Physik im Alltag
1. Zusammenfassung
Das Thema »Farbe und Farberscheinungen« berührt eine Vielzahl von Phänomenen, die für uns alltäglich sind. In diesem Beitrag sollen einige der interessantesten und auffälligsten beschrieben werden. Zunächst aber sollen einige Grundlagen, die zum Verständnis dieser Phänomene erforderlich sind, dargestellt werden.
2. Einleitung
Eine Darstellung oder eine Darbietung bezeichnet man gerne als »farblos«, wenn ihm aus unserer Sicht eine bestimmte Qualität fehlt. Was genau diese Qualität ausmacht, ist jedoch nicht leicht in Worte zu fassen. Damit ist diese Situation nicht unähnlich derjenigen, die sich einstellt, wenn wir die Bedeutung der »Farbe« für unsere visuelle Wahrnehmung erfassen wollen.
Der Aspekt der
Farbigkeit spielt in vielen Bereichen unseres Lebens eine Rolle - in der
alltäglichen Wahrnehmung farbiger Dinge ([1]Abb. 1), in der Kunst als
Gestaltungsmittel, aber auch in Verbindung zu Tönen oder Empfindungen
(Synästhesie). Im vorliegenden Beitrag sollen die physikalischen Aspekte der
Farbwahrnehmung betrachtet werden, soweit sie für unseren Alltag eine Rolle
spielen.
3. Farbmischung
Bei Farbmischung denkt
man unwillkürlich an einen Farbkasten und die eigenen Versuche, neue Farbtöne
zu erhalten: Blau und Rot ergibt Violett, Blau und Gelb ergibt Grün usw. Wir
wollen versuchen, zum Schluss (Abschnitt 5) diese Phänomene auf einfache Weise
zu verstehen. Dazu ist es hilfreich, sich zunächst in Bezug auf einen anderen
Aspekt mit Farbmischung und mit der Verarbeitung des Farbreizes in Auge und
Gehirn auseinanderzusetzen.
a) Spektrum
Farbe scheint auf den ersten Blick eine physikalische Eigenschaft zu sein, was
nicht richtig ist. Farbe ist eine Sinnesempfindung, die mit physikalischen
Grössen verknüpft ist. Dieser physikalische Bereich betrifft die äussere Ursache
der Farbwahrnehmung, nämlich die spektrale Verteilung der Lichtstrahlung
(Farbreiz). Zur Wahrnehmung gehört aber auch die Verarbeitung in Auge und
Gehirn. Nur in diesem Zusammenhang ist es überhaupt sinnvoll, von Farbe zu
sprechen. Dagegen bezeichnen wir Stoffe, die zur Farbgebung verwendet werden,
als Farbstoffe.
Die Vielfalt farbiger
Eindrücke wird einem beim Betrachten eines Regenbogens (Optik, atmosphärische)
oder eines mit Hilfe eines Prismas erzeugten elektromagnetischen Spektrums
bewusst. Die Zuordnung der Farbempfindung zu einer physikalischen Grösse ist
nicht eindeutig. Zwar gibt es, wenn man viele Menschen nach der Farbbezeichnung
einer bestimmten Stelle in einem Spektrum befragt, eine Übereinstimmung, und
dieser Stelle lässt sich physikalisch ein Wellenlängenbereich zuordnen -
dieselbe Farbempfindung kann allerdings auch auf ganz andere Weise ausgelöst
werden, wie im nächsten Abschnitt deutlich wird. Beim Hören ist dies anders,
denn der Zusammenhang zwischen empfundener Tonhöhe und Frequenz ist eindeutig.
b) Farbe und Wellenlänge
Weisses Licht, etwa Sonnenlicht, kann mit einem Prisma in ein Spektrum ([2]Abb. zu Elektrodynamik) zerlegt und
auf einem Schirm betrachtet werden (Brechung, Dispersion). Ein sehr kleiner
Bereich des Spektrums liefert einfarbiges Licht (Spektralfarben,
Spektrallampe). Im Idealfall hat dieses Licht nur noch eine Wellenlänge (oder
Frequenz) und wird meist monochromatisch oder besser monofrequent genannt.
Vereinigt man das Spektrum wieder, so ergibt sich erneut ein weisser Lichtfleck
auf dem Schirm.
Die physikalische
Eigenschaft Wellenlänge wird in der Empfindung durch den Farb- oder Buntton
einer Spektralfarbe repräsentiert. Der sichtbare Wellenlängenbereich reicht etwa
von 400 nm bis 750 nm, und man nimmt bis 485 nm blau, von 500 nm bis 550 nm
grün, von 570 nm bis 590 nm gelb und ab 630 nm rot wahr. Bei Mischfarben wird
der Farbton durch die dominante Wellenlänge (die entsprechende Spektralfarbe)
einer Intensitätsverteilung festgelegt. Eine zweite Eigenschaft, die Sättigung,
charakterisiert die spektrale Reinheit einer Farbe, gibt also Auskunft darüber,
ob nur Anteile in der Nähe der dominanten Wellenlänge oder noch weitere
vertreten sind. Weisses Licht ist vollkommen ungesättigt, spektrales Rot ist
stark gesättigt, Rosa nur schwach. Als dritte Farbeigenschaft nehmen wir die
Helligkeit wahr. Mit abnehmender Helligkeit ergeben sich die verhüllten Farben
(Schwarzverhüllung), wie etwa Braun aus Rot. Farben lassen sich folglich in
einem dreidimensionalen Diagramm darstellen ([3]Abb.
2).
c) Farbklassifikation
Blendet man vor der Vereinigung des Spektrums einen Spektralbereich aus, so
wird dies nicht als Fehlen eines Farbreizes empfunden, sondern der Lichtfleck
auf dem Schirm erscheint in einer Mischfarbe. Diese Mischfarbe ergibt mit der
aus dem Spektrum ausgeblendeten Farbe wieder Weiss. Die beiden Farben werden als
komplementär bezeichnet.
In ähnlicher Weise kann man auch das Licht zweier oder mehrerer Lichtquellen mischen. Das Licht, das vom Schirm in das Auge kommt, ist eine additive Mischung: Die sich ergebende Intensitätsverteilung ist die Summe der Einzelintensitätskurven.
Eine andere Möglichkeit, additive Farbmischung zu erreichen, besteht darin, das Licht von mehreren, eng benachbarten verschiedenfarbigen Stellen ins Auge kommen zu lassen (partitive Mischung). Auf diese Weise werden beim Farbfernsehen Farbbilder durch eine Rasterung, die vom Auge nicht mehr getrennt wird, wiedergegeben. Die Pointillisten machten sich diese Möglichkeit durch das Aufbringen kleiner Farbpunkte auf das Papier zunutze, und auch der Mehrfarbendruck kann auf dieser Technik beruhen. In diesem Fall liegen die Rasterpunkte nebeneinander.
Zum Teil erhält man zunächst unerwartete Ergebnisse. So ergibt die additive Mischung aus Rot und Grün ein ungesättigtes Gelb, und allgemein lassen sich alle ungesättigten Farben aus drei Komponenten mischen. Spektralfarben dagegen lassen sich aus drei Grundkomponenten nicht mischen (Tabelle).
Ohne Berücksichtigung
der Helligkeit kann man alle Farben in einer Ebene darstellen. Mit Hilfe der
Normfarbtafel ([4]Abb. 3) kann ein Farbort anhand der
Normfarbwertanteile (nicht realisierbare Komponenten) x
und y gekennzeichnet werden (Normvalenzsystem). Der
Anteil der dritten Komponente lässt sich daraus errechnen, da die Summe 1
ergeben muss. Die den Spektralfarben entsprechenden Reize liegen auf einer
Kurve, die beiden äussersten Punkte werden durch die sog. Purpurgerade
verbunden. Alle Farben liegen in diesem Gebiet, in der Mitte liegt der Weiss-
oder Unbuntpunkt. Das Ergebnis einer additiven Mischung findet man auf der
geraden Linie, die die Ausgangsfarben verbindet. Die Komplementärfarbe zu einer
bestimmten Farbe findet man, indem man eine Gerade von dieser Farbe durch den
Weisspunkt zur gegenüberliegenden Seite zieht.
Als subtraktive Farbmischung bezeichnet man den Vorgang, wenn Licht nacheinander durch zwei oder mehr Filter (Filter, optische) tritt. Das Verhalten eines Filters kann durch seine spektrale Durchlasskurve beschrieben werden, die angibt, welche Anteile des eingebrachten Lichtes nach der Transmission noch vorhanden sind. Beim Hintereinanderstellen zweier Filter fehlen dem Licht die Anteile, die von mindestens einem der beiden weggenommen werden (Tabelle).
Auch bei der Farbphotographie werden im Prinzip immer Hell-Dunkel-Aufnahmen in drei verschiedenen Farben gemacht, die bei der Betrachtung durch subtraktive oder additive Farbmischung das Farbbild ergeben (Photographie).
4. Farbensehen
Bislang haben wir die
Farbphänomene mehr von der Seite des Lichtes betrachtet. Konstitutiv für
Farbphänomene ist aber die Wahrnehmung mit dem Auge. Wie kann man die
Verarbeitung der Farbreize im Auge selbst verstehen?
a) Auge und Netzhaut
Im Auge sind die Zapfen und Stäbchen der Netzhaut verantwortlich für das
Erzeugen der Reize beim Autreffen von Licht. Diese Zellen enthalten
lichtempfindliche Stoffe. Bei nierdrigen Intensitäten arbeiten nur die
Stäbchen, die alle gleich sind, und wir können keine Farben unterscheiden. Erst
bei höheren Intensitäten werden die Zapfen angesprochen, und dann lassen sich
Farben unterscheiden. Infolgedessen muss es mehr als eine Art von Zapfen geben.
Thomas Young (1773-1829) und Hermann von Helmholtz (1821-1894) haben
angenommen, dass wir drei Zapfenarten haben, wovon jeweils eine vorwiegend im
kurzwelligen (K), eine im langwelligen (L) und eine im mittleren Bereich (M)
anspricht (Dreifarbentheorie). Man kann weiter schliessen, dass sich die
Empfindlichkeitskurven dieser Sehzellen überschneiden müssen, und auch die Form
lässt sich etwa bestimmen ([5]Abb. 4).
Dies erklärt aber noch nicht, weshalb eine Mischung aus Rot, Grün und Blau uns weiss erscheint. Ebenso bleibt unklar, weshalb die Mischung von Rot und Grün kein grünliches Rot, sondern Gelb ergibt. Zur Erklärung ist die Gegenfarbentheorie von Ewald Hering (1834-1918) nützlich. Alle Farbempfindungen werden dabei auf die Wichtung von vier psychologischen Grundfarben zurückgeführt (Vierfarbentheorie). Als Grundfarben dienen vier Farben, die mit abstrakten Begriffen belegt werden und Grundempfindungen entsprechen: Blau, Gelb, Grün und Rot. (Dagegen orientiert sich für eine grosse Zahl anderer Farben der Name an einem Gegenstand: Orange, Oliv, Rosa usw.)
Die vier Grundfarben werden in Gegensatzpaaren Blau - Gelb und Grün - Rot angeordnet (zusätzlich gibt es noch das Gegensatzpaar der unbunten Farben Schwarz - Weiss). Damit wird zum Ausdruck gebracht, dass man nicht ein gelbliches Blau oder ein grünliches Rot empfindet, wohl aber etwa ein rötliches Gelb.
Es kann nicht leicht entschieden werden, welche der beiden Theorien den Sehvorgang besser beschreibt. Man geht heute davon aus, dass für die erste Stufe der Farbwahrnehmung, die Ereignisse auf der Netzhaut, die Young-Helmholtz-Theorie zutreffend ist, die Weiterverarbeitung aber so wie von Hering beschrieben geschieht. In neueren Theorien versucht man, beide Aspekte gemeinsam zu erfassen.
Eine ähnliche
Aufteilung finden wir bei der Übertragung von Fersehbildern wieder: Die
Darstellung auf dem Bildschirm geschieht durch drei Farben, bei der Übertragung
aber werden (vereinfacht) zwei Farbkanäle und ein Unbuntkanal verwendet.
b) Farbfehlsichtigkeit
Einige Prozent aller Menschen sind farbfehlsichtig. Gesunden Menschen stehen
drei Zapfenarten mit bestimmten Empfindlichkeitsmaxima zur Verfügung (Trichroismus).
Bei anomalen Trichromaten sind die Maxima verschoben. Am häufigsten führt dies
dazu, dass sie rote und grüne Objekte nicht so gut wie normale Trichromaten
unterscheiden können. Bei Dichromaten (Dichromasie) ist eine der Zapfenarten
unwirksam oder realtiv unempfindlich, Monochromaten können keine Farben
unterscheiden (Monochromasie). Farbfehlsichtigkeiten können mit Hilfe von
Farbtafeln erkannt werden. (Farbsinnstörung)
5. Farbwahrnehmungsphänomene
Die vorangegangenen
Abschnitte haben gezeigt, warum wir in der Lage sind, Farbe wahrzunehmen. Diese
Fähigkeit macht natürlich nur dann Sinn, wenn es auch farbige Dinge gibt.
Hiermit setzt sich der Abschnitt 6 auseinander. Zunächst soll aber von einigen
auffälligen Farbphänomenen die Rede sein, die auf die Wirkungsweise unseres
Gesichtssinnes hinweisen.
a) Phosphene
Lassen Sie Ihre Augen sich eine ausreichende Zeit an die Dunkelheit gewöhnen,
schliessen Sie dann die Lider. In der Regel ist der Eindruck nicht der
vollkommener Dunkelheit, sondern man sieht helle und farbige Bereiche. Üben Sie
leichten Druck mit der Hand auf ein Augenlid aus. Sie können jetzt deutlich
hellere Bereiche sehen, eventuell auch Muster. Dieser Eindruck, der nicht von
einem gesehenen Objekt herrührt, verdeutlicht, wie komplex unser Sehvorgang
ist. In diesem Fall rühren die Bilder daher, dass Sie durch den Druck die
Blutzufuhr und auch die Nervenleitung beeinflusst haben.
b) Farbkonstanz
Betrachten Sie ein weisses Blatt Papier im Tageslicht, bei Sonnenuntergang, in
einem künstlich beleuchteten Raum oder unter dem grünen Blätterdach eines
Waldes. Wahrscheinlich werden Sie das Blatt immer als weiss bezeichnen, obwohl
der Farbreiz, der von dem Blatt ausgeht, jeweils ein anderer ist. Dieser hängt
nämlich stark von der Lichtquelle ab. Die Farbempfindung bleibt jedoch bei
Veränderung der Farbe der Lichtquelle weitgehend dieselbe, weil sie auf die
Umgebung bezogen wird, die sich entsprechend mitverändert. Das Phänomen ist mit
dem der Helligkeitskonstanz verwandt, für beide ist die laterale Hemmung
verantwortlich. Hiermit ist gemeint, dass sich die Signale benachbarter
Rezeptoren in bestimmter Weise beeinflussen, wodurch Veränderungen, die die
Gesamtwahrnehmung (Helligkeit oder Farbe) betreffen, weniger stark wahrgenommen
werden, Kontraste jedoch verstärkt.
c) Simultankontrast
Vergleichen sie die Farbe der kleinen grauen Flächen in [6]Abb. 5 miteinander. Obwohl sie
objektiv alle gleich sind, scheinen sie die Gegenfarbe der Umgebung anzunehmen
(induzierte Farbe). Besonders eindringlich schildert J.W. v. Goethe, wie die
Schatten sich mit der Beleuchtung verändern. In einem einfachen Experiment
können Sie sich dieses Phänomen vergegenwärtigen. Beleuchten Sie ein
schattengebendes Objekt mit zwei kleinen, hellen Lampen, so dass Sie zwei
Schatten unterscheiden können. Beobachten Sie die Schattenfarbe, wenn Sie die
Farbe einer Lampe mit einem Filter verändern.
Die Ursache für die
veränderte Farbwahrnehmung ist die schon oben angesprochene laterale Hemmung,
die eine Verstärkung des Farbkontrastes verursacht.
d) Negative Nachbilder
Wenn Sie ein farbiges Objekt etwa eine Minute lang anschauen, ohne Auge und
Kopf zu bewegen, so wirkt das Bild noch eine gewisse Zeitdauer nach. Dies
können sie bemerken, wenn Sie den Blick auf eine helle Fläche lenken (als
Objekt können Sie eine der Kreisflächen aus [7]Abb. 5 benutzen). Sie werden dann ein
negatives Nachbild sehen, das sich in den Komplementärfarben darstellt. Dies
liegt daran, dass durch das Anschauen der farbigen Fläche die entsprechenden
Rezeptoren desensibilisiert werden. Beim sich anschliessenden gleichförmigen
Weisseindruck reagieren die zuvor nicht desensibilisierten Rezeptoren stärker.
e) Positive Nachbilder
Den gegenteiligen Effekt können Sie erleben, wenn Sie ihre Augen für einige
Minuten schliessen, dann kurz in Richtung eines kontrastreichen Objektes öffnen
und erneut schliessen. Sie können jetzt ein positives Nachbild sehen, welches
verdeutlicht, dass die Signalabgabe länger anhält als die eigentliche
Belichtung. Beide Effekte, positive und negative Nachbilder, kann man mit der
Bidwell-Scheibe beobachten. Diese besteht aus einem weissen und einem schwarzen
Sektor, die durch einen kleineren durchsichtigen (offenen) getrennt werden.
Beim Drehen der Scheibe können Sie für einen kurzen Moment durch den offenen
Sektor auf ein hell beleuchtetes Objekt hinter der Scheibe sehen. Je nach
Drehrichtung folgt dann der helle Sektor, und Sie sehen ein negatives Nachbild,
oder es folgt der schwarze, und Sie sehen ein positives.
f) Zeitlich veränderlicher Reiz
Die Benham-Scheibe besteht aus einer bestimmten Anordnung von hellen und
dunklen Bereichen. Wird sie in Drehung versetzt, so erscheint das Muster leicht
gefärbt, obwohl, anders als bei der Bidwell-Scheibe, kein farbiger Gegenstand
eine Rolle spielt. Dieses Phänomen ist ein Hinweis darauf, dass der Gesichtsinn
in Bezug auf die Farbwahrnehmung auch zeitlich unterschiedlich reagiert. Ein
ähnlicher Effekt ist im Fernsehen zu beobachten, wenn die Kamera schnell über
einen sehr hellen Bereich schwenkt.
Auch wenn unsere Augen
vermeintlich in Ruhe ein Objekt fixieren, bewegen sie sich kaum merklich, um
nicht eine vorzeitige Desensibilisierung zu bewirken. Beim Betrachten eines
Schwarz-Weiss-Musters kann dies zu einem ähnlichen Effekt wie bei der
Benham-Scheibe führen: Betrachten Sie [8]Abb. 6, so erscheinen zarte
Farbschwankungen, die Fechnerschen Farben.
6. Farbigkeit
Die Dinge unserer
Umwelt erscheinen uns farbig, sie müssen also selbst mit einem bestimmten
Spektrum leuchten oder in irgendeiner Weise das Licht, das beispielsweise von
der Sonne auf sie fällt, verändern. Wäre dies nicht so, hätte es keinen Sinn,
dass unsere Augen Farben unterscheiden können. Die Farbigkeit kann durch
verschiedene Mechanismen hervorgerufen werden, wovon einige in diesem Abschnitt
betrachtet werden sollen.
a) Lichtquellen
Als Lichtquellen begegnen uns in erster Linie Temperaturstrahler wie etwa die
Sonne oder auch Glühlampen, deren kontinuierliches Spektrum von der Temperatur
abhängt (Farbtemperatur, Schwarzkörperstrahlung). Unser Auge empfindet das von
der Sonne abgestrahlte Spektrum als weiss, Strahler niedriger Temperatur
erscheinen orange oder rot, weil der kurzwellige Bereich zunehmend fehlt. Auch
ein nichtkontinuierliches Spektrum, wie das einer Leuchtstofflampe, kann weiss
erscheinen, wie die Farbmischungsregeln verdeutlichen. Leuchtdioden, Laser und
Gasentladungslampen mit bestimmten Gasen emittieren selektiv in einem gewissen
Spektralbereich. Neonleuchten etwa leuchten rot, Glimmlampen in Phasenprüfern
orangerot und Natriumdampflampen über Strassenkreuzungen orangegelb.
b) Streuung
Nichtselbstleuchtende Dinge erscheinen uns farbig, weil sie das Spektrum des
eingestrahlten Lichtes verändern - ein alle Wellenlängen gleichermassen
streuendes Objekt erscheint bei Beleuchtung mit weissem Licht weiss.
Allerdings erscheinen auch manche aus durchsichtigen Bestandteilen zusammengesetzte Dinge - wie etwa Wasserdampf (Nebel) - weiss. Das Licht tritt in die Vielzahl der durchsichtigen Tröpfchen ein, wird mehrfach reflektiert und tritt wieder aus. Da das Licht hierbei spektral nicht verändert wird, ist der Farbeindruck weiss. Dies ist der Grund, weshalb auch Milch, Zucker, Schnee, Wolken, Papier und vieles andere - auch Lackfarbe - weiss erscheinen. Ein Fettfleck hingegen ersetzt die Luft im Papier, verhindert die diffusen Reflexionen und macht es durchsichtig. Streuprozesse können allerdings auch wellenlängenabhängig sein, was z.B. zum Himmelsblau führt (Optik, atmosphärische).
Körper, die
wellenlängenunabhängig absorbieren, erscheinen grau oder schwarz. Eine Fläche,
die einen hohen Anteil des einfallenden Lichtes spiegelnd reflektiert, wie es
die meisten Metalloberflächen tun, erscheint in (grauem) Glanz. (Metalloptik).
c) Farben von Substanzen
Die Farben der meisten Substanzen entstehen durch selektive Absorption (infolge
von Resonanz). Wasser beispielsweise bekommt seine leicht blaugrüne Färbung,
weil Wassermoleküle im roten und infraroten Wellenlängenbereich absorbieren.
Der verbleibende Anteil wird gestreut und bewirkt die Färbung. Farbstoffe wie
Chlorophyll und Karotin haben Resonanzen im sichtbaren Bereich.
Ein gelber Farbfilter
absorbiert blaues Licht. Der rote und grüne Anteil wird sowohl reflektiert als
auch durchgelassen. Der Farbfilter sieht deshalb in Durchsicht und in Aufsicht
gelb aus. Blaue Tinte sieht in Durchsicht und Aufsicht blau aus. Streichen Sie
etwas Tinte auf ein Deckglas und lassen sie antrocknen, so ist sie in
Durchsicht blau, in Reflexion aber dunkelrot. Rote Tinte ist entsprechend in
Aufsicht grün und in Durchsicht rot. Dies liegt daran, dass sehr konzentrierte
Farbstoffe sich anders verhalten: Sie reflektieren in dem Bereich, in dem sie
absorbieren, also bei der Resonanzfrequenz.
d) Pigmente
Malfarbe besteht aus festen Partikeln, die in einem Bindemittel aus einem
transparenten Medium eingelagert sind. Für farbige Lacke werden durchsichtige
Teilchen (vgl. Abschnitt 6b) eingefärbt. Pigmentfarben enthalten
undurchsichtige, farbige Partikel, die den Blick auf den Farbträger verdecken
(Deckfarbe). Diese Begriffe werden allerdings nicht immer in eindeutiger Weise verwendet.
Das auftreffende Licht wird an der Oberfläche des Bindemittels, des Trägers, der Lackteilchen und der Pigmente reflektiert. Das Licht kann dabei an mehreren Teilchen reflektiert und zusätzlich bei der Transmission bei durchsichtigen Teilchen selektiv absorbiert werden. Das genaue Resultat (etwa der Grad der Sättigung) hängt also stark von den Einzelprozessen und damit auch von Pigmentgrösse und -konzentration ab.
Wasserfarben aus dem
Farbkasten reflektieren wenig Licht, sondern lassen es zum Papier durch, wo es
reflektiert wird und nach erneutem Durchsetzen der Farbe zum Beobachter
gelangt. Im wesentlichen wirken also Wasserfarben wie Filter, bei denen die
Regeln der subtraktiven Farbmischung anzuwenden sind. Aber auch additive
(partitive) Farbmischung spielt eine gewisse Rolle. Dies zeigt sich darin, dass
eine Mischung aus allen verschiedenen Farbkastenpigmenten eine dunkelbraune
Farbe ergibt und nicht etwa Schwarz, wie es bei rein subtraktiver Farbmischung
zu erwarten wäre.
e) Fluoreszenz
Kann Wäsche »weisser als Weiss« werden? In gewissem Sinne ja! Verunreinigungen
machen die Wäsche dunkler und weisse Wäsche meist auch gelblich. Den
Weisseindruck könnte man durch leichte Blaufärbung der Wäsche wiederherstellen,
dann wird sie insgesamt aber dunkler, also grau statt weiss. Optische Aufheller
dagegen nutzen die Fluoreszenz. Unsichtbares ultraviolettes Licht wird dadurch
in (zusätzliches) sichtbares blaues Licht umgewandelt. Auf diese Weise geben
auch Leuchtfarben mehr sichtbares Licht ab als die Umgebung.
f) Interferenz
Es gibt eine Reihe von farbigen Phänomenen, bei denen kein Farbstoff im Spiel
ist. Schauen Sie sich eine Pfauenfeder an oder den Halsbereich einer männlichen
Stockente. Die Farben schimmern in eigentümlicher Weise (damit meint man in der
Regel, dass der Farbeindruck sich verändert, wenn man den Blickwinkel ändert).
Die Ursache hierfür ist Interferenz an einem Gitter, d.h., an einer
regelmässigen Struktur. Bei der Pfauenfeder etwa wird dies durch regelmässig
eingelagerte Melamin-Stäbchen in der Feder erreicht. In diesem Fall wird durch
Interferenz Licht bestimmter Wellenlänge in eine Vorzugsrichtung reflektiert.
Die Farben einer
Seifenblase (oder einer vertikal eingespannten Seifenhaut, [9]Abb. 7) und einer Ölschicht auf Wasser
entstehen ebenfalls durch Interferenz, in diesem Fall an einer dünnen Schicht.
Das Anlaufen einer Metallfläche (Anlassfarben) nach dem Erhitzen wird durch
Interferenz an einer dünnen Oxidschicht bewirkt. Die Ursache für die hier eher
blassen Farben ist, dass Licht bestimmter Wellenlänge durch Interferenz an
bestimmten Bereichen der Schicht ausgelöscht wird, wodurch diese in der stark
ungesättigten Kompementärfarbe erscheint.
Dünnschichtinterferenz können Sie leicht selbst herstellen. Nehmen Sie dazu zwei Objektträger und legen Sie sie übereinander auf einen dunklen Untergrund. Schauen Sie sich die dünne Schicht, in diesem Fall eine Luftschicht zwischen den Gläsern, im Licht einer ausgedehnten weissen Lampe an. Bei leichtem Druck auf das obere Glas entstehen Interferenzmuster in zarten Farben.
7. Ausblick
Das Thema dieses
Beitrags ist äusserst facettenreich - auch im übertragenden Sinne farbig! Aus
diesem Grund konnten nicht alle Aspekte ausführlich behandelt werden, und für
die verbleibenden Fragen muss auf die unten genannte Literatur verwiesen werden.
Ein Ziel war aber auch, Sie zu eigenen Experimenten und Beobachtungen zu
motivieren, denn die Farbigkeit unserer Umwelt ist ein gutes Beispiel dafür,
dass eine grosse Zahl interessanter physikalischer Gegenstände uns nicht nur im
Labor, sondern schon im Alltag begegnet.
Literatur:
Falk, David S.; Dieter
R. Brill; David G. Stork: Ein Blick ins Licht, Birkhäuser, Basel, Boston,
Berlin; Springer, Berlin, Heidelberg, New York, 1990;
Goethe, Johann Wolfgang von: Zur Farbenlehre;
Hecht, Eugene: Optik, Addison-Wesley, Bonn [usw.], 1989.
Richter, Manfred: Farbmetrik. In: Gobrecht, Heinrich (Hg.). Bergmann-Schaefer:
Lehrbuch der Experimentalphysik,
Band III Optik, Walter de Gruyter, Berlin, New York, 1978.
Treitz, Norbert: Farben, Klett, Stuttgart, 1985.
Farbe und Farberscheinungen 1: Die schillernden Farben der Pfauenfedern.
Farbe und Farberscheinungen 2: Anordnung von Farben in einer dreidimensionalen Darstellung.
Farbe und Farberscheinungen 3: Normfarbtafel.
Farbe und Farberscheinungen 4: Grundempfindungskurven der Zapfen im menschlichen Auge.
Farbe und Farberscheinungen 5: Simultankontrast. Die vier grauen Kreisflächen sind objektiv gleich.
Farbe und Farberscheinungen 6: Durch das Abtasten des Bildes mit dem Auge entstehen Fechnersche Farben.
bottom:.0001pt\'>Farbe und Farberscheinungen 7: Interferenzfarben einer Seifenhaut.
Farbe
und Farberscheinungen
bottom:solid black 1.1pt;border-right:
none;mso-border-top-alt:solid black .75pt;mso-border-left-alt:solid black .75pt;
mso-border-bottom-alt:solid black 1.1pt;padding:0cm 3.55pt 0cm 3.55pt\'>
Additive Farbmischung |
bottom:solid black 1.1pt;border-right:none;
mso-border-top-alt:solid black .75pt;mso-border-bottom-alt:solid black 1.1pt;
padding:0cm 3.55pt 0cm 3.55pt\'>
Subtraktive Farbmischung |
bottom:solid black 1.1pt;border-right:solid black 1.0pt;
mso-border-top-alt:solid black .75pt;mso-border-bottom-alt:solid black 1.1pt;
mso-border-right-alt:solid black .75pt;padding:0cm 3.55pt 0cm 3.55pt\'>
Komplementärfarben |
Grün + Rot º Gelb |
Zyan + Magenta º Blau |
Gelb + Blau º Weiss |
Blau + Grün º Zyan |
Zyan + Gelb º Grün |
Zyan + Rot º Weiss |
Blau + Rot º Magenta |
Gelb + Magenta º Rot |
Magenta + Grün º Weiss |
bottom:solid black 1.0pt;border-right:none;
mso-border-left-alt:solid black .75pt;mso-border-bottom-alt:solid black .75pt;
padding:0cm 3.55pt 0cm 3.55pt\'>
Grün + Rot + Blau º Weiss |
bottom:solid black 1.0pt;
mso-border-bottom-alt:solid black .75pt;padding:0cm 3.55pt 0cm 3.55pt\'>
Zyan + Magenta + Gelb º Schwarz |
bottom:solid black 1.0pt;border-right:solid black 1.0pt;
mso-border-bottom-alt:solid black .75pt;mso-border-right-alt:solid black .75pt;
padding:0cm 3.55pt 0cm 3.55pt\'>
|
Das freie Technik-Lexikon. Fundierte Informationen zu allen Fachgebieten der Ingenieurwissenschaften, für Wissenschaftler, Studenten, Praktiker & alle Interessierten. Professionell dargeboten und kostenlos zugängig.
TechniklexikonModernes Studium der Physik sollte allen zugängig gemacht werden.