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Funktionentheorie

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Karl-Wilhelm Steinfieber

Mathematische Methoden und Computereinsatz, Teilgebiet der Mathematik, das sich mit den prinzipiellen Eigenschaften von Funktionen beschäftigt. Es teilt sich in zwei Zweige: die Theorie der Funktionen mit reellen Variablen und die Theorie der Funktionen mit komplexen Variablen. Erstere hat ihren Ursprung bereits in der klassischen Analysis, wo man überwiegend stetige Funktionen untersuchte. In der zweiten Hälfte des 19. Jh. wandte man sich dann allgemeineren Funktionenklassen zu und studierte Probleme wie Integration und Differentiation, die Definition von Funktionen als Grenzwert, die Länge von Kurven usw. Es zeigte sich, dass die klassischen Methoden nicht länger ausreichten und eine neue Fundierung der Analysis auf mengentheoretischer Grundlage gelegt werden musste. Bei der Entwicklung der Theorie der Funktionen mit komplexem Argument, die als die eigentliche Funktionentheorie betrachtet wird, sind historisch verschiedene Wege gegangen worden, die jedoch alle auf die gleiche Klasse der sog. analytischen (holomorphen) Funktionen führten. K. Weierstrass definierte analytische Funktionen über ihre Entwickelbarkeit in eine Potenzreihe in der Umgebung eines einzelnen Punktes; den Funktionswert an einem anderen Punkt erhält man dann durch analytische Fortsetzung in die komplexe Ebene entlang verschiedener Wege, die die beiden Punkte verbinden. Dabei stösst man unvermeidlich auf Singularitäten, die keine analytische Fortsetzung gestatten und das Problem von Funktionen aufwerfen, die in ihrem natürlichen Definitionsbereich mehrwertig sind, beispielsweise  w  = z1/2 oder  w  = ln z. Das Problem kann überwunden werden, wenn anstelle der komplexen Ebene ihr überlagerte Punktflächen, die Riemannschen Flächen, als Argumentbereiche benutzt werden. A.L. Cauchy ging bei seiner Theorie der analytischen Funktionen vom Konzept der Differenzierbarkeit aus. Er entwickelte die Integrationstheorie analytischer Funktionen, bewies den bedeutenden Residuensatz und den nach ihm benannten Integralsatz (Cauchyscher Integralsatz), und schuf das Konzept des Cauchy-Integrals

,

das den Funktionswert einer analytischen Funktion durch die Funktionswerte entlang eines geschlossenes Weges G um z, wobei innerhalb des Weges keine singulären Punkte liegen, ausdrückt. Da komplexe Funktionen auf reelle Funktionen zurückführbar sind, stellt sich die Frage, ob sich aus der partiellen Differenzierbarkeit der reellen Komponenten auf die komplexe Differenzierbarkeit und damit auf die Holomorphie einer komplexen Funktion schliessen lässt. Benutzt man komplexe Variablen z = x + iy und , kann jede Funktion  w  = f(x,y) = u(x,y)+i v (x,y) zweier Veränderlicher x und y als Funktion von z und  ausgedrückt werden. Analytisch ist sie dann, wenn die Cauchy-Riemannschen Bedingungen erfüllt sind, die fordern, dass  w  = u(x,y)+i v (x,y) stetig partiell differenzierbar ist und überall im Gebiet D, auf dem die komplexe Funktion definiert ist, die Differentialgleichungen


(Cauchy-Riemannsche Differentialgleichungen) erfüllt sind. Ein entscheidender Punkt für B. Riemann war die Tatsache, dass durch bestimmte Abbildungseigenschaften analytischer Funktionen die Eigenschaft der Holomorphie der Eigenschaft der sog. Konformität äquivalent ist. Die Verbindung zwischen analytischen Funktionen und konformen Abbildungen eröffnete die Möglichkeit, zahlreiche Probleme der mathematischen Physik zu lösen. Die Zusammenfassung aller Aspekte gibt der Funktionentheorie eine beeindruckende Geschlossenheit, die auch Fragen beantwortet, die in der Theorie der reellen Funktionen offen bleiben. [UK]

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