Umwelt- und Geophysik
1. Zusammenfassung
Dieser Übersichtsartikel beschreibt die Erdatmosphäre aus vielen verschiedenen Blickwinkeln, die sich aus ihrer vielfältigen Bedeutung für die Physik unserer Umwelt ergeben. Zunächst wird die Atmosphäre bezüglich ihrer Bedeutung für das System Erde im kosmischen Massstab diskutiert. Es folgt eine Beschreibung der Evolution und der heutigen chemischen Zusammensetzung der Erdatmosphäre sowie ihrer allgemeinen physikalischen Eigenschaften. Breiten Raum nimmt die Charakterisierung der das irdische Leben direkt umgebenden unteren Atmosphärenschicht (Troposphäre) sowie der für den Schutz vor der solaren UV-Strahlung bedeutsamen Ozonschicht in der Stratosphäre ein. Es folgt eine Darstellung der Wechselwirkungen zwischen Atmosphäre und Festland bzw. Ozeanen.
Der Artikel schliesst
mit einer Bilanzierung der anthropogenen Einflüsse auf die Atmosphäre sowie
deren möglichen Folgen in der Zukunft.
2 Einleitung: die Atmosphäre und die kosmische Umgebung der Erde
Das System Erde steht mit seiner kosmischen Umgebung zum einen über gravitative Kräfte und zum anderen über den Austausch von elektromagnetischer Strahlung sowie Partikelstrahlung in Wechselwirkung. Während die gravitativen Kräfte weitgehend dissipationsfrei die Bahnparameter der Erde bestimmen, wird der Energiehaushalt der Erdoberfläche hauptsächlich durch den Umsatz elektromagnetischer Strahlung bestimmt. Die Umwandlung solarer Energie in andere Energieformen und die letztlich ins All gerichtete irdische Infrarotstrahlung treiben alle auf der Erde stattfindenden Prozesse an. Dabei kommt der gasförmigen Hülle des Systems Erde, der Atmosphäre, eine zentrale Rolle zu. Sowohl die Energie, die der Erde durch die solare Strahlung zugeführt wird, als auch die Energie, die von der Erde als Infrarotstrahlung abgegeben wird, muss die Atmosphäre ganz oder teilweise durchdringen. Dabei wird sie teilweise reflektiert, absorbiert oder auch emittiert (Strahlungshaushalt, [17]Abb. 1). Auch über den Wärmetransport durch atmosphärische Zirkulation greift die Atmosphäre entscheidend in die energetischen Verhältnisse auf der Erde ein. Dabei ist die Atmosphäre mit einer Skalenhöhe von ca. 7 km (99% der Atmosphärenmasse befinden sich unterhalb einer Höhe von 32 km) im Vergleich zum Erdradius von 6732 km verschwindend klein.
Die heutige Erdatmosphäre besteht vor allem aus Stickstoff (78,09Vol.-%), Sauerstoff (20,95Vol.-%), Argon (0,93Vol.-%), Wasserdampf (0,0003-4Vol.-%), Kohlendioxid (0,03Vol.-%) sowie weiteren Spurengasen (siehe Tabelle 1) und unterscheidet sich vor allem durch den hohen Sauerstoffanteil grundlegend von allen derzeit bekannten Planetenatmosphären, insbesondere auch von denen der erdähnlichen Nachbarplaneten Venus und Mars. Die spezielle Entwicklung der Erdatmosphäre wird unter anderem dem Umstand zugeschrieben, dass die irdischen Temperaturen die dauerhafte Existenz von Wasser in seiner flüssigen Form zuliessen. Die Evolution der Erdatmosphäre ist direkt an die Entwicklung der geologischen, biologischen und hydrologischen Verhältnisse auf der Erde gekoppelt (Klimaveränderungen, Paläoklimatologie). Während die Uratmosphäre hohe Anteile von Wasserstoff enthielt und reduzierende Eigenschaften aufwies, war die Entstehung von Sauerstoff ein "Abfallprodukt" ersten bakteriellen Lebens. Schliesslich erlaubte das aus O2 entstandene Ozon aufgrund seiner Absorption kurzwelligen Lichtes die Verlagerung des Lebensraumes vom Wasser auf festes Land und ermöglichte die Evolution des Lebens bis zu seiner heutigen Form. Heute hat sich der Sauerstoff-Kohlendioxid-Stoffwechsel im Energiesystem höherer Lebewesen durchgesetzt. In [18]Abb. 2 ist die zeitliche Entwicklung der atmosphärischen Sauerstoffkonzentration in Verbindung mit der Entwicklung des Lebens auf der Erde skizziert.
Die meisten Spurenstoffe treten in der Atmosphäre in räumlich und zeitlich stark variierenden Konzentrationen auf. Diese sind durch die Emissionsstärke, den atmosphärischen Transport sowie die Entfernungsrate aus der Atmosphäre bestimmt. Ein Prozess, der massgeblich zu der Entfernung vieler Spurenstoffe aus der Atmosphäre beiträgt, ist die Oxidation der Spurenstoffe durch das Hydroxylradikal (HO · ) zu wasserlöslichen Verbindungen und deren Auswaschung aus der Atmosphäre durch Niederschlag. Ohne diesen Selbstreinigungsprozess der Atmosphäre würden sich viele (insbesondere auch anthropogen emittierte) Spurenstoffe in der Atmosphäre zu hohen, gesundheitsschädlichen Konzentrationen akkumulieren.
Eine weitere bedeutende Eigenschaft der Erdatmosphäre besteht darin, dass aufgrund ihrer Anteile an Wasserdampf, Kohlendioxid, Methan sowie weiterer sogenannter Treibhausgase die von der Erde emittierte Infrarotstrahlung zum Teil in der Atmosphäre wieder absorbiert und zurückgestrahlt wird. Durch diesen sogenannten natürlichen Treibhauseffekt sind die Temperaturen auf der Erdoberfläche im Mittel um 33°C erhöht und ermöglichen damit überhaupt erst die Existenz von flüssigem Wasser und damit Leben in der uns bekannten Form.
Atmosphäre: Chemische Zusammensetzung der Atmosphäre
Luftbestandteil |
Chemische Formel |
relativer Anteil am Luftvolumen [%] |
Stickstoff |
N2 |
87,09 |
Sauerstoff |
O2 |
20,95 |
Argon |
Ar |
0,93 |
Kohlendioxid |
CO2 |
0,035 |
Neon |
Ne |
0,0018 |
Helium |
He |
0,0005 |
Wasser |
H2O |
0,0003-4 |
Methan |
CH4 |
0,00017 |
Krypton |
Kr |
0,00011 |
Wasserstoff |
H2 |
0,00005 |
Ozon |
O3 |
1 × 106-4 × 106 |
3 Eigenschaften der Erdatmosphäre
3.1 Die vertikale Struktur der
Atmosphäre
Viele physikalische Eigenschaften der
Atmosphäre ändern sich charakteristisch mit der Höhe und werden zur Einteilung
der Atmosphäre in verschiedene vertikale Abschnitte ("Stockwerke")
herangezogen. Aufgrund des Durchmischungsgrades der Luftbestandteile
unterscheidet man zunächst die Heterosphäre (bis etwa 100km Höhe) von der
Homosphäre (oberhalb 100km Höhe), die Grenze zwischen beiden wird auch
Turbopause genannt. Wegen ihres hohen Ionisierungsgrades wird die Atmosphäre
oberhalb von etwa 70km als Ionosphäre bezeichnet, die aufgrund ihrer hohen
elektrischen Leitfähigkeit von grosser Bedeutung für die Ausbreitung von
Radiowellen ist. Schliesslich lässt sich die Atmosphäre anhand des vertikalen
Temperaturverlaufs in verschiedene Stockwerke einteilen ([19]Abb.
3). Der untere Abschnitt (bis etwa 12km Höhe), die Troposphäre, ist gekennzeichnet durch eine mit der Höhe
abnehmende Temperatur; sie enthält etwa 80% der gesamten Atmosphärenmasse.
Oberhalb eines Temperaturminimums (ca. - 70°C)
in etwa 12km Höhe, der Tropopause, befindet sich die Stratosphäre, die bis in
etwa 50km Höhe reicht. Sie weist eine mit der Höhe zunehmende Temperatur auf
und beherbergt die Ozonschicht, deren Maximum in etwa 20km Höhe liegt und die
das irdische Leben vor der solaren UV-Strahlung schützt. Die Stratosphäre wird
nach oben von einem Temperaturmaximum, der Stratopause, begrenzt, es schliesst
sich bis etwa 80km Höhe die Mesosphäre an. Oberhalb der Mesopause liegt die
Thermosphäre, in der Temperaturen bis über 1000°C
auftreten - allerdings ist der Luftdruck in diesen Höhen so niedrig, dass die
freie Weglänge der Luftmoleküle zwischen zwei Stössen z.B. in 200km Höhe bereits
200m beträgt, im Gegensatz zu 60nm in Bodennähe. Die Thermosphäre geht in etwa
2000-3000km Höhe in die Exosphäre, d.h. den interplanetaren Raum über.
3.2
Atmosphärischer Wasserhaushalt und Bewölkung
Gemessen an der
Gesamtmenge des auf der Erde vorhandenen Wassers nimmt der atmosphärische
Wassergehalt in Form von Dampf und kondensierter Phase nur einen Anteil von ca.
0,001% ein. Gleichwohl kommt ihm bezüglich des Energiehaushalts der Atmosphäre
durch den meridionalen und vertikalen Transport von latenter Wärme sowie durch
seinen Einfluss auf den atmosphärischen Strahlungshaushalt eine zentrale Rolle zu.
Insbesondere das gemässigte Klima der Atmosphäre auch in höheren Breiten ist
massgeblich durch den polwärts gerichteten Transport von latenter Wärme geprägt.
Von entscheidender Bedeutung ist Wasserdampf insbesondere für den natürlichen
Treibhauseffekt aufgrund seines Absorptions- und Emissionsvermögens im
infraroten Spektralbereich (s.u.).
Schliesslich
bestimmt der atmosphärische Wasserhaushalt durch seinen Einfluss auf die
Entstehung von Wolken massgeblich die planetare Albedo (d.h. das
Rückstrahlvermögen) der Erde und ist damit von sehr grosser Bedeutung für den
Anteil der solaren Strahlung, der überhaupt in tiefere Atmosphärenschichten
bzw. zum Erdboden vordringen kann. Die Wassermoleküle reflektieren einen
Grossteil der von der Erdoberfläche emittierten thermischen Strahlung und tragen
somit entscheidend zum natürlichen Treibhauseffekt bei. Im Mittel ist etwa 50%
der Erde von Wolken bedeckt. Wolken treten in sehr unterschiedlichen
Höhenbereichen und Erscheinungsformen auf und unterscheiden sich insbesondere bezüglich
der Grösse und des Aggregatzustandes der Wolkenteilchen. Je nach Art der
atmosphärischen Luftschichtung und der Stärke der solaren Einstrahlung
entstehen horizontal ausgedehnte Schichtwolken (Stratus) oder lokal begrenzte,
konvektiv getriebene Haufenwolken (Cumulus) sowie eine grosse Vielfalt an
Mischformen.
Die ungenügende
Kenntnis der radiativen Eigenschaften von Wolken stellt derzeit eine der
Hauptunsicherheiten bei der Klimamodellierung dar. Dies gilt insbesondere für
die Veränderung des Bewölkungsgrades als eine indirekte Folge des anthropogenen
Eintrags von Spurenstoffen und Aerosolen, z.B. durch Schwefeloxid-Emissionen,
in die Atmosphäre.
3.3 Der
Treibhauseffekt
Die über ein Jahr gemittelte Energieflussdichte der von der Sonne kommenden Strahlung bezogen auf eine senkrecht zur Verbindungslinie stehende Fläche, die sog. Solarkonstante (SC), beträgt 1368W/m2. Wird die Kugelgestalt der Erde berücksichtigt, so ergibt sich die auf die Erdoberfläche bezogene mittlere solare Einstrahlung S0; sie beträgt ein Viertel dieses Wertes (342W/m2). Davon werden etwa 30% direkt in den Weltraum zurückreflektiert (planetare Albedo), etwa 26% werden in der Atmosphäre absorbiert. Die verbleibenden 44% (175W/m2) stehen schliesslich der Erdoberfläche als Netto-Energiezufuhr zur Verfügung. Aufgrund der Energieerhaltung sollte der Betrag der von der Erdoberfläche emittierten (infraroten) Strahlung gleich dem Betrag der von ihr absorbierten Strahlung sein. Unter dieser Annahme berechnet sich die entsprechende Emissionstemperatur der Erdoberfläche zu 258K ( - 15°C). Dieser Wert jedoch steht in starkem Gegensatz zur tatsächlich beobachteten, um etwa 30 K höheren mittleren Temperatur der Erdoberfläche von 288 K (15°C). Möglich wird diese erhöhte Temperatur der Erdoberfläche durch den sogenannten natürlichen Treibhauseffekt: Während die Erdatmosphäre im sichtbaren Spektralbereich weitgehend transparent ist und somit ein Grossteil der auf die Erdatmosphäre eingestrahlten Sonnenenergie die Erdoberfläche erreicht, ist sie im infraroten Spektralbereich sehr viel weniger durchlässig. Dies hat zur Folge, dass die von der Erdoberfläche emittierte Infrarotstrahlung in der Erdatmosphäre weitgehend absorbiert und zum grossen Teil wieder zum Erdboden zurückgestrahlt wird (Gegenstrahlung). Aufgrund der Analogie zur Wirkung des Glasdaches eines Gewächshauses hat sich hierfür der Begriff Treibhauseffekt eingebürgert.
Zusätzlich zum lebenswichtigen natürlichen Treibhauseffekt führte die anthropogene Emission von Spurenstoffen mit Absorptionsbanden im Infraroten zu einer künstlichen Verstärkung des Treibhauseffektes. In der öffentlichen Diskussion wird der Begriff "Treibhauseffekt" oftmals mit dieser anthropogen beeinflussten Verstärkung des Effekts gleichgesetzt.
Für den natürlichen Treibhauseffekt der Atmosphäre sind vor allem Wasserdampf, Kohlendioxid sowie weitere Spurengase ([20]siehe Abb. 4) und Wolken verantwortlich. In [21]Abb. 4 wird deutlich, dass allein die erstgenannten Treibhausgase einen grossen Teil des von der Erdoberfläche emittierten infraroten Spektrums absorbieren. Das verbleibende spektrale Fenster von etwa 8-13mm wird bei Anwesenheit von Wolken ebenfalls weitgehend geschlossen.
Je nach Wellenlänge
wird die Atmosphäre oberhalb bestimmter Höhen für die aus darunterliegenden
Schichten emittierte infrarote Strahlung durchlässig. Die in einem
Wellenlängenbereich vom Weltraum aus gemessene Strahlungstemperatur entspricht
somit der in den entsprechenden Höhen vorherrschenden atmosphärischen
Temperatur. Im Mittel liegt diese bei etwa 255K in Übereinstimmung mit der oben
aus der Energieerhaltung abgeleiteten thermischen Emissionstemperatur der Erde.
3.4 Wechselwirkung der Atmosphäre mit dem Festland und den Ozeanen
Alle atmosphärischen Vorgänge sind über den Austausch von Energie und Materie an die Systeme Festlandoberfläche und Ozean gekoppelt. Dies hat zur Folge, dass sich Änderungen in diesen Systemen auch auf die Atmosphäre auswirken und umgekehrt. Somit ist es insbesondere bei der Bilanzierung atmosphärischer Stoff- und Energiekreisläufe sowie bei der Modellierung atmosphärischer Prozesse unerlässlich, den Austausch der Atmosphäre mit Ozeanen und Festlandoberfläche zu berücksichtigen.
Energiehaushalt
Für den atmosphärischen Energiehaushalt stellt die Erdoberfläche aufgrund der Absorption solarer Energie, die als fühlbare oder latente Wärme bzw. als Wärmestrahlung wieder abgegeben wird, eine Wärmequelle dar und bestimmt dadurch massgeblich die konvektive Durchmischung der Troposphäre und somit auch den vertikalen und horizontalen Wärmetransport ([22]Abb. 1, Strahlungshaushalt).
Die Ozeane greifen aufgrund ihrer grossen Wärmekapazität durch die Aufnahme bzw. Abgabe sowie den Transport von Wärme entscheidend in den atmosphärischen Energiehaushalt ein. Das bekannteste Beispiel hierfür ist sicherlich der Transport von Wärme aus den Tropen in höhere Breiten durch den Golfstrom. Die gegenüber dem Festland höhere Wärmekapazität der Ozeane ist insbesondere auch der Grund für das gegenüber dem Kontinentalklima sehr viel ausgeglichenere Seeklima.
Stoffkreisläufe
Neben ihren Hauptbestandteilen Sauerstoff und Stickstoff (siehe Tabelle) enthält die Luft eine grosse Anzahl unterschiedlicher Spurengase sowie auch Aerosole, die - obwohl nur in geringer Konzentration vorhanden - aufgrund ihrer chemischen und radiativen Eigenschaften von grosser Bedeutung für den Strahlungshaushalt der Atmosphäre sind ([23]Abb. 1). Die Konzentrationen dieser Luftbestandteile unterliegen häufig starken zeitlichen sowie räumlichen Schwankungen und werden insbesondere auch durch den Austausch mit der Festlandoberfläche sowie den Ozeanen entscheidend beeinflusst. Dabei sind sowohl Transportvorgänge (Emission und Deposition) als auch chemische Reaktionen an den jeweiligen Grenzflächen von Bedeutung.
Der Stofftransport
wird dabei zum einen durch das thermodynamische Gleichgewicht an der
Grenzfläche sowie durch Transportprozesse zu der Grenzfläche aufgrund von
molekularer und turbulenter Diffusion kontrolliert. Heterogene chemische
Reaktionen an den Oberflächen des Festlands und der Ozeane stellen bedeutende
Senken sowie Quellen vieler Luftbestandteile dar.
4 Vergangenheit und Zukunft der Atmosphäre
Die Eigenschaften der Erdatmosphäre unterlagen zu allen Zeiten Schwankungen, verursacht z.B. durch den Einfluss von Vulkanausbrüchen, die Veränderung der solaren Strahlungsintensität, die Kontinentalverschiebung, die Veränderung des Erdmagnetfeldes (Paläoklimatologie, Paläomagnetismus) und die Entwicklung des Lebens auf der Erde. Gleichwohl unterscheiden sich viele anthropogen verursachte Veränderungen nicht nur wegen ihrer Stärke, sondern insbesondere auch aufgrund ihres sehr viel rascheren Voranschreitens prinzipiell von natürlichen Schwankungen in der Vergangenheit. Eine Hauptfrage der heutigen Atmosphärenforschung ist daher, wie und wie stark sich atmosphärische Eigenschaften aufgrund der anthropogenen Einflüsse in der Zukunft verändern werden. Zur Klärung dieser Frage ist es wichtig, die anthropogenen Emissionen genau zu kennen, sowie durch Modellrechnungen die Atmosphäre unter gegenwärtigen und veränderten Bedingungen möglichst exakt zu simulieren.
Die Veränderung des
Erdklimas wird im Rahmen dieses Lexikons in einem separaten Übersichtsartikel
(Klimaveränderungen) ausführlich beschrieben. Im folgenden soll daher nur ein
kurzer Überblick über einige historische sowie gegenwärtige atmosphärische
Eigenschaften gegeben werden. Anschliessend wird der derzeitige Stand
gebräuchlicher Atmosphärenmodelle beschrieben und ein Überblick über moderne
atmosphärische Messmethoden gegeben.
4.1 Natürliche Variabilität atmosphärischer Eigenschaften
Informationen über atmosphärische Eigenschaften in der Vergangenheit lassen sich aus der Analyse einer Vielzahl datierbarer historischer Proben gewinnen (Klimaarchive). Je nach Zeitraum und Fragestellung eignen sich hierfür Sedimentgesteine, Sedimentkerne der Ozeane und Binnenseen, Eisbohrkerne, Fossilien und Holzproben (Radiokarbonmethode, Dendrochronologie). Mit modernen Analysemethoden (z.B. Uranreihendatierung, Massenspektrometrie, Elektronenspinresonanz, Thermolumineszenz) lassen sich unter anderem Informationen über die zeitliche Entwicklung der Temperatur, der chemischen Zusammensetzung der Erdatmosphäre, der mittleren Windrichtungen sowie des Aerosolgehalts bestimmen. Eine wichtige Rolle hierbei spielt die Tatsache, dass sich verschiedene Isotope von für die atmosphärischen Stoffkreisläufe wichtigen Elementen (insbesondere C, O, H und S) abhängig von den jeweiligen Umweltbedingungen unterschiedlich stark in den jeweiligen Klimaarchiven anlagern (Fraktionierung). Dadurch können durch Bestimmung der Isotopengehalte Rückschlüsse auf Umweltbedingungen und Klima früherer Erdzeitalter gezogen werden (Datierung).
Die Ergebnisse zeigen,
dass viele atmosphärische Eigenschaften in der Vergangenheit grossen Schwankungen
unterlagen. Als Beispiele werden in [24]Abb. 5 die aus antarktischen
Eisbohrkernen bestimmten atmosphärischen Temperaturen sowie die Konzentrationen
von Kohlendioxid und Methan während der letzten 150000 Jahren gezeigt.
4.2 Anthropogene Einflüsse auf die Atmosphäre
Obgleich schon im antiken China und während des Römischen Reiches durch landwirtschaftliche Aktivitäten wie Brandrodung und grossflächige Waldabholzungen erhebliche menschliche Einflüsse auf die Atmosphäre ausgeübt wurden, so blieben deren Auswirkungen doch im wesentlichen regional beschränkt. Erst seit Beginn der Industrialisierung während des 18. Jh. weiteten sich menschliche Einflüsse auf die Atmosphäre zunehmend auf globale Ebene aus. Am Anfang standen dabei die Emissionen aufgrund der Stahlerzeugung und der Verbrennung von Kohle sowie der sich entwickelnden Landwirtschaft im Vordergrund. Hinzu kamen später vielfältige atmosphärische Schadstoffeinträge aufgrund der Entwicklung der chemischen Industrie, des motorisierten Verkehrs sowie extensiver Landwirtschaft. Eine Besonderheit dieser anthropogenen Emissionen ist vor allem, dass die dadurch bedingten atmosphärischen Veränderungen in einer sehr viel kürzeren Zeitspanne erfolgten als dies von paläoklimatischen Schwankungen bekannt ist. Dies erschwert die Beurteilung möglicher Folgen, da atmosphärische Rückkopplungsprozesse mit verschiedenen Zeitkonstanten berücksichtigt werden müssen. Ausserdem erfolgte vielfach die Emission von Substanzen, die keine natürlichen Quellen haben und deren Auswirkungen auf die Atmosphäre oftmals völlig unbekannt waren. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Emission von Fluorchlorkohlenwasserstoffen (FCKWs), die schliesslich, weitab von ihren troposphärischen Quellen, zum Abbau der stratosphärischen Ozonschicht führten.
Der rasche Anstieg
mehrerer anthropogen verursachter Emissionen ist in [25]Abb. 6 gezeigt.
Diese Emissionen
führen zu einer zunehmenden Verstärkung des natürlichen Treibhauseffekts in der
Atmosphäre. Als Folge davon ist mit einer Erwärmung der Atmosphäre zu rechnen,
deren Ausmass noch Gegenstand intensiver Forschungen ist, die jedoch vermutlich
im Bereich von 1-5°C in den nächsten 50-100 Jahren
liegen dürfte. Anzeichen dafür sind bereits in der Entwicklung der mittleren
atmosphärischen Temperaturen während der letzten 130 Jahre zu erkennen ([26]siehe Abb. 7).
Weitere bedeutende
Effekte, die auf die anthropogenen Emissionen zurückgehen, sind der
troposphärische Smog (Wintersmog durch Anreicherung von Schadstoffen, vor allem
Stickoxiden, bei Inversions-Wetterlagen und Sommersmog durch photochemische
Ozonproduktion in der unteren Troposphäre) und das stratosphärische Ozonloch,
bei dem durch katalytische Ozonzerstörung der stratosphärische UV-Schutzschild
zerstört wird.
4.3 Atmosphärenmodelle
Ein wichtiges Werkzeug
zur Vorhersage der Veränderung atmosphärischer Eigenschaften aufgrund
menschlicher Einflüsse stellen Computersimulationen der Erdatmosphäre dar. Je
nach Fragestellung, Genauigkeit der Eingangsparameter sowie der verfügbaren
Rechenkapazität sind solche Modelle in einer, zwei bzw. drei räumlichen
Dimensionen sowie einer Zeitdimension ausgelegt. In solche Simulationen gehen
die solare Einstrahlung, die atmosphärischen Windfelder sowie die chemische
Zusammensetzung der Atmosphäre ein. Häufig dienen sogenannte "general
circulation models" (GCMs) dazu, dreidimensionale Windfelder zu berechnen.
Diese werden dann als Eingabeparameter für chemische Atmosphärenmodelle
verwendet. Die meisten solcher "3D-chemical transport models" sind
derzeit jedoch aufgrund der Rechnerkapazität noch auf wenige chemische
Substanzen beschränkt. Auch beinhalten sie keine Rückkopplung chemischer
Veränderungen auf die atmosphärische Zirkulation und auch die (für die
Klimaentwicklung extrem wichtige) Kopplung der Modelle an die Ozeane ist noch
sehr grob. Eine dynamische Ankopplung an die Kontinente, insbesondere an die
kontinentale Biosphäre, ist wegen der hohen räumlichen und zeitlichen
Variabilität bisher noch nicht möglich; daher können diese nur als statische
Randbedingungen behandelt werden. Aufgrund steigender Rechnerleistung wird es
in der Zukunft jedoch möglich werden, die Atmosphäre bezüglich ihrer chemischen
Komposition, ihrer dynamischen Eigenschaften, der Kopplung an die Ozeane und
auch die Landmassen sowie bezüglich interner Rückkopplungen sehr viel
umfassender zu simulieren. Dies und die globale Verfügbarkeit präziser
atmosphärischer Messdaten sind die Voraussetzung für verlässliche Voraussagen der
Entwicklung der Atmosphäre in der Zukunft.
4.4 Ausblick: Erfassung atmosphärischer Daten in globalem Massstab
Am Anfang
atmosphärischer Messungen stand die Erfassung meteorologischer Daten der
untersten Atmosphärenschicht wie z.B. Temperatur, Luftfeuchte und Niederschlag
(Meteorologie). Die Interpretation der gewonnenen Daten beschränkte sich jedoch
häufig auf Analogien mit früher beobachteten Phänomenen (z.B. Bauernregeln) und
die Atmosphäre als komplexes System blieb weitgehend unverstanden. Mit der
Entwicklung der modernen Naturwissenschaften erweiterte sich das Wissen über
die physikalischen und chemischen Prozesse in der Atmosphäre in dem Masse, wie
zunehmend empfindlichere und spezifischere Messinstrumente entwickelt wurden.
Diese Messungen hatten anfangs eher stichprobenartigen und qualitativen
Charakter, seit Mitte des 20.Jh. wird die Atmosphäre durch Messungen von
Ballonen, Flugzeugen, Raketen und Satelliten in ihrer gesamten Höhe erschlossen.
Dabei spielen sowohl chemische in situ-Messungen als auch spektroskopische
Fernerkundungsmethoden eine sehr bedeutende Rolle. Heutige Satelliten sind in
der Lage, den Strahlungshaushalt der Atmosphäre, den Bewölkungsgrad,
atmosphärische Temperaturen, Windfelder sowie die Konzentrationen vieler
Luftbestandteile zu messen. Aufgrund solcher globaler atmosphärischer Messungen
und der zu erwartenden Fortschritte bei der Klimamodellierung sind in Zukunft
wesentliche Schritte zu einem umfassenden Verständnis atmosphärischer Prozesse
und insbesondere zur präzisen Voraussage atmosphärischer Eigenschaften zu
erwarten.
5 Weiterführende Literatur
[1] W. Roedel, Physik
unserer Umwelt, die Atmosphäre, 2. Auflage, Springer, Berlin-Heidelberg-New
York 1994.
[2] T.E. Graedel, P.J. Crutzen, Atmospheric Change, Freeman, New York 1993.
[3] G. Brasseur, S. Solomon, Aeronomy of the Middle Atmosphere, D Reidel
Publishing Company, Dordrecht 1986.
[4] R.P. Wayne, Chemistry of Atmospheres, 2. Auflage, Clarendon Press, Oxford
1991.
[5] H.D. Holland, The Chemical Evolution of the Atmosphere and Oceans,
Princeton Univerity Press, Princeton 1984.
[6] E. P. Röth, Ozonloch, Ozonsmog, Grundlagen der Ozonchemie,
B.I.-Taschenbuchverlag, Mannheim 1994.
[7] J.J. Houghton, L.G. Meiro Filho, B.A. Callander, N. Harris, A. Kattenberg,
K. Maskell, Climate Change 1995, Contribution of WGI to the Second Assessment
Report of the Intergovernmental Panel of Climate Change, Cambridge University
Press, Cambridge 1996.
Atmosphäre 1:
Der Strahlungshaushalt der Atmosphäre.
Atmosphäre 2: Die Bildung von atmosphärischem Sauerstoff und Ozon im Verlauf der Erdgeschichte.
Atmosphäre 3: Der Stockwerkaufbau der Atmosphäre.
a
c
Atmosphäre 4: a)
Spektrale Verteilung dF/dl von irdischer
Abstrahlung (oben), atmosphärischer Gegenstrahlung bei klarem Himmel (Mitte)
und Nettoabstrahlung (Abstrahlung minus Gegenstrahlung) an der Obergrenze der
Erdatmosphäre (unten) im infraroten Spektralbereich, im Bereich von ca. 10mm liegt das "spektrale Fenster"; b) natürlicher
Treibhauseffekt: Beitrag verschiedener atmosphärischer Spurenstoffe zur
Gegenstrahlung; c) anthropogener Beitrag zum Treibhauseffekt: Gegenstrahlung
von anthropogenen Spurenstoffen und Aerosolen.
Atmosphäre 5:
Schwankungen der atmosphärischen Temperatur und der atmosphärischen
Konzentrationen von CO2 und CH4 während der letzten 150
000 Jahre.
b
c
Atmosphäre 6:
Anthropogen beeinflusster Anstieg des Mischungsverhältnisses verschiedenener
atmosphärischer Spurenstoffe: a) Kohlendioxid (gefüllte Kreise: Daten aus
Eisbohrkernen, offene Kreise: in situ-Messungen), b) Methan, c)
Fluorkohlenwasserstoff F-11. Die Einheit ppmv (ppbv, pptv) bedeutet "parts
per million (billion, trillion) volume", d.h. 1ppmv ist 1 Volumenteil in 1
Million, 1ppbv bzw. pptv in 1 Milliarde bzw. Billion.
bottom:.0001pt;border:none; mso-border-left-alt:solid purple 1.5pt;mso-border-bottom-alt:solid purple 1.5pt; mso-border-right-alt:solid purple 1.5pt;padding:0cm;mso-padding-alt:0cm 13.0pt 13.0pt 13.0pt\'>Atmosphäre 7: Entwicklung der mittleren atmosphärischen Temperaturen während der letzten 130 Jahre, die Veränderung ist bezogen auf den Mittelwert der Jahre 1951 - 1980.
Das freie Technik-Lexikon. Fundierte Informationen zu allen Fachgebieten der Ingenieurwissenschaften, für Wissenschaftler, Studenten, Praktiker & alle Interessierten. Professionell dargeboten und kostenlos zugängig.
TechniklexikonModernes Studium der Physik sollte allen zugängig gemacht werden.