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Bremsstrahlung

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Manfred Schönborn

kurzwellige elektromagnetische Strahlung, die bei Abbremsung von Elektronen in Materie infolge der Coulomb-Wechselwirkung zwischen den Elektronen und den Atomkernen entsteht. Der Begriff der Bremsstrahlung wurde 1909 von A. Sommerfeld zur Charakterisierung der Röntgenstrahlung eingeführt, die ein in einer Elektronenröhre beschleunigter und anschliessend durch ein Target abgebremster Elektronenstrahl emittiert. Da die Abbremsung im abgeschirmten Coulomb-Feld der Atomkerne des Targetmaterials auf atomaren Längenskalen stattfindet, ist der Effekt quantenmechanisch zu verstehen. Die erste theoretische, nichtrelativistische Behandlung in diesem Sinne stammt von Sommerfeld aus dem Jahr 1931; eine relativistische Behandlung wurde 1934 von Racah, Sauter, H. A. Bethe und W. H. Heitler gegeben, wobei letztere den Wirkungsquerschnitt für den Prozess angeben konnten.

Die Bremsstrahlung kann als Umkehrung des photoelektrischen Effekts aufgefasst werden. Das Elektron wird durch das sich ändernde elektrische Feld um den Kern abgebremst und gibt seine Energie in Form kurzwelliger elektromagnetischer Strahlung (meist Röntgen- und g-Strahlung) ab (Abb. 1). Aus Gründen der Energie- und Impulserhaltung muss sich das abgebremste Elektron in der Nähe eines Atoms oder Ions befinden, welches die resultierende Impulsdifferenz aufnimmt. Es wechselwirken also jeweils drei Teilchen miteinander (Dreier-Stoss).

Die Bremsstrahlung ist gemeinsam mit der Ionisation und Anregung des Targetmaterials der wichtigste Energieverlustmechanismus beim Durchgang geladener leichter Partikel, insbesondere Elektronen, durch Materie (Bethe-Bloch-Formel); sie ist damit von zentraler Bedeutung für die Detektion solcher geladener schneller Partikel (Detektoren). Unterhalb einer kritischen Energie EC überwiegt der Energieverlust durch Ionisation, bei höheren Energien dominiert die Bremsstrahlung. Für solche sehr hohe Energien wird der Energieverlust durch Bremsstrahlung beschrieben durch:

Bremsstrahlung  ,

wobei Z, A die Ladungs- bzw. Massenzahl des bremsenden Mediums und z, m und E die Ladung, Masse und Energie des einfallenden Teilchens darstellen; a, NA und e0 sind die Feinstrukturkonstante, die Avogadro-Zahl und die Dielektrizitätskonstante des Vakuums.

Da sich aufgrund der Wechselwirkung zwischen Atom und Elektron Energie und Bewegungsrichtung des Elektrons ändern, ist der Prozess der Bremsstrahlung mit einer Streuung der abgebremsten Partikel verbunden.

Das Spektrum der Bremsstrahlung, das sogenannte Bremsspektrum, ist kontinuierlich, lediglich auf der kurzwelligen Seite besitzt es eine scharfe Grenzfrequenz ng, die der vollständigen Abgabe der kinetischen Energie eines Elektrons in Form eines einzelnen Strahlungsquants entspricht (Abb. 2). Es gilt:

Bremsstrahlung  ,

mit der Masse des Elektrons me, der Elektronengeschwindigkeit Bremsstrahlung und dem Planckschen Wirkungsquantum Bremsstrahlung, das sich aus der Messung der Grenzfrequenz präzise bestimmen lässt.

Die oben beschriebene Emission von elektromagnetischer Strahlung wird auch als spontane Bremsstrahlung bezeichnet und ist mit der spontanen Emission von Licht durch gebundene Elektronen vergleichbar. Daneben existieren aber auch noch die Prozesse zur Entstehung inverser und induzierter Bremsstrahlung (Abb. 3).

Bei der induzierten Bremsstrahlung vergleichbar mit der induzierten Emission von Photonen durch gebundene Elektronen veranlasst ein Photon ein Elektron zur Emission eines zusätzlichen Photons, das die gleiche Frequenz, Phase, Polarisation und Richtung wie das induzierende erste Photon besitzt. Das Elektron verliert durch die Emission an kinetischer Energie, d.h. es wird gebremst.

Bei der inversen Bremsstrahlung handelt es sich nach klassischem Bild um einen Absorptionsvorgang. Ein freies Elektron absorbiert ein Photon und erhöht auf diese Weise seine kinetische Energie. Das Elektron bewegt sich anschliessend also schneller.

Bremsstrahlung

Bremsstrahlung 1: Entstehung.

Bremsstrahlung

Bremsstrahlung 2: Bremsspektrum von Wolfram.

Bremsstrahlung

Bremsstrahlung 3: Verschiedene Arten der Bremsstrahlung. Der schraffierte Bereich bezeichnet das kontinuierliche Energieband des freien Elektrons, die Linien darunter die diskreten Energieniveaus eines im Atom oder Ion gebundenen Elektrons (notwendig für einen Dreier-Stoss). Die Punkte kennzeichnen die jeweilige Energie des freien Elektrons vor und nach dem Stoss.

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