1 Einführung
Die Kurzzeitspektroskopie ist eine optische Methode zur zeitaufgelösten Messung der elektronischen und optischen Eigenschaften von organischen und anorganischen Festkörpern, Flüssigkeiten und Gasen[1]. Sie beruht auf der Beobachtung der zeitlichen Entwicklung eines optischen Signals und liefert Informationen über nichtlineare, Nichtgleichgewichts-, und Transporteigenschaften der Materie.
Die Entwicklung der
Kurzzeitspektroskopie ist eng mit dem Fortschritt bei der Erzeugung von
ultrakurzen Laserpulsen verknüpft (siehe [7]Abb. 1). Mocker und Collins
demonstrierten 1965 die ersten kurzen Laserpulse durch das Schalten der Güte
eines Laserresonators (»Q-switching«). Diese Methode dient noch heute der
Erzeugung von Laserpulsen im Nanosekundenbereich. Kürzere Pulse werden durch
die phasenstabile Kopplung der longitudinalen Lasermoden erzielt
(»mode-locking«). Das Prinzip der aktiven Modenkopplung (z.B. durch
akustooptische Modulatoren) und der passiven Modenkopplung (z.B. durch
sättigbare Absorber) findet heutzutage in allen ultraschnellen Lasern
Verwendung und ermöglicht die standardmässige Erzeugung von Femtosekundenpulsen.
Der am weitesten verbreitete Femtosekundenlaser ist der Titan-Saphir-Laser, der
auf dem Prinzip der passiven Modenkopplung durch den Kerr-Effekt im
Laserkristall basiert. Seine Pulse können mit verschiedenen Techniken auf
extrem hohe Spitzenintensitäten (> 20 TW) verstärkt und ein weites
Frequenzspektrum durch Frequenzverdopplung, nichtlineare Frequenzmischung (vor
allem mit Hilfe von optischen parametrischen Oszillatoren (OPOs)) oder
Weisslichtpulserzeugung abgedeckt werden.
2 Wichtige Methoden
Die Kurzzeitspektroskopie unterscheidet viele verschiedene Methoden zur Untersuchung der linearen und nichtlinearen Eigenschaften von Materie. Die drei wichtigsten sind Lumineszenzspektroskopie, Vierwellenmischen und Pump-Probe-Spektroskopie.
Die zeitaufgelöste
Lumineszenzspektroskopie untersucht das transiente Verhalten der emittierten
Photolumineszenz einer Probe nach der Anregung durch einen kurzen Laserpuls.
Das einfachste Verfahren in der Lumineszenzspektroskopie ist die direkte
Messung der transienten Lumineszenz mit schnellen Detektoren und schneller
Elektronik. Halbleiter-Photodioden sind gute Detektoren bei hohen Intensitäten
und erreichen eine Zeitauflösung von einigen Pikosekunden.
Sekundärelektronenvervielfacher (Photomultiplier) dienen der Detektion niedriger
Intensitäten mit einer Zeitauflösung von einigen zehn Pikosekunden und einem
hohen dynamischen Bereich. Schmierbildkameras (siehe [8]Abb. 2) vereinen hohe Zeitauflösung,
Sensitivität und einen grossen dynamischen Bereich, können jedoch bisher nur bei
Licht mit Wellenlängen von höchstens 850 nm (hohe Sensitivität) bzw. 1,6 mm (geringe
Sensitivität) eingesetzt werden. Sie erreichen eine Zeitauflösung von ca. 1 ps
im sog. Synchroscanbetrieb (Mittelung über mehrere Ereignisse, Start der
jeweiligen Signalaufnahme durch einen Triggerimpuls) und 200 fs im
Einzelschussbetrieb.
Die Zeitauflösungen
bei der direkten Photolumineszenzdetektion ist durch die Schnelligkeit der
Elektronik begrenzt. Höhere Zeitauflösungen werden daher nur mit optischen
Messungen erreicht, die nicht auf schnelle Elektronik angewiesen sind. Eine
dieser Techniken ist die Lumineszenz-Aufkonversionsspektroskopie. Sie ist eine
optische »Gating«-Technik, deren Zeitauflösung nur durch die Laserpulslänge und
die bei der Abstimmung von Lichtwegen erzielbare Genauigkeit limitiert ist. Die
Technik nutzt aus, dass Licht in 10 fs ungefähr 3 mm zurücklegt, eine Streckendifferenz, die
sehr einfach eingestellt werden kann. Das Messprinzip ist in [9]Abb. 3 dargestellt. Der Puls eines
ultraschnellen Lasers wird durch einen Strahlteiler in zwei Pulse aufgeteilt.
Einer der beiden Pulse regt die Probe an. Die entstehende Photolumineszenz wird
auf einen nichtlinearen Kristall fokussiert und dort mit dem geeignet
verzögerten zweiten Puls zum räumlichen und zeitlichen Überlapp gebracht. Im
nichtlinearen Kristall entstehen Photonen mit der Energie wSumme = wPL + wLaser, falls Photolumineszenz (PL) und Laserpuls gleichzeitig eintreffen.
Detektiert wird das Licht mit der Summenfrequenz aus Lumineszenz und
Laserlicht. Der zeitliche Verlauf der Photolumineszenz wird durch die
wiederholte Durchführung des Experiments mit verschiedenen Zeitverzögerungen
des zweiten Laserpulses abgetastet. Dem Vorteil der höheren Zeitauflösung der
Lumineszenzaufkonversion im Vergleich zur Schmierbildkamera steht der Nachteil
der geringeren Empfindlichkeit und der deutlich längeren Messzeit
entgegen.Vierwellenmischen ist eine nichtlineare Spektroskopiemethode zur
Messung von kohärenten dynamischen Vorgängen (siehe [10]Abb.
4). Zwei gegeneinander zeitverzögerte Laserpulse werden auf der zu
untersuchenden Probe räumlich überlappt und erzeugen eine makroskopische
Polarisation. Anschaulich entspricht diese Polarisation einem
Interferenzgitter, das aus kohärent erzeugten Ladungsträgern gebildet wird. Ein
zeitverzögerter dritter Laserpuls wird an diesem induzierten Gitter gebeugt und
als Vierwellenmischsignal detektiert. Das gebeugte Vierwellenmischsignal
liefert als Funktion der Zeitverzögerung zwischen dem ersten und zweiten oder
dem ersten und dritten Puls zum Beispiel die zeitabhängige kohärente
Polarisation oder die zeitabhängige Ladungsträgerdichte. Die einfachste Form
des Vierwellenmischens ist das entartete Zweistrahl-Vierwellenmischen, bei dem
die Wellenlänge der Anregungspulse identisch ist und der zweite Laserpuls das
Interferenzgitter induziert und gleichzeitig an diesem gebeugt wird. Die
Analyse nichtlinearer Vierwellenmischsignale geschieht entweder zeitintegriert,
zeitaufgelöst und/oder spektral aufgelöst.
Eine weitere Variante des Vierwellen-Mischens stellen Photonenecho-Experimente dar [2]: Zwei starke, kurze Laserpulse regen resonant ein Ensemble von absorbierenden Atomen an. Beobachtet wird ein von den Atomen abgestrahlter Puls (Echo), der gegenüber dem zweiten Puls verzögert ist um die Zeitdifferenz zwischen erstem und zweitem Puls. Die beim stimulierten Photonenecho und ähnlichen Pulssequenzen mögliche unabhängige Variation zweier Zeitintervalle ermöglicht die Übertragung von aus der NMR-Spektroskopie bekannten mehrdimensionalen Experimenten in die Kurzzeitspektroskopie.
Bei der
Pump-Probe-Spektroskopie wird ein Laserpuls ebenfalls mit einem Strahlteiler in
zwei Pulse aufgeteilt. Der eine Puls regt die Probe an (pumpen), der zweite
Strahl wird geeignet verzögert und misst die durch den ersten Strahl induzierten
Änderungen (proben). Die detektierten Änderungen sind z.B. die Transmission,
die Reflexion oder das Ramansignal. Eine besonders elegante Möglichkeit für
Pump-Probe-Experimente ermöglichen Weisslichtpulse, die z.B. die Aufnahme eines
ganzen Absorptionsspektrums in einem einzigen »Schuss« erlauben.
3 Anwendungsbereiche
Anwendungsbeispiele der Kurzzeitspektroskopie sind die Untersuchung der Ladungsträgerrelaxation in Halbleitern, die kohärente Kontrolle von Ladungsträgern und Femtosekundenchemie.
Das Verständnis der Ladungsträgerrelaxation in Halbleitern ist wichtig zum Design von schnellen Bauelementen der Optoelektronik. Die Zeitverzögerung der stimulierten Emission von Mikroresonatorlasern nach einer optischen Anregung gibt zum Beispiel Aufschluss über den Einfluss von Photonlebensdauer und optischer Verstärkung des Lasers auf die maximale Modulationsfrequenz.
Bei der kohärenten Kontrolle von Ladungsträgern (»Coherent Control«) wird ausgenutzt, dass durch einen kurzen Laserpuls erzeugte Ladungsträger direkt nach der Anregung in Phase mit dem Lichtfeld schwingen, sie sind also kohärent. Diese kohärenten Ladungsträger werden durch einen zweiten Laserpuls wieder vernichtet, falls Ladungsträger und Licht entgegengesetzte Phasen besitzen (destruktive Interferenz). Die kohärente Kontrolle der Ladungsträger ist in Halbleitern ein Prozess, der im Femtosekundenbereich abläuft und damit um Grössenordnungen schneller ist als die Abnahme der Ladungsträgerdichte durch strahlende Rekombination. Dementsprechend könnten Halbleiterbauelemente nach dem Prinzip der kohärenten Kontrolle im Prinzip um Grössenordnungen schneller sein als konventionelle Bauelemente.
Anwendungen in der Physikalischen Chemie sind z. B. Untersuchungen zur Rotations- und Lösungsmittel-Dynamik in Flüssigkeiten: Die Beobachtung des Abbaus von Kohärenzen mit Hilfe von Techniken wie dem Vierwellen-Mischen oder Photonenecho erlaubt die Untersuchung der elementaren Schritte von molekularen Bewegungsvorgängen in Lösung. Mit Hilfe von mehrdimensionalen Methoden können hierbei sogar Korrelationen zwischen Prozessen auf verschiedenen Zeitskalen beobachtet werden.
Eine besonders spektakuläre Anwendung der Kurzzeitspektroskopie ist schliesslich die »Femtochemie«: Die hohe Zeitauflösung bei Pump-Probe-Experimenten ermöglicht es, chemische Reaktionen mit einer Zeitauflösung zu untersuchen, die einen direkten Nachweis von kurzlebigen Übergangskomplexen bei chemischen Reaktionen erlaubt.
Literatur
[1] J. Sham, Ultrafast Spectroscopy of Semiconductors and Semiconductor
Nanostructures, Solid-State Science 115, Springer, Berlin, 1996.
[2] L. Allen and J. H. Eberly, Optical Resonance and Two-Level Atoms, Dover
Publications, New York, 1987.
Kurzzeitspektroskopie 1: Geschichtliche Entwicklung der Laserpulsdauer. Ti: Saphir-Laser erzeugen inzwischen direkt Pulse weit unterhalb von 10 fs.
Kurzzeitspektroskopie 2: Funktionsweise einer Schmierbildkamera (Streakkamera): Die von einer linearen Photokathode ausgesandten Elektronen werden durch eine schnell geschaltete Rampe der Ablenkspannung entsprechend dem Zeitpunkt ihrer Aussendung in unterschiedlichen Bildzeilen auf einem langsamen Fluoreszenzschirm sichtbar gemacht. Das so entstandene Schmierbild kann dann mit einer normalen Videokamera weiterverarbeitet werden.
Kurzzeitspektroskopie 3: a) Strahlengang und zeitlicher Verlauf der Photolumineszenz-Signale (PL) bei einem Aufkonversionsexperiment.
bottom:.0001pt;border:none; mso-border-left-alt:solid purple 1.5pt;mso-border-bottom-alt:solid purple 1.5pt; mso-border-right-alt:solid purple 1.5pt;padding:0cm;mso-padding-alt:0cm 13.0pt 13.0pt 13.0pt\'>Kurzzeitspektroskopie 4: Strahlengang und zeitlicher Ablauf eines Vierwellen-Misch-Experiments. Die zeitliche Abfolge der Pulse wird durch die Variation der Lichtwege realisiert.
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