Festkörperphysik, Röntgenkristallographie, Kristallstrukturanalyse mit Hilfe von Röntgenstreuung. 1912 sagte von Laue voraus, dass sich Festkörperkristalle als Beugungsgitter verwenden lassen, um Röntgenstrahlung zu untersuchen. W.H. Bragg baute das erste Röntgenspektrometer, und W.L. Bragg identifizierte die ersten Kristallstrukturen mit Röntgenstreuung. Einen grossen Aufschwung nahm die Röntgenstrukturanalyse in den 60er Jahren, als computergesteuerte, automatisierte Röntgenspektrometer kombiniert mit numerischen Berechnungen und der Methode der kleinsten Quadrate (Rietveld-Methode) und der Entwicklung direkter Methoden zur Kristallstrukturbestimmung verfügbar wurden.
Moderne Einkristall-Röntgenstrukturanalyse ist die wichtigste Methode zur detaillierten Charakterisierung aller kristallinen Materialien - selbst von Makromolekülen wie Proteinen und Nucleinsäuren. Hochpräzise stereochemische Informationen können komplett mit ihr bestimmt werden, die Struktur von Materialien mit mehreren hundert verschiedenen Atomen lassen sich in wenigen Tagen bestimmen.
Die Analyse der Röntgenstreuung beruht auf dem Braggschen Reflexionsgesetz. Grösse und Form der Einheitszelle des Kristalls bestimmen die Geometrie der Streumaxima, die Intensität jedes Röntgenreflexes ist durch Zahl, Sorte und Verteilung der Atome in der Elementarzelle gegeben. Darüberhinaus umfasst die vollständige Strukturanalyse das Zuordnen der charakteristischen Phasen unter den gebeugten Strahlen, die zusammen mit den Amplituden eine dreidimensionale Elektronendichtekarte ergibt und damit auch die Kristallstruktur. Bevor es direkte Methoden zur Phasenbestimmung gab, wurden Näherungsverfahren wie die Patterson-Kartierung benutzt. Die direkten Methoden bedienen sich der Wahrscheinlichkeitstheorie, um einen Satz von Phasen aus statistischen Beziehungen zwischen den beobachteten Strukturfaktor-Amplituden Ehkl der gebeugten Strahlen abzuleiten. Aus diesen werden dann Fourier-E-Karten berechnet. Durch Re-Iteration der so erzeugten Elektronendichtekarten wird schliesslich auf die Struktur geschlossen, indem die Funktion zum Konvergieren gebracht wird. Sobald diese »Versuchsstruktur« erarbeitet ist, werden die so gewonnenen Positions- und thermischen Parameter der Atome analytisch verfeinert. Aus diesen Daten und ihren Standardabweichungen können interatomare Abstände, Bindungswinkel, Torsionswinkel, thermische Ellipsoide usw. abgeleitet werden.
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