung statt. Daraus entwickelte sich in enger Zusammenarbeit zwischen Medizinern, Physikern und Ingenieuren eine klinische Erfahrungswissenschaft, die Strahlentherapie, und mit ihr eine Methode, Krebs zu behandeln und in vielen Fällen zu heilen. Röntgenstrahlen lassen sich einteilen in a) weiche Strahlen mit einer maximalen Photonenenergie von etwa 100 keV und einer mittleren Eindringtiefe in Wasser und damit menschliches Gewebe zwischen 1 mm und 5 cm zur Oberflächentherapie von z.B. Hauttumoren, b) harte Strahlen mit einer maximalen Photonenenergie von 100-1 000 keV und einer mittlere Eindringtiefe in Wasser zwischen 5 und 15 cm zur schmerzstillenden Bestrahlung in mittleren Tiefen beispielsweise bei Reizzuständen von Gelenken, Muskeln und Sehnen und c) ultraharte Strahlen mit einer maximalen Photonenenergie von über 1 000 keV und einer mittleren Eindringtiefe in Wasser zwischen 15 und 50 cm zur Bestrahlung von Tumoren in grösseren Tiefen.
Das Problem der Strahlentherapie liegt nicht eigentlich in der Sterilisierung der Tumorzellen, die durch eine genügend hohe Dosis immer zu erreichen ist, sondern in einer möglichst weitgehenden Schonung des umgebenden gesunden Gewebes. Die Toleranz des normalen Gewebes ist in verschiedenen Organen sehr unterschiedlich; der wachsende Organismus, die Geschlechtsorgane und das Auge sind besonders empfindlich, während das Muskelgewebe recht resistent ist. Bei der Vielfraktionenbehandlung wird eine Tumorheilung erreicht, ohne die Hauttoleranzdosis zu überschreiten. Je nach Grösse des bestrahlten Bezirks wird Gammastrahlung mit Energien zwischen 1 und 6 MeV (10 Gray pro Woche in fünf Fraktionen) angewandt.
Von wichtiger Bedeutung für die Tiefentherapie ist ein geeignetes Tiefenprofil der eingesetzten Strahlung. Es zeigt sich, dass Gamma- oder Elektronenstrahlung zwar ihr Dosismaximum in einer gewissen Tiefe im Körper haben, dass dieses Maximum jedoch nicht sehr scharf ausgeprägt ist, so dass die Umgebung sehr stark mitbetroffen wird. Noch schlechter sind in diesem Sinne niederenergetische Röntgenstrahlen und Neutronen geeignet, deren Tiefenprofil praktisch exponentiell verläuft, wenn man vom unmittelbaren Eintrittsbereich absieht. Beschleunigte (»schwere«) Ionen- oder p--Mesonen-Strahlen hingegen bieten mehrere Vorteile: Sie haben ein invertiertes Dosisprofil, die deponierte Dosis wächst dementsprechend mit zunehmender Eindringtiefe und hat kurz vor der maximalen Reichweite, also im Tumor, ein scharfes Maximum. Ausserdem werden massivere Partikel beim Durchgang durch dicke Gewebeschichten wesentlich weniger abgelenkt als leichtere und können daher mit magnetischen Linsen extrem genau auf den Tumor gebündelt werden. Wird eine Dosis wie in der Strahlentherapie üblich auf mehrere Anteile verteilt verabreicht, so kann die zu sterilisierende Zelle bei Verwendung von dünn ionisierenden Strahlen die ersten Schäden wieder reparieren. Sie wird somit insgesamt widerstandsfähiger. Dieser unerwünschte Effekt tritt bei schweren Ionen nicht ein, er scheint sich sogar umzukehren, was bedeutet, dass eine zweite Dosisfraktion wirksamer ist als die erste. Dies scheint damit zusammenzuhängen, dass Ionenstrahlen in die verschiedenen Phasen des Zellzyklus anders eingreifen als elektromagnetische Strahlen.
Die Strahlentherapie ist häufig nicht die alleinige Massnahme zur Tumorbekämpfung, sondern wird in Verbindung mit chirurgischen Eingriffen und der Chemotherapie verwendet.
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