New Technology Telescope [NTT]
Unter adaptiver Optik versteht man allgemein ein abbildendes optisches System, welches sich an optisch wirksame Veränderungen in seinem Strahlengang anpassen, "adaptieren" kann.
Anwendungsgebiete sind
vor allem die Astronomie, aber seit kurzem auch die Lasertechnologie in der
Materialbearbeitung, die medizinische Optik, die Mikroskopie und alle weiteren
Gebiete, bei denen eine beugungsbegrenzte Abbildung angestrebt wird. Das
Prinzip der adaptiven Optik baut dabei auf einer gemeinsamen Eigenschaft aller
abbildenden optischen Systeme auf: der Korrespondenz zwischen dem Punktbild
(Punktverwaschungsfunktion) in einer Bildebene und der Phasenfunktion oder auch
"Wellenfront" in einer Pupille des Systems.
Aufbau und Funktion
Adaptive optische
Systeme sind aus drei Komponenten aufgebaut ([1]Abb. 1): Dem Wellenfrontsensor, einem
Rekonstruktionsrechner und dem aktiven optischen Element, einem räumlich
auflösenden Phasenmodulator. Der Wellenfrontsensor misst die Phasenfunktion des
abbildenden Systems, der Rekonstruktionsrechner errechnet daraus die
erforderlichen Phasenkorrekturen, und der Phasenmodulator addiert diese
Phasenfunktion zur zuvor gemessenen Wellenfront. Sensor und Modulator müssen
dazu jeweils in einer Pupille des Systems angeordnet sein. Durch den
Rekonstruktionsrechner wird die Regelschleife geschlossen, sofern der
Phasenmodulator im Strahlengang vor dem Sensor angeordnet ist.
Wellenfrontsensor
Der Wellenfrontsensor
arbeitet heute in den meisten Fällen nach dem Shack-Hartmann-Prinzip ([2]Abb. 2). Die Wellenfront fällt dabei
auf ein regelmässiges Array von Mikrolinsen gleicher Brennweite. In der
Brennebene dieser Linsen nimmt eine CCD-Kamera (CCD-Bildsensor) die
Lichtverteilung auf. Diese besteht aus einer regelmässigen Verteilung heller
Lichtflecken, deren Schwerpunkte im Rekonstruktionsrechner numerisch bestimmt
werden. Dabei erreicht man Genauigkeiten im Bereich von wenigen Hundertstel der
Pixelgrösse der Kamera. Die jeweilige laterale Abweichung des Lichtschwerpunktes
von der zu erwartenden Sollage (i.a. der geometrische Mittelpunkt der
Mikrolinse) geht zurück auf die mittlere Neigung der Wellenfront über der
Mikrolinse, auch als Subapertur bezeichnet, die in genauer Kenntnis der
optischen Weglänge zwischen Linsenarray und Kameraoberfläche errechnet werden
kann. Für alle Mikrolinsen des Arrays durchgeführt, bestimmt das Verfahren
somit das Gradientenfeld der Wellenfront, und aus diesem integriert dann der
Rekonstruktionsrechner die Wellenfront selbst.
Neben diesem Prinzip
wurde auch die interferometrische Vermessung der Wellenfront, z.B. durch
Shearing-Interferometrie und Point-Diffraction-Interferometrie, realisiert.
Allerdings konnten sich diese Techniken wegen des höheren Aufwandes und den
Anforderungen an die Kohärenz des Lichtes nicht durchsetzen. Der
Shack-Hartmann-Sensor basiert dagegen auf einem rein geometrischen Prinzip, ist
darüber hinaus achromatisch und arbeitet daher auch mit weissem Licht.
Rekonstruktionsrechner
Die rekonstruierte Wellenfront wird im Rekonstruktionsrechner zur Berechnung der erforderlichen Korrektureinstellung des aktiven Elementes verwendet. Dazu muss zunächst die Influenzfunktion jedes einzelnen Aktuators bestimmt werden. Man erhält so eine Matrix, deren Spalten die jeweiligen Influenzfunktionen darstellen. Bei gegebenem Ansteuervektor der Aktuatoren liefert die Matrix die Form der Wellenfront - je nach Darstellung - in zonaler oder modaler Basis. Die Inverse dieser Matrix liefert dann umgekehrt den Ansteuervektor für die Aktuatoren bei gegebener Wellenfront bzw. Spiegelform.
Die Inversion der
Matrix stellt dabei ein gewisses Problem dar, da die Anzahl der Aktuatoren und
Wellenfrontzonen nicht immer identisch und die Matrix daher nicht quadratisch
ist. Für eine ausreichende Korrektur der Wellenfront muss der Wellenfrontsensor
im Vergleich zum aktiven eine höhere räumliche Auflösung Element haben.
Aktives Element
Als aktives Element kommen derzeit in Reflexion Membranspiegel und in Transmission Flüssigkristallmodulatoren (LCM) zum Einsatz. Bei den Membranspiegeln wird eine dünne, hochflexible Membran aus Silicium, Quarz oder aus Mylarfolie durch darunter angebrachte Stapel aus Piezoelementen oder durch elektrostatische Kräfte verformt. In einer weiteren Variante besteht die Membran selbst aus bimorphen Piezoelementen als Segmente des deformierbaren Spiegels.
Im Gegensatz dazu sind die Flüssigkristallmodulatoren transmittierende Elemente, was die Integration in den optischen Strahlengang erleichtert. Allerdings sind LCMs wesentlich langsamer, haben eine hohe Absorption und arbeiten nur mit einer Polarisationsrichtung des Lichtes. Nicht zuletzt deshalb sind sie in der Astronomie bisher nicht zum Einsatz gekommen.
Für den Einsatz mit
Lasern bieten sich wegen der hohen verfügbaren Intensität auch nichtlineare
Effekte wie Vierwellenmischung, stimulierte Brillouin-Streuung oder Effekte zur
Phasenkonjugation und damit Kompensation von Störeinflüssen an. Dabei
durchläuft die deformierte Lichtwelle einen nichtlinearen Kristall, der die
Phase der Welle invertiert. Die Welle wird also mit ihren Störungen in sich
zurückgeworfen. Durchläuft die so präparierte Welle das verzerrende Medium ein
zweites Mal, so kompensieren sich die Aberrationen gerade.
Anwendungen
Die älteste Anwendung adaptiver Optik ist die Eliminierung atmosphärischer Störeinflüsse in der terrestrischen Astronomie. Grosse Teleskope mit einem Primärspiegeldurchmesser von einigen Metern liefern aufgrund von atmosphärischen Turbulenzen keine beugungsbegrenzten Abbildungen, sondern sind in ihrer Auflösung zu erheblich kleineren Teleskopen äquivalent. Kenngrösse für diese Begrenzung ist die Friedsche Kohärenzlänge, die typischerweise im Bereich unter einem Meter liegt und stark von der Beobachtungswellenlänge abhängt (Seeing). Die Anwendung adaptiver Optik in der Astronomie ist häufig durch die geringe zur Verfügung stehende Lichtintensität begrenzt.
Die zur Ausregelung der Störungen erforderliche hohe räumliche und zeitliche Auflösung von Sensor und Korrektursystem stellt hohe Anforderungen an die technische Ausführung der optischen Komponenten bzw. an die Verarbeitungskapazität des Rechners. Erst mit der Entwicklung schneller Computer wurde der Einsatz adaptiver Optik mit ausreichender räumlicher Auflösung in geregelten Systemen möglich. So wurden die ersten Grossteleskope erst im Laufe der achtziger Jahre mit adaptiver Optik ausgerüstet. Das am weitesten fortgeschrittene System findet man am New Technology Telescope (NTT) der ESO. Ein Prototyp mit einem 19-Aktuatoren-Spiegel ging 1990 in Betrieb, eine verbesserte Version mit 52 Aktuatoren im Jahre 1992, und derzeit arbeitet man an der erweiterten Version mit 250 Aktuatoren. Alle Systeme arbeiten bei einer Wellenlänge von 2mm.
Was die adaptive Optik
zu leisten vermag, zeigen die Abbildungen des astronomischen Objekts R136,
aufgenommen mit dem 3,6-m-Teleskop der ESO. [3]Abb. 3a zeigt den Bereich mit dem
3,6-m-Teleskop in klassischer Aufnahme ohne,
[4]Abb.
3b mit zugeschalteter adaptiver Optik. Wo sich ohne adaptive Optik gerade vier
Objekte auflösen lassen, sind mit adaptiver Optik ca. 30 Objekte
unterscheidbar. Zum Vergleich zeigt [5]Abb.
3c eine Aufnahme desselben Bereichs mit dem Hubble Space Telescope, welches
ausserhalb der Erdatmosphäre ohne adaptive Optik auskommt. Man erkennt, dass mit
adaptiver Optik auf der Erde eine zum Weltraumteleskop vergleichbare Auflösung
erreicht werden kann.
Adaptive Optik
1: Anwendungen in der Astronomie. Die durch turbulenten Luftraum deformierte
Wellenfront eines fernen astronomischen Objektes wird teilweise von einem
Strahlteiler auf einen Wellenfrontsensor geleitet. Der Rekonstruktionsrechner
bestimmt aus den Daten die erforderliche Korrektureinstellung des adaptiven
Spiegels. In der Bildebene (Kamera) entsteht so ein beuungsbegrenztes Bild.
Adaptive Optik 2: Arbeitsweise eines Shack-Hartmann-Wellenfrontsensors. Die hier stark deformiert gezeichnete Wellenfront wird durch das Linsenarray auf die CCD-Kamera fokussiert. Die lokale Neigung der Wellenfront bewirkt eine laterale Verschiebung der Spots, die vom Rekonstruktionsrechner ausgewertet wird.
bottom:.0001pt;border:none; mso-border-left-alt:solid purple 1.5pt;mso-border-bottom-alt:solid purple 1.5pt; mso-border-right-alt:solid purple 1.5pt;padding:0cm;mso-padding-alt:0cm 13.0pt 13.0pt 13.0pt\'>Adaptive Optik 3: Infrarot-Bilder des Objektes R136, aufgenommen mit dem 3,6m-Teleskop der ESO. a) ohne adaptive Optik; b) mit eingeschalteter adaptiver Optik; c) der gleiche Himmelsbereich zum Vergleich mit dem Hubble Space Telescope aufgenommen.
Das freie Technik-Lexikon. Fundierte Informationen zu allen Fachgebieten der Ingenieurwissenschaften, für Wissenschaftler, Studenten, Praktiker & alle Interessierten. Professionell dargeboten und kostenlos zugängig.
TechniklexikonModernes Studium der Physik sollte allen zugängig gemacht werden.