Biographien, Gottfried Wilhelm, *1.7.1646 Leipzig, 14.11.1716 Hannover, gilt als letzter Universalgelehrter, dem die Philosophie, Logik, Geschichtsschreibung, Sprachwissenschaft, Mathematik und Naturforschung viele grundlegende Beiträge verdankt. Studium seit 1661 in Leipzig, seit 1663 in Jena bei dem Mathematiker ErhardWeigel, 1666 juristische Promotion in Altdorf bei Nürnberg; 1672-1676 Aufenthalt Paris, wo er die modernste Mathematik und Naturwissenschaft jener Zeit kennenlernte und Ch. Huygens für ihn ein lebenslanger väterlicher Freund und Förderer wurde. In London Aufstellung seiner mit Newtons Fluxionsrechnung äquivalenten Infinitesimalrechnung (unabhängig von Newton); 1675 Bibliothekar und Hofrat am Hannoverschen Hof. Aus philosophischen Gründen lehnte er viele wichtige Entwicklungen in der damaligen Physik ab, u.a. die Physik Isaac Newtons [1]; 1682 Herleitung des richtigen Reflexions- und Brechungsgesetzes des Lichtes aus dem Prinzip des geringsten Widerstandes. 1686 wendete sich Leibniz in seiner Schrift Kurzer Beweis eines denkwürdigen Irrtums des Herrn Descartes gegen die von Descartes (Prinzipien der Philosophie II 36) für alle Bewegungsvorgänge ausgesprochene Erhaltung der Bewegungsgrösse und vertrat in dem 1695 veröffentlichten Specimen Dynamicum die Ansicht, dass eine Bewegung stets so ablaufe, dass die Kraft erhalten bleibe, wobei für Leibniz das wahre Mass für die bewegende Kraft das Produkt aus der Masse und der Höhe war, um welche jene Masse angehoben wurde bzw. das Produkt aus der Masse und dem Quadrat der Geschwindigkeit, welche jene Masse beim Herabfallen erwirbt. Damit hatte Leibniz zum ersten Mal in sehr elementarer Form den Energieerhaltungssatz formuliert und den in der Physik berühmten Streit um das wahre Kraftmass ausgelöst, der erst 1743 von d\'Alembert beendet wurde. Zwar gab Leibniz in seinem Discours de Métaphysique von 1686 metaphysische Gründe für sein Kraftmass an, aber sein Kraftmass mv2 hatte er ursprünglich durch die Analyse der Huygensschen Stossgesetze gefunden [2]. Lange vermutete man, dass sein eigener Versuch der Erklärung der Himmelsbewegungen vorwiegend durch seine Auseinandersetzung mit der Cartesischen Philosophie und Physik entstanden sei; inzwischen hat sich jedoch herausgestellt [3], dass er seinen Versuch über die Ursachen der Bewegungen der Himmelskörper erst (vermutlich) 1689 geschrieben hat, nachdem er Newtons Principia von 1687 kennengelernt hatte.
Literatur: [1] V. Schüller (Hrsg.): Der Leibniz-Clarke Briefwechsel, Berlin 1991.
[2] G.W. Leibniz: La réforme de la dynamique (edition par M. Fichant), Paris 1994.
[3] D.B. Meli: Equivalence and priority: Newton versus Leibniz including Leibniz\'s unpublished manuscripts on the Principia, Oxford 1993.
[4] G.W. Leibniz: Nachgelassene Schriften physikalischen, mechanischen und technischen Inhalts, Leipzig 1906 (Nachdruck 1995)
Leibniz, Gottfried Wilhelm
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