Festkörperphysik, Kristalldefekt, Fehlordnung, jede Abweichung von einer streng periodischen Anordnung der Gitterbausteine im Kristall. Für fast alle makroskopischen Eigenschaften, insbesondere die mechanischen und elektrischen, sind Gitterfehler von entscheidender Bedeutung. Man kann Gitterfehler nach der Grösse und der Art der Entstehung einteilen.
a) Grösse: Man unterscheidet atomare Fehlordnungen, Punktdefekte, die eindimensional sind, und makroskopische Defekte, die, je nachdem ob sie zwei- oder dreidimensional ausgedehnt sind, Liniendefekte oder Oberflächendefekte genannt werden.
Zu den atomaren Defekten gehören die thermischen Defekte, die in jedem perfekten Kristall oberhalb des absoluten Temperatur-Nullpunkts entstehen. Desweiteren zählen zu den Punktdefekten: Leerstellen (Schottky-Defekte), Zwischengitteratome, Frenkel-Defekte und Farbzentren. Auch Fremdatome, das heisst chemische Fehlordnungen, sind Punktdefekte.
Zu den makroskopischen Defekten gehören Versetzungen, Kleinwinkelkorngrenzen, Stapelfehler und Korngrenzen zwischen verschieden orientierten Kristalliten.
Chemische Fehlordnungen und Versetzungen werden auch Kristallbaufehler genannt, da sie im idealen Kristall nicht vorkommen.
b) Art der Entstehung: Vier Mechanismen sind im wesentlichen
die Ursache für Gitterfehler:
· Aufgrund
der Wärmebewegung schwingen die Atome um ihre Ruhelage, bei Raumtemperatur mit
Frequenzen um 1012-1013 Hz und Amplituden um
0,01 nm, wobei diese Bewegung auch am absoluten Nullpunkt (T = 0 K) nicht aufhört (Nullpunktsenergie).
· Durch
Stösse mit von aussen kommenden Teilchen oder g-Quanten oder auch durch thermische
Anregung können Atome ihren Platz ganz verlassen und sich an irgendeiner
anderen Stelle des Kristalls anlagern (Punktfehler, Fehlstelle).
·
Versetzungen sind linienartige Fehlordnungen in Kristallen, sie können sowohl
beim Kristallwachstum als auch durch mechanische Verformung entstehen. Lage und
Orientierung einer Versetzung werden durch den Burgers-Vektor charakterisiert,
dieser steht bei einer Stufenversetzung senkrecht zur Kante der eingeschobenen
Netzebene, bei einer Schraubenversetzung parallel zur Schraubenrichtung
·
Flächenhafte Fehlstellen werden Stapelfehler genannt, dabei sitzen entweder
ganze Netzebenen an einer falschen Stelle oder bestehen aus einer »falschen«
Atomsorte.
Gitterfehler 1: Punktdefekte; a: Leerstelle, b: Zwischengitteratom, c: kleines Substitutionsatom, d: grosses Substitutionsatom).
Gitterfehler 2: Schraubenversetzung; ein Kristall wird partiell aufgetrennt (a) und um einen Atomabstand geschert (b).
Gitterfehler 3: linearer Defekt; eine Versetzung (a) verlagert sich schrittweise in Gleitrichtung (b), an der Aussenseite entsteht eine Stufe (c).
Gitterfehler 4: Flächendefekt; a: Korngrenze, b: Zwillingskristall.
Gitterfehler 5: Mikrophotographie von Zwillingen innerhalb eines Messing-Kristallkorns (250fach vergrössert).
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