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abgeschlossene Theorie

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Julian Schultheiss

ein auf Heisenberg (1948) zurückgehender Begriff zur Beschreibung des Phänomens, dass die theoretische Erkenntnis eines bestimmten Gebiets insofern als endgültig oder abgeschlossen betrachtet werden kann, als sie sich durch kleine Änderungen nicht mehr verbessern lässt. Kennzeichnend für diesen Begriff ist vor allem die Verknüpfung theoretischer Abgeschlossenheit mit empirischer Offenheit, die entscheidend auf der durch Newton begründeten Trennung des abstrakten Theorierahmens von seinen konkreten Anwendungen beruht. Endgültig ist nur der von spezifischen empirischen Gegebenheiten unabhängige Teil der Theorie, während neue Erfahrungen durch die Ergänzung des Strukturrahmens um systemspezifische Modellannahmen immer in die Theorie integriert werden können. Abgeschlossenheit bedeutet also nicht, dass keine neuen empirischen Erfahrungen mehr möglich sind, und erst recht nicht, dass die Theorie neue empirische Erkenntnis "verbietet".

Diese intuitiven Vorstellungen können durch eine Reihe von Kriterien präzisiert werden, denen eine abgeschlossene Theorie genügen muss:

(1) innere Konsistenz: die Theorie enthält keine internen Widersprüche.

(2) Kompaktheit: im Verhältnis zur Grösse ihres Geltungsbereichs enthält die Theorie eine sehr geringe Zahl von Annahmen.

(3) Verbundenheit: die verschiedenen Anwendungen der Theorie sind nicht voneinander isoliert, sondern bilden mit ihren Querverbindungen ein zusammenhängendes Strukturgeflecht theoretischer Erkenntnis. In ihren Grundlagen ist die Theorie daher durch kleine Änderungen nicht zu verbessern.

(4) Endgültigkeit: der allgemeine, von den speziellen Anwendungen unabhängige Strukturrahmen einer abgeschlossenen Theorie steht nicht zur Disposition, ist insofern nichthypothetisch und stellt eine endgültige Erkenntnis dar.

(5) empirische Vollständigkeit: alle Beobachtungen, Experimente und Effekte, die in den Geltungsbereich der abgeschlossenen Theorie fallen, können im Rahmen der Theorie deduziert (Deduktion) und insofern erklärt werden.

(6) empirische Genauigkeit: im Geltungsbereich der Theorie können die experimentell vergleichbaren Aussagen mit den Mitteln der Theorie im Prinzip bis zur jeweiligen experimentellen Genauigkeit quantitativ verbessert werden.

(7) empirische Konsistenz: es gibt keine widersprechende Erfahrung im Geltungsbereich der Theorie, und neue empirische Erfahrungen lassen sich konsistent in das durch die Theorie vorgegebene Begriffs- und Strukturschema ("Weltbild") einordnen und entsprechend interpretieren.

(8) Intersubjektivität: eine abgeschlossene Theorie ist innerhalb der gesamten Wissenschaftlergemeinschaft intersubjektiv anerkannt.

Die Problematik dieses Begriffs liegt darin, dass in der Regel der Geltungsbereich einer Theorie nicht definierbar ist. Die genannten Kriterien sollten daher nicht als beweisbare Eigenschaften, sondern eher als Normen angesehen werden. Die Bedeutung des Konzepts der abgeschlossenen Theorie liegt dementsprechend vor allem in den normativen Konsequenzen für die aktuelle Forschungspraxis. So kann die im Rahmen einer abgeschlossenen Theorie betriebene Forschung direkt mit der Kuhnschen Normalwissenschaft identifiziert werden.

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