Begriff für einen im Idealfall materiefreien Raum. In der Praxis ist ein V. eine Kammer (Rezipient) mit stark verminderter Gasdichte. V. wird in der Regel mit Hilfe von Vakuumpumpen erzeugt. Bezeichnet man auf der Erde jeden Druck als V. , der unterhalb des herrschenden Atmosphärendruckes (Atmosphäre) liegt, so lassen sich vier technische Arbeitsbereiche unterscheiden: Grobvakuum zwischen 1000 und 1 mbar (Millibar) (bar), Feinvakuum von 1 bis 10~3 mbar, Hochvakuum von 10-3 bis 107 mbar, daran schließt das Ultrahochvakuum (UHV) an.
1) Essay Vakuum; 2) physikalisch-technisch Bezeichnung für einen gaserfüllten Raum mit Drücken (deutlich) unter Atmosphärendruck. Man unterscheidet in der Vakuumtechnik die Bereiche Grobvakuum, Feinvakuum, Hochvakuum und Ultrahochvakuum (Höchstvakuum, siehe Tab.), sollte aber beachten, dass die in der Astronomie in der interplanetaren Materie, interstellaren Materie und intergalaktischen Materie auftrenden Drücke zum Teil um viele Grössenordnungen unter den besten in irdischen Labors zu erzeugenden Vakua herrschen.
Zur Erzeugung eines Vakuums werden je nach Anwendung und Druckbereich verschiedene Formen von Vakuumpumpen eingesetzt. Bei allen Arbeiten im Vakuum ist auf den Ausschluss von Fremdstoffen, insbesondere aus Treibmitteln, zu achten. Besonders bei sehr niedrigen Drücken ist die Überwachung des Drucks im Vakuumbehälter schwierig (Vakuummeter).
Auf Grund der endlichen Nullpunktsenergie und der Vakuumpolarisation ist auch ein völlig gasfreies Vakuum nicht »leer«, sondern mit virtuellen Teilchen erfüllt (Vakuumzustand, Essay Vakuum).
Teilchenphysik1 Einleitung
Eine der ältesten naturwissenschaftlichen Fragen, die noch heute die Physik beschäftigen, ist die nach dem leeren Raum. Ist der Raum mit einer Bühne vergleichbar, auf der Dinge auftreten können, aber nicht müssen? Und kann der Raum, unbeeinflusst von den Dingen, die in ihm auftreten, immer derselbe sein? Die Antwort der Physik auf beide Fragen ist ein klares Nein. Die Quantenmechanik lässt einen im Wortsinn leeren Raum nicht zu, und nach Auskunft der Allgemeinen Relativitätstheorie wird der Raum durch die in ihn eingebrachten Dinge beeinflusst, nämlich gekrümmt. Die endgültige Antwort auf die Frage nach der Natur eines Raumes, der so leer ist wie mit den Naturgesetzen vereinbar, steht aber noch aus. Denn sie kann nur eine Theorie geben, die Quantenmechanik und Allgemeine Relativitätstheorie vereinigt und eine solche, sowohl konsistente, als auch experimentell im Detail überprüfte Theorie gibt es bis heute nicht.
2 Historisches
2.1 Von den Vorsokratikern zur Wissenschaftlichen Revolution
Die Frage nach der
Möglichkeit eines leeren Raumes haben im Abendland zuerst die griechischen
Philosophen vor Sokrates die Vorsokratiker gestellt. Ihr Ausgangspunkt war
noch nicht die naturwissenschaftliche Frage nach dem leeren Raum, sondern die
allgemeinere philosophische nach dem Nichts ob es gedacht werden kann. Vor
demselben philosophischen Hintergrund haben sich dann Empedokles (um 433
v.Chr.) und Leukipp (um 450 bis etwa 420 v.Chr.) sowie Demokrit (um 460 bis
etwa 370 v.Chr.) der Frage nach dem leeren Raum zugewandt. Zu deren Positionen
sollte in den Auseinandersetzungen um das Leere jahrtausendelang keine grundsätzlich
neue hinzutreten. Mit Empedokles werden die Plenisten behaupten, dass es
(Theophrast (um 372 bis etwa 287 v.Chr.), zitiert nach [3], S. 222) ȟberhaupt
keinen leeren Raum gäbe«. In des Empedokles eigenen Worten (nach [3], S. 222):
»Im All gibt es nirgends einen leeren Raum, noch einen, der übervoll wäre«. Zur
Untermauerung seiner These hat Empedokles sein berühmtes Klepshydra-Experiment
(siehe [4]Abb. 1) gedient. Nahezu gleichzeitig
mit ihm haben die Atomisten Leukipp und Demokrit ihre der seinen entgegengesetzte
These des Atomismus verkündet. Demokrit (nach [3], S. 399): »In Wirklichkeit
gibt es nur die Atome und den leeren Raum«.
Wie später Isaac Newton für die Bewegungen seiner Himmelskörper, brauchten die Atomisten den leeren Raum für die Bewegungen ihrer Atome. Für uns bilden die Bewegungen im leeren Raum die einfachste vorstellbare Form einer Bewegung. Sieht man aber von zeitlich und räumlich eng begrenzten Zwischenspielen ab, wurde die Idee einer Bewegung im leeren Raum zusammen mit der des leeren Raumes selbst nach der Zeit der griechischen Atomisten für nahezu 1500 Jahre verworfen. Hauptgrund war, dass das System des Aristoteles die Existenz eines leeren Raumes nicht zuliess. Dieses System und mit ihm die Leugnung des Leeren, hat die Naturphilosophie des Abendlandes bis zur Wissenschaftlichen Revolution, die um 1550 begann, beherrscht.
Natürlich nicht ohne Auseinandersetzungen. Worum es bei der Frage nach dem Leeren sachlich ging, hat Albert Einstein so ausgedrückt (Vorwort zu [17], S. XIII): »Man kann diese beiden begrifflichen Raumauffassungen einander gegenüberstellen als a) Lagerungsqualität der Körperwelt [und] b) als Behälter aller körperlichen Objekte. Im Fall a) ist Raum ohne körperliche Objekte undenkbar. Im Fall b) kann ein körperliches Objekt nicht anders als im Raum gedacht werden; der Raum erscheint dann als eine gewissermassen der Körperwelt übergeordnete Realität.« Die naturphilosophischen Auseinandersetzungen um das Leere wurden unmittelbar nach Aristoteles durch seine Schüler und Nachfolger als Häupter der von ihm begründeten Akademie, Theophrast und Straton (um 269 v.Chr. verstorben), fortgesetzt. Theophrast ganz im Sinn des Aristoteles erkennt dem Raum keine Realität zu, sondern denkt, dass der vermeintliche Raum (Theophrast-Zitat nach [24], S. 380) »durch Lage und Ordnung der Körper« bestimmt sei. Laut Straton hingegen (nach [28], S. 85) »existieren kleine Vakua verstreut in der Luft, im Wasser, im Feuer und in anderen Körpern«. Im 13.Jh. hat die Kirche die Doktrin des Aristoteles übernommen, dass es keinen leeren Raum geben könne. Diese durch Thomas von Aquin (um 1225-1274) wesentlich mitbestimmte Neuorientierung entsprang (auch) der Auffassung, dass leerer Raum nutzlos sei, und dass Gott keine nutzlosen Werke erschaffen habe. Am Ende dieser Form der Auseinandersetzungen um das Leere stand die Kontroverse zwischen Isaac Newton und Gottfried Wilhelm Leibniz, in der Newton die Behälter-, Leibniz die Lagerungsqualität des Raumes vertrat (z. B. [27]).
Die Frage nach dem leeren Raum hatte nicht nur philosophische, sondern auch experimentelle Aspekte: Warum fliesst das Wasser im Klepshydra-Experiment des Empedokles nicht aus, bevor der Eingang für die Luft freigegeben wird, und warum steigt der Trunk im Trinkhalm nach oben? Als Antwort hat sich ein Wort eingestellt das Wort vom horror vacui, von der Abscheu der Natur vor dem Leeren. Die Natur erlaubt es laut der hiermit verbundenen Doktrin nicht, dass ein leerer Raum ein Vakuum entsteht, und verhindert das, obwohl unbedingt, mit den mildesten ihr jeweils zur Verfügung stehenden Mitteln: Statt dass der Trinkhalm zerbricht, steigt der Trunk in ihm in die Höhe; und so weiter. Wie es tatsächlich ist, muss ich den Benutzern dieses Lexikons nicht erklären dass wir, wie es der Schüler von Galileo Galilei und Entdecker der Möglichkeit eines Vakuums Evangelista Torricelli formuliert hat (nach [25], S. 337), »untergetaucht auf dem Grund eines Meeres von elementarer Luft« leben, so dass (mit einer mir bekannten Ausnahme) der äussere Luftdruck für alle Phänomene verantwortlich ist, zu deren Begründung der horror vacui herhalten musste. Die Ausnahme ist das Zerplatzen von Behältern, in denen Wasser gefriert: Als selbstverständlich wurde angenommen, dass Wasser sich beim Gefrieren zusammenzieht, so dass ein Vakuum entstünde, wenn die Natur den Behälter nicht zerdrückte. Tatsächlich dehnt sich Wasser beim Gefrieren aus und zersprengt den Behälter.
2.2 Aufschwung der Naturwissenschaften ab der Wissenschaftlichen Revolution durch die Anerkennung des Leeren
Wir wissen heute, dass
es keinen im Wortsinn leeren Raum geben kann. Der Aufschwung der
Naturwissenschaften in der Wissenschaftlichen Revolution beruhte aber auch
darauf, dass diese an sich richtige Idee beiseite gelegt wurde. Denn die
Prozesse, die überhaupt Gegenstand einer naturwissenschaftlichen Erklärung
durch die Forscher der Wissenschaftlichen Revolution bis spät ins 19.Jh. hinein
sein konnten, laufen unabhängig davon ab, ob der Raum, in dem sie sich
ereignen, absolut leer oder nur so leer ist, wie es die heutige Physik erlaubt.
Das Beiseitelegen war einer der folgenreichsten Schritte der Wissenschaftlichen
Revolution. Erst durch ihn ist es nach dem Vorbild der frühen Atomisten und
Vertreter des Leeren wieder denkbar geworden, dass sich Körper wie die Himmelskörper
Isaac Newtons oder die Atome des modernen Atomismus von James Clark Maxwell und
Ludwig Boltzmann frei im Raum bewegen. Ermöglicht haben den Schritt die
experimentellen Ergebnissen der Evangelista Torricelli (siehe [5]Abb. 2), Blaise Pascal (siehe [6]Abb. 3) und Otto von Guericke (siehe [7]Abb. 4), nach denen keiner mehr
eigentlich auch Rene Descartes nicht, der aber auf seinem entgegengesetzten
Standpunkt beharrte behaupten konnte, etwas anderes als der äussere Luftdruck
(und die Ausdehnung des Wassers beim Gefrieren) sei für die Phänomene
verantwortlich, die auf dem horror vacui beruhen sollten. Jedes Phänomens
beraubt, für das der horror vacui verantwortlich gemacht werden konnte, ist er
bald auch als Idee untergegangen. Der Raum mochte leer sein können oder eine
feine, alles durchdringende Substanz namens Äther enthalten müssen merkliche
mechanische Wirkungen konnte diese Substanz nicht besitzen. Newton, um den
Himmelskörpern freien Flug durch den Raum zu ermöglichen, hat angenommen, dass
dieser wirklich und im Wortsinn leer ist. Damit hat er sich zwei Probleme
eingehandelt. Erstens musste er sich der Frage stellen, wie und wodurch die
Schwerkraft durch den leeren Raum übertragen werden kann. Hierauf hat er
geantwortet, dass er keine Hypothesen ersinne. Die zweite Schwierigkeit liegt in
dem harmlos daherkommenden Gesetz I seines Hauptwerks [21], S. 33, verborgen:
»Jeder Körper verharrt in seinem Zustand der Ruhe oder des
Sich-geradlinig-gleichförmig-Bewegens, ausser insoweit wie jener von
eingeprägten Kräften gezwungen wird, seinen Zustand zu verändern.« Um aber Ruhe
unabhängig von Newtons Gesetz I definieren zu können, bedarf es eines
Bezugssystems, relativ zu dem die Körper ruhen. Newton verwirft mit dem Äther
die Idee, dass ein materielles Bezugssystem existiere, mit dessen Hilfe absolute
Ruhe definiert werden könnte. Statt dessen versucht er, absolute Ruhe als Ruhe
relativ zu seinem absoluten Raum zu definieren und das gelingt ihm nicht,
weil es nicht gelingen kann. Mit den Worten ([21], S. 32) »Jedoch ist die Sache
nicht ganz aussichtslos« überträgt er die Aufgabe der Definition einer
absoluten Ruhe seinen Gesetzen. Doch die schreiben zwar der Änderung des
Zustands der Ruhe allgemeiner: des Zustands des
Sich-geradlinig-gleichförmig-Bewegens einen beobachtbaren Effekt zu, nicht
aber dem Zustand selbst. Seit Newton rätselt die Naturphilosophie darüber, wie
der Änderung einer Eigenschaft der Geschwindigkeit ein objektiver Sinn
zukommen kann, wenn diese selbst keinen objektiven Sinn besitzt. Unter dem
Namen Relativitätsprinzip ist dessen ungeachtet die Unbeobachtbarkeit einer
absoluten Geschwindigkeit über Newtons Gesetze hinaus zu einer bemerkt sei:
überragend erfolgreichen Forderung an die fundamentalen Naturgesetze erhoben
worden.
Dass man dem Raum, insbesondere dem leeren, physikalische Realität zuschreiben soll, nennt Albert Einstein eine ([7], S. 107) »harte Zumutung«. Im Widerspruch zum Programm der mechanistischen Philosophie (z. B. [4]), deren Anhänger er war, sah Newton sich genötigt, mit seinem absoluten Raum ein Objekt einzuführen, dessen Wirkungen nicht auf Berührung und Stoss zurückgeführt werden können genau wie kein Mechanismus angegeben werden kann, der die Übertragung der Schwerkraft durch Newtons leeren Raum hindurch bewirkte. Zwar nicht auf die Geschwindigkeit, wohl aber auf die Beschleunigung wirkt der Raum laut Newton ein. »Dies physikalisch Reale, welches (...) in das Newtonsche Bewegungsgesetz eingeht«, bezeichnet Albert Einstein als ([6], S. 87-89) »Äther der Mechanik«. Statt vom »Äther«, so Einstein weiter, »könnte man ebensogut von physikalischen Qualitäten des Raumes sprechen«. Obwohl Newtons absoluter Raum wirkt, kann auf ihn in keiner Art und Weise eingewirkt werden; er bleibt unbeeinflussbar immer derselbe. Auf diesem Missverhältnis beruht Einsteins wohl wichtigster intuitiver Einwand gegen Newtons absoluten Raum (Einstein-Zitat nach [2], S. 38): »Es widerstrebt dem wissenschaftlichen Verstande, ein Ding zu setzen, das zwar wirkt, auf welches aber nicht gewirkt werden kann«.
Ersonnen wurden feine Substanzen wie der Äther, um Räume anzufüllen, die ohne sie leer wären. Pneuma nannten die Stoiker, die Philosophen der Stoa, die von Zenon von Kition (um 334 bis 262 vor Christus) begründet worden ist, eine derartige Substanz, die allgegenwärtig sein und dadurch die weit von einander entfernten Welten, an deren Existenz sie glaubten, zusammenhalten sollte. Diejenigen, die viel später entgegen Newton und mit Christiaan Huygens an die Wellennatur des Lichtes glaubten, wiesen dem Äther als physikalische Hauptaufgabe zu, Träger der Lichtwellen zu sein. Seine Verdichtungen und Verdünnungen wurden auch für die Erscheinungen der Elektrizität verantwortlich gemacht.
Mit den wachsenden naturwissenschaftlichen Kenntnissen wuchsen natürlich auch die Anforderungen an den Äther. Konnten elektromagnetische Wellen, die sich mit der Lichtgeschwindigkeit ausbreiten, Schwingungen eines Äthers sein, der den Bewegungen der Himmelskörper und Atome keinen bemerkbaren Widerstand entgegensetzt? Behielt man die von Substanzen wie Luft oder Wasser bekannten Zusammenhänge zwischen Dichte, Elastizität und Ausbreitungsgeschwindigkeit von Wellen bei, musste der Äther erstaunliche Eigenschaften besitzen. Leonhard Euler, der fest an die Existenz und Allgegenwart des Äthers glaubte, wusste um einige dieser Zusammenhänge ([8], S. 24): »Wir wollen uns vorstellen, die Dichtigkeit der Luft würde so sehr verringert, und ihre Elasticität so sehr vermehrt, dass sie der Dichtigkeit und der Elasticität des Äthers gleich wäre: so würden wir uns alsdann nicht mehr wundern, dass die Geschwindigkeit des Schalls mehrere tausendmal grösser würde, als sie jetzt ist«. Die Existenz einer solchen Substanz hat er offenbar für möglich, wenn auch für erstaunlich gehalten: »Wenn man demnach fragt, warum das Licht sich mit einer so ungeheuren Geschwindigkeit bewegt, so antworten wir, dass die Ursache in der äussersten Feinheit des Äthers, zusammen genommen mit seiner erstaunlichen Elasticität liege« (meine Hervorhebung). Den Äther will Euler übrigens auch für die Wirkungen der Schwerkraft verantwortlich machen; er weiss nur nicht, wie. »Die Körper« schreibt er ([8], S. 74) »bewegen sich so, als wenn sie einander anzögen«. Und: Es scheint »vernünftiger zu seyn, der Wirkung des Äthers die gegenseitige Anziehung der Körper zuzuschreiben, wenn man auch die Art dieser Wirkung nicht einsieht, als zu einer ganz unverständlichen Eigenschaft seine Zuflucht zu nehmen« gemeint ist die Fernwirkung durch den leeren Raum hindurch, die bereits Newton in einem Brief an Reverend Dr. Bentley kraftvoll abgelehnt hatte (nach [18], S. 163): »Dass ein Körper über eine Entfernung hinweg durch ein Vakuum hindurch auf einen anderen ohne Vermittlung von etwas wirken sollte, von dem und durch das die Wirkung und Kraft vom einen auf den anderen übertragen würde, ist für mich ein absurder Gedanke«.
2.3 Von der mechanistischen zur mathematischen Weltsicht
Es ist heute schwer vorstellbar, einen wie grossen Schritt die Elimination des Äthers aus der Vorstellungswelt der Physiker um 1900 bedeutete. Experimentell sozusagen abgeschafft wurde der Äther durch die Messungen der Lichtgeschwindigkeit in verschieden ausgerichteten Apparaten durch Albert Abraham Michelson und Edward Williams Morley (1838-1923) im späten 19.Jh. (Michelson-Morley-Experiment). Deren Ergebnis war, dass zumindest der lokale Äther die Reise der Erde um die Sonne mitmachen muss eine ans absurde grenzende Folgerung. Ohne die Vorstellung vom Äther kam die Theorie 1905 wieder ins Lot durch Albert Einsteins Spezielle Relativitätstheorie. Aber zugleich mit der Abschaffung des Äthers hat sich ein grundsätzlicher Wandel der Weltsicht der Physiker vollzogen das mathematische Universum ist an die Stelle des mechanistischen getreten.
Schon vor den Messungen von Michelson und Morley jedoch konnte die Äthertheorie nur schwer mit den erreichten physikalischen Erkenntnissen in Einklang gebracht werden. Durch die 1873 von Maxwell gefundenen und nach ihm benannten Gleichungen für Elektrizität und Magnetismus (Maxwell-Gleichungen) wurden die Schwierigkeiten einer jeden Äthertheorie bis zur Schmerzgrenze verstärkt und trat zugleich deren Notwendigkeit zur Rettung des mechanistischen Weltbildes deutlicher hervor. Die Schwierigkeiten hat Heinrich Hertz, Entdecker der elektromagnetischen Wellen und Anhänger der Äthertheorie, in seiner Vorlesung [14] von 1884 ausführlich beschrieben. Um mit dem internen Widerspruch dessen, was er physikalisch wusste und mechanistisch interpretieren zu müssen glaubte, leben zu können, hat er eine private Wissenschaftstheorie entwickelt, die zwischen den »Thatsachen der Natur« und den »Schwierigkeiten, welche der menschliche Verstand findet, sie zu begreifen« unterscheidet ([14], S. 32). Er wiederholt die Betrachtungen Eulers zur Dichte und Elastizität einer Substanz bei ihm Wasser , und findet ([14], S. 53), dass er zur Erreichung der Lichtgeschwindigkeit die »Unwahrscheinlichkeiten« so auf Dichte und Elastizität des Äthers verteilen kann, dass dieser 200 000mal dünner sei als Wasser und doch bei der Zusammendrückung einen 200 000mal grösseren Widerstand ausübe als dieses, das selbst ja »fast incompressibel« ist.
Nicht nur als unwahrscheinlich, sondern sogar als widerspruchsvoll erschienen Hertz die Konsequenzen einer Eigenschaft des Lichtes, die zu Eulers Zeiten noch unbekannt war, die Transversalität der Schwingungen ([14], S. 55): »Transversalwellen sind nur in festen elastischen Körpern möglich. (...) Also, der Äther verhält sich wie ein fester Körper und doch eilen die Planeten durch ihn hindurch (...) ohne auch nur einen Widerstand zu erfahren? Und die zarten Kometen desgleichen! Das ist nicht bloss unbegreiflich, (...) es ist widerspruchsvoll«. Die Transversalität der Lichtwellen, von Etienne Louis Malus im Jahr 1808 entdeckt, war für Hertz nicht einfach eine experimentelle Tatsache, sondern v.a. eine Konsequenz der Maxwellschen Gleichungen, über die er sich in Ansehung der Schwierigkeiten, sie mechanisch zu interpretieren, so geäussert hat ([13], S. 23; zitiert nach [5], S. 101): »Auf die Frage (...) was ist die Maxwellsche Theorie? wüsste ich (...) keine kürzere und bestimmtere Antwort als diese: die Maxwellsche Theorie ist das System der Maxwellschen Gleichungen« ob es nun einen Äther gibt oder nicht. Mit diesem Satz ist Hertz bei der mathematischen Weltsicht angekommen.
3 Grundzustände die Vakua der Physik
3.1 Raumerfüllung durch Materie oder Felder
Die sozusagen
Materie der Materie füllt höchstens einen winzigen Bruchteil des Raumes, den
sie einzunehmen scheint, aus. Der Bohrsche Radius eines Wasserstoffatoms also
dessen Radius im Grundzustand beträgt Meter, die Avogadrosche Zahl ist
Moleküle pro mol, und 1 mol eines idealen
Gases nimmt
Kubikmeter ein, so dass jedem Wasserstoffatom
eines idealen einatomigen Wasserstoffgases unter Normalbedingungen das 40fache
seines eigenen Volumens in dem Gas als »leerer« Raum zur Verfügung steht. Den
ganzen Raum scheint das Gas nur deshalb auszufüllen, weil seine Atome
ungeordnet hin- und herflitzen und dadurch Druck auf die Wände des Behälters
ausüben.
Aber auch die Atome
erfüllen den Raum, den sie einzunehmen scheinen, nur zu einem winzigen
Bruchteil. Die Atome einer massiven Probe grenzen mit ihren Atomhüllen
aneinander. Die Teilchen der Hüllen sind Elektronen, und diese sind so klein,
dass bisher nicht gesagt werden kann, ob sie überhaupt eine Ausdehnung besitzen:
Sie sind höchstens Meter gross, können also auch Punktteilchen
sein. Die Kerne der Atome, in denen nahezu ihre ganze Masse versammelt ist,
sind um etwa den Faktor
kleiner als die Atomhüllen auf die
Raumerfüllung umgerechnet ergibt dies den noch imposanteren Faktor
, um den
die Atomkerne kleiner sind als die Atome insgesamt. Sind nun wenigstens die
Kerne so massiv erfüllt, wie es scheint? Nein. Die Protonen und Neutronen der
Kerne ihre Abmessungen stimmen ungenau genommen mit denen der Kerne überein
mögen noch so eng gepackt sein, wichtig ist am Ende nur, dass auch ihre massiven
Bestandteile, die Quarks, Teilchen sind, für deren Abmessungen wir, wie für die
Elektronen, nur Obergrenzen kennen, die verglichen mit dem Radius des Kerns
winzig sind: Auch die Quarks sind höchstens
Meter gross und können Punktteilchen sein.
Wahrlich, die Massen, die der Materie ihre Masse verleihen, nehmen nur einen
unerkennbar kleinen Bruchteil ihres Volumens ein. Sieht man auf nichts als die
massiven Teilchen, ist die massive Materie zumindest nahezu leer. Ihre
Ausdehnung verdankt sie nicht den massiven Teilchen, sondern deren Feldern
die Atomhülle den elektromagnetischen, die Elementarteilchen und die Atomkerne den
gluonischen. Die Quantenmechanik fügt zu dieser im wesentlichen klassischen
Betrachtung den Aspekt hinzu, dass auch die Wellenfunktionen der Teilchen des
Atoms sowie des Kerns die ihnen zugänglichen Raumbereiche ausfüllen.
3.2 Das Vakuum der Chemie
Prinzipiell spricht
nichts dagegen, dass aus einem makroskopischen Raumbereich alle Atome und
damit auch Moleküle entfernt werden. Ist das erreicht, wollen wir vom »Vakuum
der Chemie« sprechen. Ein solches Vakuum herrscht im interstellaren Raum in der
Scheibe der Milchstrasse. Dort ist jedes Molekül von seinem nächsten Nachbar
eine makroskopische Distanz, im Mittel etwa einen Zentimeter, entfernt. In
unseren makroskopischen Bereichen befinden sich mit einigen Zehnerpotenzen mehr
oder weniger stets um die Moleküle; am Boden sind es
Moleküle pro Kubikzentimeter. Kein Wunder
also, dass es ausnehmend schwer ist, durch technische Mittel einen Raum
herzustellen, der nicht mehr als
Moleküle pro Kubikzentimeter (Druck:
Millibar) enthält. Das aber ist gelungen; und
darum geht es uns nicht.
Seien also aus einem
Raumbereich alle Moleküle entfernt. Ist er bereits deshalb leer, also ein
physikalisches, statt nur ein chemisches Vakuum? Natürlich nicht. Denn
unabwendbar enthält er jene Plancksche Wärmestrahlung, die seiner Temperatur
entspricht. Diese Strahlung definiert geradezu die Temperatur des Hohlraums, so
dass von einem Raum, der so leer ist wie mit den Naturgesetzen vereinbar, erst
in dem Grenzfall gesprochen werden kann, in dem die Temperatur des Raumbereichs auf die (unerreichbare)
Temperatur Absolut Null minus 273 Grad Celsius abgesenkt wurde. Was bei
dieser Temperatur bleibt, ist der leerste Raum, den die Naturgesetze zulassen
und der ist im Wortsinn keinesfalls leer (siehe [8]Abb. 5).
3.3 Hohlraum- und Nullpunktstrahlung
Die Energie dE der pro Volumen dV und Frequenzbereich dn bei der Temperatur T in einem Raumbereich enthaltenen Strahlung beschreibt Plancks Formel (Plancksche Strahlungsformel)
Hierin steht für die Lichtgeschwindigkeit und
für den wie wir heute wissen
Erwartungswert
der Energie eines
harmonischen Oszillators mit der Frequenz im thermischen Gleichgewicht bei der
Temperatur
. In der
Formel bedeutet
die Plancksche Konstante und
Boltzmanns Umrechnungsfaktor von Energie in
Temperatur. Als Erwartungswert
der Energie eines harmonischen Oszillators bei
der Temperatur
erhalten wir dessen Nullpunktsenergie
wie es sein muss. Wir erhalten
als Grenzwert der Energie der in einem Raumbereich enthaltenen elektromagnetischen Strahlung pro Volumen dV und pro Frequenzbereich dn beim Übergang von endlichen Temperaturen zur Temperatur absolut Null. Eben dieses Resultat liefert auch die Beobachtung durch Extrapolation, wenn die Temperatur eines Hohlraums in Richtung der Temperatur absolut Null mehr und mehr abgesenkt wird.
Für die Rest- oder Nullpunktstrahlung in einem Hohlraum gibt es auch experimentelle Beweise. Z.B. kann die Van-der-Waals-Anziehung (Van-der-Waals-Wechselwirkung) von Atomen auf sie zurückgeführt werden. Ein zweiter experimenteller Beweis ist der Casimir-Effekt; von ihm weiter unten. Die elektromagnetische Nullpunktstrahlung erzwingt auch die Existenz von geladenen Teilchen im Vakuum, nämlich von Teilchen-Antiteilchen-Paaren, die insgesamt die Ladung Null tragen. Exotischere Beiträge bringen Quarks und Gluonen sowie möglicherweise geordnete Strukturen, unter ihnen die Higgs-Felder (Higgs-Mechanismus).
3.4 Alles voll Gewimmels
Unser Wissen von dem
Raum, der so leer ist wie mit den Naturgesetzen vereinbar, beruht auf der
Speziellen Relativitätstheorie und der Quantenmechanik. Die Quantenmechanik für
sich allein liefert die Unschärferelationen als die wohl wichtigsten
Ingredienzen unseres Wissens um den leeren Raum, die Spezielle
Relativitätstheorie die Äquivalenz von Energie und Masse, und aus beiden zusammen
folgt das Theorem von der Antimaterie: Dass es nämlich zu jedem Teilchen ein
Antiteilchen gibt. Ein Teilchen und sein Antiteilchen sind
entgegengesetzt-gleich geladen, so dass sie zusammen genommen genau die
Eigenschaften des leeren Raumes besitzen können die Energie allerdings
ausgenommen. Da aber nach Auskunft der Unschärferelation zwischen Energie und
Zeit die Energie fluktuiert, können Teilchen-Antiteilchen-Paare für kurze
Zeiten aus dem Raum auftauchen und wieder in ihm verschwinden (siehe [9]Abb. 6). Analoges gilt für die
notwendigen Schwankungen des Impulses in begrenzten Gebieten. Damit auch der
Impuls zusammen mit der Energie schwanken kann, muss es »etwas« als deren Träger
geben seien es nun Paare massiver Elektronen und Positronen oder masselose
Photonen und Felder. Bereits deshalb kann es keinen im Wortsinn leeren Raum
geben.
In dem leersten Raum,
den die Physik kennt, tummeln sich also nicht nur elektromagnetische Strahlen,
sondern auch virtuelle Teilchen zusammen mit ihren Antiteilchen. Die Verbindungen
zwischen diesen Objekten werden durch Feynman-Graphen wie den der [10]Abb. 7 hergestellt: Ein Photon, wie
immer in diesem Essay durch eine Wellenlinie dargestellt, verschwindet, und
statt seiner entstehen ein Elektron und ein Positron. Den umgekehrten Prozess
kennt die Physik genauso wie diesen. Hinzu kommen dessen Verallgemeinerung auf
Gluonen statt der Photonen und auf Quarks und Antiquarks statt der Elektronen
und Positronen.
3.5 Die Räume der Allgemeinen Relativitätstheorie
Grundzustand heisst der Zustand eines physikalischen Systems, in dem dessen Energie so niedrig ist wie möglich. Was aber ist ein physikalisches System? Das kann erst die Theorie entscheiden. Nehmen wir zwei Protonen. Sie bilden nach Auskunft sowohl der klassischen Physik, als auch der nichtrelativistischen Quantenmechanik ein System, das verschiedene Zustände annehmen kann. Ihnen allen ist gemeinsam, dass es genau zwei Teilchen eben die beiden Protonen gibt. Der Grundzustand dieses Systems ist demnach der, in dem die Gesamtenergie zweier Protonen so niedrig ist wie möglich. In der Quantenfeldtheorie treten die beiden Protonen als Zustände eines von einer Lagrange-Funktion beschriebenen Systems auf, das beliebig viele Protonen und andere Elementarteilchen enthalten kann. Der Grundzustand dieses Systems ist also einer, in dem es keine realen, sondern nur virtuelle Teilchen gibt der Vakuumzustand, in dem alle Ladungen verschwinden.
Nun zu dem Versuch der
Übertragung dieser Begriffsbildungen auf den Raum, der so leer ist wie im
Einklang mit den Naturgesetzen möglich. Nach Auskunft der Allgemeinen
Relativitätstheorie krümmen Massen den Raum und wirkt der Raum auf Massen
dadurch zurück, dass er ihre Bewegungen beeinflusst. Wenn wir von lokalen
Effekten dieser Art absehen, bleibt nur das Universum insgesamt als Gegenstand
unserer Betrachtungen übrig. Angenommen sei, dass das Universum im Mittel
homogen und isotrop ist, es also keinen Ort und keine Richtung vor anderen
auszeichnet. Ob aber Universen dieser Art spezielle Zustände eines einzigen Systems
namens Universum sind, oder gar jedes von ihnen ein spezielles System
darstellt, kann erst nach Vorgabe eines theoretischen Rahmens entschieden
werden, und bleibt hier offen. Alle Universen dieser Art können durch die
Robertson-Walker-Metrik (RWM) beschrieben werden. Bis auf eine Konstante, die
üblicherweise heisst und die Werte
annehmen kann, und eine positive Funktion
der Zeit
ist die RWM durch die an sie gestellten
Forderungen der Homogenität und Isotropie festgelegt. Der Wert von
und die Funktion
können erst durch Eigenschaften des
beobachtbaren Universums sowie die Einstein-Gleichungen festgelegt werden
selbstverständlich unter der Annahme, die in die vorausgesetzte Homogenität
eingeht, dass das beobachtbare Universum für das ganze repräsentativ ist.
Wenn die von Einstein
eingeführte und alsbald verworfene kosmologische Konstante verschwindet, entscheidet der Zahlenwert von
sowohl über das künftige Schicksal des
Universums ob es für immer expandieren wird (k = -1
oder 0), oder ob es schlussendlich zusammenstürzen wird , als auch über seine
Krümmung: Bei
ist die Krümmung des Universums wie die eines
Sattels in zwei Dimensionen negativ, bei
ist es euklidisch und flach, und bei
besitzt es eine positive Krümmung wie die
Oberfläche einer Kugel in zwei Dimensionen. Was auch immer
sei, beschreibt
die Ausmasse des Universums, zum Beispiel durch
den Abstand zweier ausgewählter Galaxien(haufen) als Funktion der kosmischen
Zeit
.
Festhalten wollen wir
an dieser Stelle, dass »der Raum« der Allgemeinen Relativitätstheorie
keinesfalls ein eigenschaftsloses Nichts ist, in den Körper eingebracht oder
aus dem Körper entnommen werden können, ohne ihn zu ändern. Er selbst besitzt
Eigenschaften; und sogar zur Beschreibung eines homogenen und isotropen Raumes
zu einer Zeit der Gegenwart sind mindestens zwei Zahlen erforderlich,
nämlich die Werte von
und von
. Sie
aber reichen nicht aus, um das zukünftige (und frühere!) Schicksal des
Universums festzulegen. Der Druck
und die Materiedichte
als Funktionen der Zeit, die kosmologische
Konstante
sowie die gegenwärtige relative
Expansionsgeschwindigkeit die Hubble-Zahl
müssen hinzukommen.
Unter den Annahmen der
RWM gelten für und
die Einsteinschen Gleichungen in der Form
und
Wahl der Gegenwart als Zeit in der ersten Gleichung ergibt mit
der Definition der kritischen Materiedichte
die Beziehung
In den Gleichungen
steht für die Gravitationskonstante und
für die Lichtgeschwindigkeit. Inspektion zeigt,
dass ein nicht verschwindendes
genauso wirkt wie eine zusätzliche
Materiedichte
zusammen mit einem zusätzlichen Druck
. Der
Druck
und die Materiedichte
selbst stehen für den Druck und die
Energiedichte der »gewöhnlichen« Materie wie Galaxien, Staub, Neutrinos und
Strahlungsfelder all dessen, was aus Raumgebieten zumindest im Prinzip
entfernt werden kann. Nicht eingeschlossen in die sich aus
ergebende Energiedichte
ist der Beitrag der Gravitation selbst der,
klassisch gesprochen, negativen potentiellen Energie der Materie. Genau wenn
bei verschwindender kosmologischer Konstante die gegenwärtige Energiedichte
den speziellen Wert
besitzt, ist die Gesamtenergie des Universums
nun mit dem negativen Beitrag der Gravitation Null, und es kann sich
deshalb in Übereinstimmung mit der quantenmechanischen Unschärferelation
zwischen Energie und Zeit aus einer langlebigen Quantenfluktuation entwickelt
haben und weiter entwickeln. Die dritte der obigen Gleichungen zeigt, dass
weiterhin bei
genau in dem Fall das Universum insgesamt
flach ist, also
gilt. Ist
grösser oder gleich
, wird
das Universum für immer expandieren; wenn nicht, wird es schliesslich
kollabieren. Dass die kosmologische Konstante künftighin dieselbe bleiben wird,
gehört zu den Voraussetzungen dieser Folgerungen.
Die kosmologische
Konstante beschreibt den Beitrag des »leeren« Raumes zu Druck und Energiedichte
des Universums. Sie fasst unabhängig von deren Ursprung alle zur Metrik proportionalen Beiträge zum
Energie-Impuls-Tensor
des Universums zusammen. Ein Beitrag zu ihr
ist Einsteins ursprüngliche kosmologische Konstante, die, ohne Auskunft über
ihren Ursprung zu geben, als nur empirisch zu bestimmender Parameter in seinen
Gleichungen auftritt. Aber auch die Elementarteilchen, die in der
Lagrange-Funktion des Universums verzeichnet stehen, liefern Beiträge zur
Energiedichte des Vakuums und damit zu
. Hier
geht es wohlgemerkt nicht um jene Elementarteilchen, die das Universum
ausmachen wie die Photonen der Hintergrundstrahlung, die Neutrinos von der
Sonne oder die Quarks der Galaxien sie werden durch
und
beschrieben , sondern um jene Typen von
Elementarteilchen, die es nach Auskunft der Naturgesetze geben kann.
Während und
naturgemäss positive Grössen sind, besitzen die
zu
äquivalenten zusätzlichen Beiträge
und
verschiedene Vorzeichen (oder verschwinden).
Welcher Beitrag positiv ist, hängt vom Vorzeichen von
ab. In der Geschichte des Universums scheinen
nur nicht-negative
aufgetreten zu sein, so dass wir uns auf diesen
Fall beschränken. Nun geht es nicht an, unbesehen die einen in Einsteins
Gleichungen auftretenden Grössen abzuändern und die anderen ungeändert zu
lassen, weil sie nur zusammen die Gleichungen lösen. Deshalb können wir zwar
von Beiträgen zu einer effektiven Energiedichte
und einem effektiven Druck
sprechen, nicht aber von dem, was zum Beispiel
bliebe, wenn alle Materie aus dem Universum herausgenommen würde dies ergäbe
ein anderes Universum mit einem im allgemeinen anderen Wert von
. Sieht man
auf das Ganze, können im Parameterraum von
und
Gebiete abgegrenzt werden, in denen Universen
mit bestimmten Werten von
, also
Krümmungen, sowie bestimmten Verhalten ihrer
angesiedelt sind (z. B. [23]). Wenn
nicht verschwindet, erhalten wir ein flaches
Universum mit seinem
bei beliebigem
offenbar für
.
Bei der Expansion des
Universums wird sein materieller Inhalt verdünnt, so dass für hinreichend grosse und anhaltende Expansion in beiden Gleichungen
für die Zeitabhängigkeit von
die zu
proportionalen Terme auf den rechten Seiten
der Gleichungen dominieren werden. Gilt ausserdem
oder ist
gross genug, erhalten wir aus den obigen als
effektive Gleichungen für die Entwicklung des Universums
sowie
wobei sich die zweite auch durch Differenzieren nach der Zeit aus der ersten ergibt. Die allgemeine Lösung lautet
worin ein Parameter ist. Wenn also die angenommenen
Näherungen gemacht werden können, expandiert das Universum exponentiell
beschleunigt für wachsende
.
Physikalisch
interessant ist die Lösung in zwei Fällen. Erstens besitzt die zur Zeit
(Februar 2000) wahrscheinlichste Lösung [23] der Einsteinschen Gleichungen für
die Entwicklung des Universums ein , das auf
führt also
, und das einen Vakuumanteil enthält, der um
den Faktor
grösser ist als der Materieanteil. Unter diesen
Voraussetzungen wird das Universum in der Tat für immer expandieren, und zwar
beschleunigt.
Zweitens hat es nach Auskunft der Theorie der Inflation in der Frühgeschichte des Universums eine Epoche gegeben, in der dessen Entwicklung durch eine grosse, auf den Eigenschaften der Elementarteilchen beruhende positive kosmologische Konstante dominiert wurde. Dies, als die Temperatur des expandierenden Universums so niedrig geworden war, dass sich ein Higgs-Feld ausbilden konnte, sich aber noch keines ausgebildet hatte. Gibt es das Higgs-Feld, so nimmt dieses einen geordneten Zustand an, und in ihm ist die Gesamtenergie kleiner als sie es ohne das Higgs-Feld ist: Der Übergang von Nichts zu Etwas zahlt sich in diesem Fall energetisch aus. Dass mit dem Übergang von Unordnung zu Ordnung Energieabgabe einhergehen kann, ist jedermann von der Kristallisationswärme bekannt. Kann es also ein Higgs-Feld geben, gibt es dies aber nicht, ist die niedrigste mögliche Energie des Universums kleiner als die tatsächliche, und diese kann deshalb als Energie des Vakuums interpretiert werden, so dass sie zur exponentiellen Expansion führt. Die Expansion endet, wenn sich das Higgs-Feld tatsächlich ausbildet: Damit und dadurch geht das Universum in einen Zustand niedrigerer Energie über. Die positive Vakuumenergie wird bei diesem Prozess, der nicht durch die Einsteinschen Gleichungen beschrieben werden kann, in manifeste Energie überführt: Das Universum, das bei der inflationären Expansion gegen den Widerstand der Schwerkraft kalt geworden war, heizt sich wieder auf, und sein weiteres Schicksal kann durch das Bild vom heissen Urknall beschrieben werden. Bei der Umwandlung von Vakuumenergie in manifeste Energie ändert sich natürlich abrupt deren Einfluss auf die Entwicklung des Universums aus der (durch den negativen Druck der Vakuumenergie bewirkten) Abstossung wird »normaler« Druck sowie normale gravitative Anziehung.
3.6 Fluktuationen
In durch in einer Dimension begrenzten räumlichen
Gebieten schwankt der Impuls mindestens so um
, dass die
Unschärferelation
zwischen Ort und Impuls erfüllt ist. Analoges
gilt für Zeitspannen
und die Schwankungen der Energie
, nämlich
. Grössere
Schwankungen als die durch die Unschärferelation erforderlichen sind zwar
möglich, ihre Wahrscheinlichkeit nimmt aber mit ihrer Grösse so ab, dass die
Unschärferelationen faktisch auch als
und
geschrieben werden können.
Die Unschärferelation zwischen Energie und Zeit wird häufig passend so umschrieben, dass das Vakuum Energie »verleiht« viel für lange, wenig für kurze Zeit. Den Gesamtwert der elektrischen Ladung und anderer Ladungen können die Schwankungen nicht ändern, so dass Teilchen (die nicht, wie das Photon, mit ihrem Antiteilchen identisch sind) nur als Teilchen-Antiteilchen-Paare in Fluktuationen auftreten können. Das aber können und müssen sie. Je grösser die Masse eines Teilchens ist, desto mehr Energie erfordert seine schiere Existenz, so dass Fluktuationen, die es enthalten, desto kurzlebiger sein müssen.
Den im Vakuum
fluktuierenden Teilchen fehlt nichts als Energie, die sie nicht wieder hergeben
müssen, um zu realen Teilchen zu werden. Diese stellen die Maschinen der
Elementarteilchenphysik zur Verfügung. In einem einfachen Fall trifft ein
energiereiches Photon auf ein im Vakuum verborgenes »virtuelles«
Elektron-Positron-Paar, überträgt seine Energie auf dieses und erhebt es
dadurch zu einem Paar real existierender Teilchen (siehe [11]Abb. 8). Beschleuniger, in denen
Teilchen auf Antiteilchen geschossen werden, kehren die Vakuumfluktuationen um.
Teilchen und Antiteilchen vernichten einander zunächst gegenseitig zu einem
Kuddelmuddel aus reiner Energie, die dann den im Vakuum fluktuierenden Teilchen
zu realer Existenz verhilft. Die Reaktionsprodukte weisen die Experimentatoren
an Beschleunigern wie dem Large Electron Positron Ring (LEP) am CERN in Genf in
ihren Detektoren nach.
3.7 Casimir-Effekt
Den unbegrenzten
»leeren« Raum erfüllen auch bei der Temperatur Schwankungen des elektromagnetischen Feldes
mit kontinuierlich vielen Wellenlängen zwischen Null und Unendlich. In
elektrische Leiter können elektromagnetische Wellen nicht eindringen, so dass
sie an Leiteroberflächen Knoten besitzen: Sie werden von den Oberflächen
reflektiert und üben deshalb Druck auf sie aus. Angenommen nun, zwei elektrisch
neutrale leitende Wände zwei Metallplatten, Spiegel also für
elektromagnetische Wellen, die von diesen einen Rückstoss erfahren stehen
einander im ansonsten »leeren« Raum gegenüber (siehe [12]Abb. 9a). Dann können zwischen den
Platten nur jene Nullpunktsschwingungen auftreten, deren Wellenlängen dem
Zwischenraum angepasst sind. Von aussen aber branden Nullpunktsschwingungen mit
beliebigen Wellenlängen an die Platten heran. Sie üben, weil zahlreicher, mehr
Druck auf die Platten aus als die von innen: Die Platten werden aufeinander
zugetrieben; sie ziehen sich, anders gesagt, an. Die [13]Abb. 9b veranschaulicht diesen Effekt
durch eine sich nach rechts ins Unendliche erstreckende schwingungsfähige
Saite, die an ihrem Anfangspunkt sowie an einem anderen Punkt eingespannt ist.
Bemerkt sei, dass
dieses anschauliche Argument mit Vorsicht verwendet werden muss, weil es zwei
unendliche Grössen voneinander abzieht den Innen- von dem Aussendruck, die
beide bei kurzen Wellenlängen divergieren. Dass die Komplikationen, die das
Unendliche bringt, bei der Reflexion elektromagnetischer Wellen an Oberflächen
ernst genommen werden müssen, zeigt bereits die Tatsache, dass bei manchen
komplizierteren Geometrien als der von zwei einander gegenüberstehenden Platten
der Gesamtdruck der elektromagnetischen Wellen auf Abstossung statt auf
Anziehung führt. Tatsächliche Berechnungen der Kraft zwischen leitenden Körpern
im vermeintlich leeren Raum verwenden denn auch statt der Impulse der Wellen
ihre Energiedichten. Auch hierbei sind zwei gegenläufige, einzeln unendliche
Effekte voneinander abzuziehen. Erstens wird die Energie bei einer Verminderung
des Plattenabstandes dadurch erhöht, dass Innenraum durch energiereicheren
Aussenraum ersetzt wird. Zweitens sinkt dabei die Energiedichte im Innenraum,
weil abermals weniger Wellenlängen in ihn hineinpassen. Die Endformel aber für
die Kraft , mit der
sich zwei im Abstand
parallel stehende, ungeladene elektrisch
leitende Platten pro Querschnittsfläche
anziehen,
ist bemerkenswert
einfach: Neben reinen Zahlen enthält sie nur die Naturkonstanten und
. Deren
Auftreten zeigt, dass Quantenmechanik und Relativität zusammen für die Anziehung
verantwortlich sind.
Die Existenz dieses Effektes hat der niederländische theoretische Physiker H.B.G. Casimir im Jahr 1948 vorausgesagt; experimentell nachgewiesen, allerdings mit grossen Fehlern, wurde er zehn Jahre später durch M. J. Sparnaay. Erst 1997 ist ein überzeugender Nachweis mit kleinen Fehlern gelungen (siehe [29]).
3.8 Die übergrossen Beiträge der Vakuumenergie der Elementarteilchen zur effektiven kosmologischen Konstante
Jedes System, das mit
einer Frequenz schwingen kann, besitzt in seinem Zustand
niedrigster Energie die Energie
. Damit
der Zustand niedrigster Energie Lorentz-invariant sei, sind die hieraus
folgenden Beiträge zu dem Energie-Impuls-Tensor
zur Metrik
proportional und tragen deshalb zu der
kosmologischen Konstante
bei. Tatsächlich liefert das
eines jeden Elementarteilchens einen
abschätzbaren Beitrag zu
. Der
Beitrag von Bosonen ist positiv, der von Fermionen negativ, und es sei erwähnt,
dass in der ungebrochenen Supersymmetrie, in der Bosonen und Fermionen gepaart
auftreten, die Summe der Beiträge aller Teilchen zu
Null ist. Weil aber in der wirklichen Welt die
ungebrochene Supersymmetrie nicht gilt, sind wir mit der Tatsache konfrontiert,
dass es viele Beiträge zu
gibt, die sozusagen nichts voneinander
wissen. Die Abschätzungen ergeben, dass der Betrag eines jeden von ihnen die
experimentelle Obergrenze für den Betrag von
um etwa
Grössenordnungen übersteigt.
Auf den ersten Blick
ist das nicht weiter schlimm, weil Einsteins eigentliche kosmologische
Konstante so gewählt werden kann, dass sie die Summe dieser Beiträge aufhebt. Zu
Bedenken veranlasst aber, dass hierzu eine Feinabstimmung zahlreicher, nach
heutigem Verständnis unabhängiger Beiträge erforderlich ist, die Stellen weit reicht. Etwas derartiges kennt
die Physik nicht, und deshalb liegt der Schluss nahe, dass eine noch unbekannte
»Neue Physik« einen kleinen Wert der gesamten kosmologischen Konstante erzwingt
([31]).
3.9 Vakuumpolarisation
In den vermeintlich
leeren Raum, in dem elektrisch geladene Teilchen und ihre Antiteilchen mit der
Gesamtladung Null herumschwirren, werde eine reale elektrische Ladung
eingebracht; zum Beispiel eine positive. Unter deren Einfluss werden sich die im
Vakuum verborgenen Ladungen neu ordnen, so nämlich, wie es die [14]Abb. 10a zeigt: Die eingebrachte
positive Ladung zieht die negativen Ladungen des Vakuums an und stösst die
positiven ab; im zeitlichen Mittel bildet sich die Ladungsverteilung der
Abbildung a heraus. Innerhalb einer Kugelschale um die zentrale positive Ladung
befinden sich also immer mehr negative als positive Ladungen, so dass das Feld
des polarisierten Vakuums das Feld der eingebrachten Ladung schwächt. Diese
selbst ist grösser als die in einigem Abstand beobachtete: Je näher wir der
Ladung in der Mitte kommen, desto grösser ist die Ladung, die wir beobachten.
Der Effekt tritt auf, weil sich die virtuellen Ladungen im Vakuum während ihrer Existenz bewegen können. Nun sind die Lebensdauern und die Bewegungsmöglichkeiten schwerer virtueller Teilchen in einer Fluktuation geringer als die leichter, so dass Elektronen und Positronen als leichteste geladene Teilchen eine in das Vakuum eingebrachte Ladung am stärksten abschirmen werden. Schwere Teilchen, die in einer Fluktuation mit bestimmter Energie auftreten, können deshalb weniger weit fliegen als leichte, weil ihre schiere Existenz erstens mehr Energie erfordert, die ihnen als kinetische Energie nicht zur Verfügung steht, und weil sie sich zweitens bei derselben kinetischen Energie langsamer bewegen.
Was wir landläufig die
Ladung eines Protons nennen und in das Coulomb-Gesetz eintragen, ist die
vollständig durch virtuelle Paare abgeschirmte Ladung in der Entfernung
unendlich. Das Abnehmen der Abschirmung bei Annäherung an das Proton wirkt sich
zum Beispiel auf die Elektron-Proton-Streuung aus: Um so mehr, je näher das
Elektron und das Proton sich kommen. Gäbe es die virtuellen Paare geladener
Teilchen und ihrer Antiteilchen nicht, müssten nur die virtuellen Photonen bei
der Berechnung der Streuung berücksichtigt werden; den einfachsten derartigen
Feynman-Graphen zeigt die [15]Abb. 10b. Wird in die ihm entsprechende
Formel zur Berechnung der Streuung als Ladung des Elektrons und als die des Protons
eingetragen, kann die Streuung von Elektronen
an Protonen bis hin zu jener Energie berechnet werden, bei der das Elektron dem
Proton so nahe kommt, dass individuelle virtuelle Ladungen aus dem Rauschen
aller herauszutreten beginnen. Oberhalb dieser Energie müssen Feynman-Graphen
mit Teilchen-Antiteilchen-Paaren berücksichtigt werden, die auf deren Existenz
im vermeintlich leeren Raum beruhen (siehe [16]Abb. 10c).
Wegen der Vakuumpolarisation durch elektrisch geladene Teilchen nimmt die Stärke der elektrischen allgemeiner: der elektroschwachen Wechselwirkungen mit abnehmendem Abstand, also wachsender Energie, zu. Bei der starken »Farb«-Wechselwirkung ist es umgekehrt: Ihre virtuellen Teilchen, die Quarks und Gluonen, polarisieren das Vakuum so, dass ihre Stärke zunimmt, wenn der Abstand grösser, die Energie also kleiner wird. Hierauf beruht sowohl die asymptotische Freiheit der starken Wechselwirkung, die es ermöglicht, bei grossen Energien Störungsrechnung zu betreiben, als auch deren »infrarote Sklaverei«, die den Zusammenhalt von Quarks und Gluonen in Elementarteilchen bewirkt, die keine Farbe tragen. Die qualitativen Unterschiede der elektroschwachen und der starken Wechselwirkung beruhen vor allem darauf, dass die Austauschteilchen der elektroschwachen Wechselwirkungen die Ladungen, an denen sie angreifen bei den Photonen sind das die elektrischen Ladungen nicht selbst tragen. Die Farbladungen aber, an denen die Austauschteilchen der starken Wechselwirkung, die Gluonen, angreifen, tragen auch diese selbst.
Insgesamt kennt die
Physik zahlreiche Effekte, zu deren Berechnung mit hoher Genauigkeit die
Beiträge der virtuellen Teilchen sowohl erforderlich sind als auch ausreichen.
Zu nennen sind hier insbesondere die Eigenschaften von Elektronen als einzelne
Teilchen oder als Bestandteile von Atomen. Spektakulär ist der Erfolg der
Berechnung des anomalen magnetischen Moments des Elektrons: Das theoretische
Ergebnis stimmt mit einer Genauigkeit von mehr als 11 signifikanten Stellen
innerhalb der Fehler mit dem experimentellen überein. Das magnetische Moment
des Myons ist experimentell etwas weniger genau bekannt. Ich erwähne es als
Beispiel für die Abhängigkeit der Grösse von Vakuumbeiträgen von der Masse der
beitragenden virtuellen Teilchen. Wie die Elektronen sind auch die Myonen
einfach elektrisch geladen und besitzen den Spin . Die
dicke durchgezogene Linie des Feynman-Graphen der [17]Abb. 11 stellt das Myon dar, die Wellenlinien
stehen für Photonen, und als Teilchen der umlaufenden dünnen Linie kann
irgendein elektrisch geladenes Teilchen gewählt werden. Das Kreuz an der
äusseren Photonenlinie deutet an, dass der Graph einen Beitrag zu den
elektromagnetischen Eigenschaften des Myons liefert. Zur vollständigen
Berechnung dieses Beitrags muss die Summe der Beiträge aller umlaufenden
virtuellen Teilchen gebildet werden. Es zeigt sich nun, dass der Beitrag des
leichtesten beitragenden Teilchens, des Elektrons, alle anderen Beiträge
weitaus übertrifft.
Zu den bisher experimentell nicht nachgewiesenen Effekten, welche die Existenz virtueller Elektron-Positron-Paare ermöglicht, gehört die Paarbildung in starken Feldern ([12]). Träte sie auf, wäre sie wie bereits das Higgs-Phänomen ein Beispiel dafür, dass die spontane Entstehung von »Etwas« aus »Nichts« mit Energiegewinn einhergehen kann. Anders als beim Higgs-Phänomen ist bei der Paarbildung in starken Feldern von vorne herein klar, woher die freigesetzte Energie kommt: aus eben den starken Feldern, in denen die Paare entstehen, und die durch sie abgebaut werden.
Gegeben sei eine grosse
positive, in einem engen Raumgebiet konzentrierte elektrische Ladung (siehe [18]Abb. 12). Ein Beispiel könnte ein
Ladungsklecks mit der elektrischen Ladung von zwei Kernen des Atoms Uran sein,
insgesamt also 184 Elementarladungen. Solch ein Ladungsklecks kann entstehen,
wenn Urankerne mit so grosser Energie aufeinander geschossen werden, dass sie
trotz ihrer gegenseitigen Abstossung auf Grund ihrer elektrischen Ladung
einander durchdringen und für eine gewisse Zeit zusammenbleiben.
Nun kann bei geeignet
gewähltem Kern wie Doppeluran der Energieunterschied zwischen ihm nebst seinem
elektrischen Feld und dem Atom, das aus demselben Kern, einem Elektron und dem
dazugehörigen Feld besteht, grösser sein als die Energie, welche gemäss Einsteins
ein Elektron und ein Positron für ihre
Existenz benötigen. Dann wird es sich energetisch auszahlen, wenn in oder aus
dem elektrischen Feld des Kerns ein insgesamt elektrisch neutrales
Elektron-Positron-Paar entsteht, das Elektron sich mit dem Kern zu einem Atom
verbindet und das Positron ins Unendliche entweicht. Genaue Berechnungen dieses
Prozesses, die über die Konsequenzen der Erhaltung von Energie, Impuls und
Drehimpuls sowie die Unschärferelation hinausgingen, sind schwierig, weil die
Anwendung der Quantenelektrodynamik als zugehöriger Theorie voraussetzt, dass
das Produkt der Ladung des Kerns und der Feinstrukturkonstante
deutlich kleiner als 1 ist während die
Energiebilanz des Prozesses das Gegenteil verlangt. Jedenfalls wäre der
Nachweis eines Prozesses, bei dem ein Teilchen-Antiteilchen-Paar spontan aus
dem physikalischen Vakuum entstünde, eine weitere schöne Illustration dessen,
dass das Vakuum nicht leer, sondern mit fluktuierenden Teilchen angefüllt ist.
3.10 Ausblick
Endgültiges über den Raum, der so leer ist wie mit den Naturgesetzen vereinbar, wird sich erst sagen lassen, wenn wir über die heute noch unbekannte vereinigte Theorie von Allgemeiner Relativität und Quantenmechanik verfügen. Denn die von der Quantenmechanik geforderten Schwankungen von Energie und Impuls müssen nicht nur für Objekte in Raum und Zeit gelten, sondern auch für Raum und Zeit selbst. Um das einzusehen, brauchen wir uns nur zu vergegenwärtigen, dass die Krümmungen von Raum und Zeit von der Energieverteilung abhängen und folglich mit ihr fluktuieren. Also liefern auch sie, wie bereits die Elementarteilchen und ihre Felder, Beiträge zur effektiven kosmologischen Konstante, wobei eine noch unbekannte tiefliegende Symmetrie Verknüpfungen zwischen den einzelnen Beiträgen herstellen muss. Denn es wäre gar zu seltsam, wenn die erforderliche gegenseitige Aufhebung nur auf einem grandiosen Zufall beruhte.
Einsteins eigentliche
kosmologische Konstante bleibt als Rest, wenn die Beiträge aller Teilchen
herausgerechnet wurden. Sie hängt von dem möglichen Inhalt des Universums in
keiner Weise ab, weil sie sozusagen mit dem Universum geboren wurde: Wie die
Lichtgeschwindigkeit , das
Wirkungsquantum
und die Gravitationskonstante
ist Einsteins eigentliche kosmologische
Konstante eine Naturkonstante in dem Sinn, dass sie bereits in den Naturgesetzen
auftritt. Denkbar ist natürlich, dass zwischen den vier Grössen eine gesetzmässige
Beziehung besteht. Die Aufdeckung solcher Beziehungen gehört seit je zu dem
Heiligen Gral der Physik.
Literatur:
[1] I.J.R. Aitchison, Nothing\'s plenty the vacuum in modern quantum field theory, Contemp. Phys., 26(4):333, 1985.
[2] M. Berry, Kosmologie und Gravitation, Teubner, Stuttgart, 1990.
[3] W. Capelle, Die Vorsokratiker, Kröner, Stuttgart, 1965.
[4] E.J. Dijksterhuis, Die Mechanisierung des Weltbildes, Springer, Berlin, 1956.
[5] P. Duhem, Ziel und Struktur der physikalischen Theorien, Felix Meiner, Hamburg, 1998.
[6] A. Einstein, Über den Äther, Schweizerische naturforschende Gesellschaft Verhandlungen, 1924.
[7] A. Einstein, Über die spezielle und die allgemeine Relativitätstheorie, Vieweg, Braunschweig, 1985.
[8] L. Euler, Briefe an eine deutsche Prinzessin, Vieweg, Braunschweig, 1986.
[9] H. Genz, Die Entdeckung des Nichts, Carl Hanser, München, 1994.
[10] H. Genz, Grundzustände die Vacua der Physik, Wiley/VCH, Berlin, in Vorbereitung.
[11] E. Grant, Much ado about nothing, Cambridge University Press, Cambridge, 1981.
[12] W. Greiner, The physics of strong fields, Plenum, 1986, New York.
[13] H. Hertz, Untersuchungen über die Ausbreitung der elektrischen Kraft, Leipzig, 1892.
[14] H. Hertz, Die Constitution der Materie, Springer, Berlin, 1999.
[15] A. Zichichi (Hrsg.), Vacuum and Vacua The Physics of Nothing, World Scientific, Singapore, 1996.
[16] T.Y. Cao (Hrsg.), Conceptual Foundations of Quantum Field Theory, Cambridge University Press, Cambridge, 1999.
[17] M. Jammer, Das Problem des Raumes, Wissenschaftliche Buchgemeinschaft, Darmstadt, 1960.
[18] A. Koyre, Von der geschlossenen Welt zum unendlichen Universum, Suhrkamp, Frankfurt/Main, 1980.
[19] R. Mehlig, Die Überwindung der mittelalterlichen Tradition in der Geschichte des Vakuums im Werk Blaise Pascals, Dissertation, Frankfurt, 1971.
[20] P.W. Milonni, The Quantum Vacuum An Introduction to Quantum Electrodynamics, Academic Press, San Diego, 1994.
[21] I. Newton, Mathematische Prinzipien der Naturlehre, de Gruyter, Berlin, 1999.
[22] J. Rafelski und B. Müller, Die Struktur des Vakuums Ein Dialog über das Nichts, Verlag Harri Deutsch, Thun, 1985.
[23] A.G. Riess, Universal peekaboo, Nature, 401:219, September 1999.
[24] S. Sambursky, Das physikalische Weltbild der Antike, Artemis, Zürich/Stuttgart, 1965.
[25] S. Sambursky, Der Weg der Physik, Artemis, Zürich, 1975.
[26] S. Saunders und H.R. Brown (Hrsg.), The Philosophy of Vacuum, Clarendon Press, Oxford, 1991.
[27] V. Schüller, Der Leibniz-Clarke Briefwechsel, Akademie Verlag, Berlin, 1991.
[28] K. Simonyi, Kulturgeschichte der Physik, Harri Deutsch, Thun, 1990.
[29] S.K. Lamoreaux, Resource letter cf-1: Casimir force, Am. J. Phys., 67(10):850, October 1999.
[30] O.v. Guericke, Neue (sogenannte) Magdeburger Versuche über den leeren Raum, VDI-Verlag, Düsseldorf, 1968.
[31] S. Weinberg, The cosmological constant problem, Rev. Mod. Phys., 61(1):1, 1989.
Vakuum 1: Die Abbildung zeigt, wie der Wasserheber des Empedokles eine Klepshydra funktioniert. Wir können seine Beobachtung in vier Schritte zerlegen. Ist a) der Hals der eingetauchten Klepshydra geschlossen, dringt kein Wasser durch die Löcher am Boden in sie ein. Wird b) der Hals geöffnet, geschieht gleichzeitig zweierlei: Wasser tritt von unten ein, und Luft entweicht nach oben als »dichtgedrängter Strom«, wie Empedokles schreibt ([3], S. 227). Daraus schliesst er, dass die Luft eine Substanz und nicht leerer Raum ist. Denn Luft und Wasser können sich nicht gleichzeitig in demselben Raum befinden. Die dritte Teilbeobachtung ist spektakulär. Sie hat das Klepshydra-Experiment für 2000 Jahre berühmt gemacht: Wird c) die mit Wasser gefüllte Klepshydra bei wieder geschlossenem Hals aus dem Wasser gehoben, verbleibt das Wasser in ihr. Erst wenn die obere Öffnung freigegeben wird, fliesst d) das Wasser heraus und »stürmt die Luft brausend mit wildem Schalle« nach. Verkennt man die Rolle des äusseren Luftdrucks, oder weiss man nichts von ihm, kann man den Eindruck gewinnen, die Natur setze der Entstehung eines leeren Raumes Widerstand entgegen.
Vakuum 2: Das Experiment, durch das Torricelli auf Anregung Galileis gezeigt hat, dass es luftleeren Raum geben kann: Ein gut 80 Zentimeter langes Rohr wird mit Quecksilber gefüllt, zugehalten, mit seiner Mündung in eine Schale mit Quecksilber getaucht und aufrecht gestellt. Wird die Öffnung des Rohres freigegeben, fliesst Quecksilber aus ihm in die Schale. Aber nicht alles der Quecksilberspiegel im Rohr kommt in (etwa) 76 Zentimeter Höhe über dem in der Schale zur Ruhe. Am Ende ist über dem Quecksilber im Rohr ein luftleerer Raum entstanden, an dem es zu hängen scheint. Tatsächlich hängt das Quecksilber nicht am luftleeren Raum, sondern wird vom äusseren Luftdruck, der auf dem Quecksilberspiegel lastet, getragen. Über die Natur des in der Abbildung als Vakuum bezeichneten Raumes lässt sich sicher nur soviel sagen, dass alles, was er ausser Quecksilberdämpfen und ähnlichem enthalten sollte, nur durch das Quecksilber und/oder Glas in ihn hinein gekommen sein kann. Hören wir dazu den gläubigen Plenisten Leonhard Euler([13], S. 23): »Dieser bloss scheinbare leere Raum ist gewiss mit Äther erfüllt, der ohne Schwierigkeiten hineinkommt.« Weil Wasser um den Faktor 13 spezifisch leichter ist als Quecksilber, entsprechen den 76 Zentimeter Standhöhe Quecksilber ungefähr 10 Meter Standhöhe Wasser. Der qualitative Unterschied der Ergebnisse von Empedokles und Torricelli beruht also einfach auf diesem quantitativen: Wäre der Hals der Klepshydra nur(!) gut 10 Meter lang gewesen, hätte Empedokles den von Torricelli entdeckten Effekt vorweg genommen.
Vakuum 3: Blaise Pascal folgert aus dem Ergebnis von Torricelli, dass bei hohem Luftdruck das Quecksilber höher stehen müsse als bei niedrigem und erfindet so das Barometer und den Höhenmesser. Zur experimentellen Erprobung veranlasst er seinen Schwager Perrier, das Torricelli-Experiment gleichzeitig an der tiefsten Stelle von Clermont-Ferrand und, 850 Meter höher, auf dem benachbarten Berg Puy de Dome durchführen zu lassen mit dem erwarteten Ergebnis, dass bei dem niedrigeren Luftdruck auf dem Berg das Quecksilber dort niedriger steht als im Tal.
Vakuum 4: Otto von Guericke, der Erfinder der Luftpumpe, ist für seinen Versuch mit den Magdeburger Halbkugeln im Jahr 1654 auf dem Reichstag in Regensburg noch heute berühmt. Die zusammengesetzten, luftleer gepumpten Halbkugeln können 16 Pferde auf jeder Seite 8 nicht auseinanderziehen. Lässt er aber Luft eintreten, kann er die Halbkugeln ohne nennenswerten Kraftaufwand voneinander trennen. Selbstverständlich hätte er die eine Halbkugel an einen Baum gebunden, und 8 Pferde an der anderen ziehen lassen, wäre auf die Kugeln derselbe Zug ausgeübt worden. Ich weiss nicht, ob er das wusste. Auf jeden Fall war der Versuch mit 16 Pferden statt 8 spektakulärer.
Vakuum 5: a) Ein mit Luft gefüllter Behälter oberhalb des absoluten Nullpunkts der Temperatur von -273 Grad Celsius enthält Moleküle und Wärmestrahlung. b) Wenn wir die Moleküle mit einer idealen Pumpe entfernen, bleibt die Wärmestrahlung. c) Der Raum, der bleibt, wenn wir die Temperatur in Gedanken auf die unerreichbare Temperatur von -273 Grad absenken, ist das physikalische Vakuum: Ihm haben wir alles entnommen, das wir ihm im Einklang mit den Naturgesetzen entnehmen können.
Vakuum 6: Elektrisch negativ geladene Teilchen (Elektronen) und deren positiv geladenen Antiteilchen (Positronen) treten in einer Energiefluktuation des »leeren« Raumes zugleich an derselben Stelle auf, fliegen ein Stück, kommen wieder zusammen und verschwinden dadurch, dass sie sich gegenseitig vernichten. Nicht dargestellt, aber vorhanden sind Photonen, Gluonen, Teilchen-Antiteilchen-Paare von Quarks sowie anderen Teilchen und Objekten für Zeiten, die mit deren zunehmenden Massen abnehmen.
Vakuum 7: Feynman-Diagramm des Übergangs von einem Photon, dargestellt durch die Wellenlinie, zu einem Elektron-Positron-Paar. Auf Grund der Energie- und Impulserhaltung können in dem Prozess nicht alle drei Teilchen reell sein.
Vakuum 8: Eine direkte Methode, den im Vakuum fluktuierenden Teilchen dauerhaft die Energie zur Verfügung zu stellen, die sie brauchen, um zu realen Teilchen zu werden, ist der Beschuss von Materie mit energiereichen Photonen. Die Abbildung zeigt eine Blasenkammeraufnahme von einem derartigen Erzeugungsprozess. Am Ursprungsort der drei Spuren ist ein Photon, das als elektrisch neutrales Teilchen in der Blasenkammer keine Spur hinterlässt, mit dem Elektron eines Wasserstoffatoms zusammengestossen. Die wenig gekrümmte Spur ist die des angestossenen Elektrons, die stark gekrümmten sind die des dabei aus dem Vakuum hervorgehobenen Elektron-Positron-Paares. Die ganze Apparatur befindet sich in einem starken Magnetfeld, das die Bahnen der elektrisch geladenen Teilchen krümmt.
Vakuum 9: a) Zwischen elektrisch leitenden Platten können sich nur elektromagnetische Wellen ausbilden, die Knoten an den Oberflächen der Platten besitzen; im Aussenraum sind hingegen Wellen mit beliebigen Wellenlängen möglich. Dies veranschaulicht b) durch mögliche und unmögliche Schwingungen einer einseitig unendlichen Saite, die an ihrem Ende und an einem anderen Punkt eingespannt ist: Die oberen drei Schwingungen sind sowohl im Aussen- als auch im Innenraum möglich, die beiden unteren nur im Aussenraum.
Vakuum 10: Eine in das Vakuum eingebrachte elektrische Ladung zieht die im Vakuum fluktuierenden Ladungen mit entgegengesetztem Vorzeichen an und stösst die mit dem gleichen ab. Dadurch polarisiert sie das Vakuum (a): Die Ladungswolke schwächt das Feld der ins Vakuum eingebrachten Ladung. Die Wellenlinien der Abbildungen (b) und (c) stellen Photonen dar, die an elektrisch geladene Teilchen koppeln. Die Bedeutung der Abbildungen beschreibt der Text.
Vakuum 11: Feynman-Diagramm eines Beitrag virtueller Elektron-Positron-Paare zu dem Magnetischen Moment des m (´: Ankopplung an ein äusseres Feld).
Vakuum
12: a) Spontane Bildung eines realen Elektron-Positron-Paares aus einem
virtuellen im starken elektrischen Feld einer grossen positiven Ladung. b)
Einmal erzeugt, bildet das Elektron mit der grossen positiven Ladung ein Atom;
c) das Positron wird emittiert. Die dadurch frei werdende Energie des
elektrischen Feldes der grossen positiven Ladung ist grösser als die nach
Einsteins in Energie umgerechnete Masse des
Elektron-Positron-Paares.
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