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Betazerfall

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Martina Wagner

b-Zerfall, Sammelbezeichnung für verschiedene miteinander verwandte Prozesse der schwachen Wechselwirkung, die unter Beteiligung von Elektronen oder Positronen ablaufen. Dabei erfolgt durch Austausch eines W-Bosons der Übergang von einem Down-Quark in ein Up-Quark oder umgekehrt (Abb. 1).

Der Betazerfall tritt sowohl bei der natürlichen Radioaktivität als auch bei künstlichen Kernumwandlungen auf; zuerst wurde er beim natürlichen radioaktiven Zerfall von Atomkernen beobachtet (b - -Zerfall). Bei diesem Prozess, dem einfachsten und am besten verstandenen Betazerfall, geht ein Neutron in ein Proton, ein Elektron und ein Antineutrino über (Abb. 1a):

Betazerfall.

Der Mutterkern Betazerfall verwandelt sich dabei in den Tochterkern Betazerfall, also z.B. Betazerfall. Auch ein freies isoliertes Neutron unterliegt dem b - -Zerfall.

Das Neutrino im Endzustand wurde zunächst von W. Pauli 1930/31 als Hypothese eingeführt, um das gemessene kontinuierliche Elektronspektrum des Betazerfalls zu erklären. Da man nur den rückstossenden Kern und das Elektron beobachten konnte, erwartete man eigentlich scharfe Elektronenergien wie bei einem typischen Zweikörperzerfall. 25 Jahre später konnte das Antineutrino tatsächlich experimentell nachgewiesen werden.

Dem b - -Zerfall verwandt sind zwei weitere Zerfallsprozesse, die durch ein Elektron-Neutrino-Paar charakterisiert sind:

a) Der Positron- oder auch b + -Zerfall

Betazerfall

wurde von I. Curie und F. Joliot 1934 bei ihrer erstmaligen Erzeugung künstlicher Radioaktivität entdeckt (Abb. 1b). Der Mutterkern Betazerfall verwandelt sich beim b + -Zerfall in den Tochterkern Betazerfall, also z.B. Betazerfall. Es sei erwähnt, dass das freie Proton sich nicht über einen Betazerfall in ein Neutron umwandeln kann, weil letzteres das schwerere Teilchen ist.

b) Den Einfang eines Elektrons aus der K-Schale der Atomhülle in den Kern konnte L. Alvarez 1938 nachweisen. Beim Elektroneneinfang tritt ein Proton eines protonenreichen Kerns mit einem Hüllenelektron der K-, L- oder M-Schale in Wechselwirkung; dabei bilden sich ein Neutron und ein Neutrino (Abb. 2). Analog zum b + -Zerfall ändert sich der Kern gemäss Betazerfall, also z.B. e -  + 37Ar Betazerfall 37Cl + ne. Im Fall des Elektroneneinfangs tritt im Ausgangskanal kein geladenes Teilchen auf, aber das Tochteratom weist notwendigerweise in einer der inneren Schalen eine Leerstelle auf, die durch ein Elektron einer höheren Schale aufgefüllt wird, worauf charakteristische Röntgenstrahlen des Tochteratoms oder Auger-Elektronen emittiert werden.

Der b + -Zerfall und der Elektroneneinfang sind miteinander konkurrierende Prozesse. Mit wachsender Kernladungszahl kommen die innersten Elektronen dem Kern immer näher, daher überwiegt der Elektroneneinfang bei den schwersten Kernen gegenüber dem b + -Zerfall völlig.

Zur Klärung des Problems der Neutrinomassen sind zwei Formen des doppelten Betazerfalls von besonderem Interesse, der sich bei Isotopen beobachten lässt, bei welchen aus energetischen Gründen keine anderen Zerfallsprozesse, also insbesondere kein einfacher b-Zerfall möglich ist. Als Prozess mit zwei masselosen Dirac-Neutrinos im Endzustand (2nbb-Zerfall) konnte der doppelte Betazerfall im Übergang Betazerfall mit einer Lebensdauer von 1020a beobachtet werden. Dieser Fall entspricht der üblichen Neutrino-Beschreibung im Standardmodell. Weitaus interessanter ist der hypothetische neutrinolose doppelte Betazerfall (0nbb-Zerfall), nach dem experimentell gesucht wird. Er ist nur möglich, wenn Neutrino und Antineutrino in einem gewissen Sinne identisch sind (Majorana-Neutrino), und wenn entweder das Neutrino nicht masselos ist oder aber der leptonische Strom eine (1 + g5)-Komponente enthält (Neutrino).

Eine erste Theorie des Betazerfalls stellte E. Fermi (1934) auf. Fermis quantenfeldtheoretischer Ansatz zur Berechnung der Zerfallswahrscheinlichkeiten und des Energiespektrums der Elektronen, der vor der Entdeckung der Austauschbosonen im Rahmen des Glashow-Weinberg-Salam-Modells entwickelt wurde, führte zur Beschreibung der schwachen Wechselwirkung die phänomenologische Lagrange-Dichte

Betazerfall

ein, die die punktförmige Wechselwirkung eines schwachen hadronischen Stroms mit einem analog konstruierten leptonischen Strom enthält (Fermi-Theorie). Mit Hilfe statistischer Überlegungen leitete Fermi die Zerfallsrate erlaubter Übergänge pro Elektron-Energieintervall

Betazerfall

ab, wobei p und E Elektronimpuls bzw. -energie sind, F(Z,E) die Coulomb-Wechselwirkung berücksichtigt und die Übergangsmatrix M sich prinzipiell aus dem Drehimpuls L ergibt. Für erlaubte Übergänge (kein Bahndrehimpulsübertrag) ist die Form des Elektronspektrums nur durch den Phasenraum der Leptonen und Coulomb-Einflüsse bestimmt, d.h. M ist konstant. In diesem Falle weist die Grösse Betazerfall als Funktion von E ein lineares Verhalten auf; ihre graphische Darstellung ist eine Gerade (Kurie-Plot).

Eine überraschende Erscheinung wurde 1958 gefunden, als sich zeigte, dass b-Zerfallsprozesse nicht invariant gegen Raumspiegelung (Paritätsverletzung) sind. [HG1, UK]

Betazerfall

Betazerfall 1: a) Vier-Fermionen-Wechselwirkung; b) Austausch auf Nukleonen-, c) auf Quarkebene.

Betazerfall

Betazerfall 2: Schematische Darstellung des Elektroneneinfangs.

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